ceteroqui, alioqui.

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ceteroqui, alioqui.

Beitragvon Laptop » Do 26. Mai 2011, 19:37

Ich habe mich mal um die Abgrenzung von ceteroqui(n) und alioqui(n) bemüht. Und zwar sowohl dahingehend, wie man beide zu verstehen u. gebrauchen hat, als auch dahingehend, wie man sie wortlich different übertragen kann, es sind also zwei verschiedene dt. Worte gesucht. "Ansonsten" paßt zwar auf beide, ist aber nicht zu empfehlen, da es die unterschiedliche Bedeutung nicht vor Augen führt.

Ich bin zu einem Ergebnis gekommen, das analog zum Problem des vel und aut (inkl. und exkl. oder) steht, nämlich "sonst auch" (CETERQUI) und "sonst aber" (ALIOQUI). Das eine bildet einen losen Anschluß, das andere einen Kontrast.

Ich habe im Urlaub viel gelesen, CETEROQUI (sonst auch) haben wir ein Museum besucht.
Ich habe viel Geld verloren, ALIOQUI (sonst aber) geht es mir gut.

(CETEROQUI steht syn. zu CETERUM, also dem einfachen "übrigens"?)
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Re: ceteroqui, alioqui.

Beitragvon Merkur » Do 26. Mai 2011, 19:55

Nach TLL s.v. ceteroqui ist zunächst einmal sehr evident, dass ceteroqui ungleich seltener ist als alioqui (der Eintrag zu alioquin ist viel viel länger). Des Weiteren scheint es nie so verwendet, wie das in deinem Beispielsatz der Fall ist. Könntest du grob die Belege und Argumentation für deine Unterscheidung skizzieren?

"cēterōquī adv. [cf. c. ceterus et c. alioqui. Th.]. i. q. alioqui, ceterum, ἄλλως. Cic. orat. 83 illam concinnitatem … adhibebit quidem hic subtilis, quem nisi quod solum -i (Heerdegen, ceteroque codd.) recte quidam vocant Atticum. nat. deor. 1, 60 non poëta solum suavis, verum etiam -i doctus sapiensque Simonides traditur. Att. 5,21, 5 is -i (ceteros qui cod. M) abstinens. 12, 3, 1 Tusculanum, ubi -i sum libenter. 12, 45, 2. 14, 16, 1 loca -i (M1, cetera quam M2) valde expetenda, interpellantium autem multitudine paene fugienda. 16, 4, 1 pauca παϱὰ λέξιν, -i et satis graviter et non contumaciter. epist. 6, 19, 1 si modo tecti satis est ad comitatum nostrum recipiendum, -i mihi locus non displicet. 9, 10, 3 ego -i animo aequo fero; unum vereor, ne hasta Caesaris refrixerit. Gell. 20, 1, 27. Vlp. dig. 28, 5, 35, 3. 49, 14, 29 pr. haec poena magis est, ut adversus ipsum locum habeat, qui delatorem redemit. -i adversus heredem eius transire non debet."
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Re: ceteroqui, alioqui.

Beitragvon consus » Do 26. Mai 2011, 19:55

ceteroqui] übrigens, in anderer Hinsicht u.dgl.
alioqui] ist unklassisch*; sonst im Sinne von andernfalls, widrigenfalls klassich aut / aliter.

_________________________
* MSB (=Menge2000) § 165 erwähnt das Wort nicht, wohl aber Menge1960 § 478 ("unklassisch alioqui"). Vgl. auch Krebs, Antibarbarus s. v. alioqui.
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Re: ceteroqui, alioqui.

Beitragvon Merkur » Do 26. Mai 2011, 20:30

zur Verwendung von alioqui TLL s.v.
"vocabulum prosae orationis inde a Liv. (7, 19, 2); ap. poetas his tantum locis: Lvcr. 3, 415 (sed cf. p. 1593, 7) Hor. sat. 1, 4, 4. 1, 6, 66; frequentatum praecipue a Sen. phil. Plin. nat. Qvint. Plin. epist. Ictis Apvl., inter auctores inferioris aevi, quoad ex schedis nostris res iudicari potest, ab Hier."

Außerhalb der Stilübungen darf es also guten Gewissens verwendet werden. (Wundert mich übrigens, dass der alte Menge schon so streng ist. Hält er Livius und Seneca normalerweise nicht für imitabel?)
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Re: ceteroqui, alioqui.

Beitragvon Tiberis » Fr 27. Mai 2011, 00:10

Ich bin zu einem Ergebnis gekommen, das analog zum Problem des vel und aut (inkl. und exkl. oder) steht, nämlich "sonst auch" (CETERQUI) und "sonst aber" (ALIOQUI). Das eine bildet einen losen Anschluß, das andere einen Kontrast.

ich sehe diesen unterschied nicht, vielmehr bezeichnen beide begriffe einen "kontrast", also eine abweichung von einem zustand.
ein unterschied besteht jedoch darin, dass "alioquin" (mit coni. od. ind.) die bedeutung "andernfalls" haben kann - im ggs. zu ceteroqui(n).
a)Ich habe im Urlaub viel gelesen, CETEROQUI (sonst auch) haben wir ein Museum besucht.
b) Ich habe viel Geld verloren, ALIOQUI (sonst aber) geht es mir gut.


zu a) hier wäre eher "praeterea" zu erwarten (außerdem, weiters); ceteroquin ist aber möglich, wenn die abweichung vom "normalzustand" ( dem lesen) hervorgehoben werden soll.
zu b) ceteroqui(n) ist hier genausogut möglich.

wenn man einen unterschied in die beiden begriffe hineinkonstruieren möchte (wie gesagt, ich sehe keinen wirklichen) , wäre allenfalls bei der unterschiedlichen bedeutung von alii - ceteri anzusetzen.
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Re: ceteroqui, alioqui.

Beitragvon Laptop » Fr 27. Mai 2011, 02:43

@Merkur Um mit Belegstellen aussagekräftig die Abgrenzung der Kernsinne zu belegen, müßte ich min. etwa 20 Stellen für jedes Wort heranziehen, und vergleichend interpretieren. Die Stellen-Auslegung müßte auch 100%ig korrekt sein, da sonst das Ergebnis verfälscht od. unbrauchbar wäre. Ich habe momentan weder die Mittel noch die blitzschnelle Auffassungsgabe, um so eine Analyse in vernünftigem Zeitrahmen durchzuführen. Ich möchte hier eigentlich auch kein wissenschaftl. Ergebnis vorlegen, sondern diskutieren, inwiefern meine _Einschätzung_ plausibel ist.

@Tiberis „Kontrast“ und solche abstrakten Beschreibungen führen wohl eher zu Mißverständnissen als zu Vermittlung des Kernsinns. Vielleicht wird der Unterschied deutlicher mit „übrigens auch“ für ceteroqui, und „sonst aber“ für alioqui. Ich denke nicht, daß ich hier etwas hineinkonstruiere. Der Unterschied ist ja offenbar der von ceter- und ali-, d. h. der Wortwurzel ceter- wohnt das Ergänzend-Restliche inne, der Wortwurzel ali hingegen das Andersartige. Bei Kirsch lese ich unter alioqui „aber doch, Å¿onÅ¿t“, wobei das „aber“ auffällig ist, da es sich in etwa zu ceteroqui verhält wie aut zu vel. Zweifellos überschneiden sich auch beide Begriffe von alioqui und ceteroqui teilw. im Gebrauch, aber das tun vel und aut auch.

alioqui] ist unklassisch*; sonst im Sinne von andernfalls, widrigenfalls klassich aut / aliter.
Es taucht auf bei Lucr., Plinius min., Tac. Das ist soweit ich weiß Goldene (Lucr.) bzw. Silberne Latinität. Was nun mit "klassisch" gemeint ist, ist mir nicht ganz klar: wieviele Autoren werden zur Klassik gezählt? Der Bedeutungsangabe muß ich widersprechen, da dieses "-falls" zu eng gefaßt ist. So umfassen en. "otherwise", sowie "in anderer Hinsicht" bzw. "sonst aber" auch den Sinn "abgesehen davon", wie das bei alioqui auch der Fall ist: „et alioqui opportune situm, et transitus es est in Labeates.” (Liv.)
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