anregend das statement von Prudentius.
Prudentius hat geschrieben:Liebe Teilnehmer, ,
es gibt eigentlich auch keinen Konzessivsatz, es gibt aber eine konzessive Verbindung von zwei Sätzen. Die konzessive Satzverbindung bezeichnet eine "Ausnahme von einer Regel"; die Regel heißt in unserem Beispiel:
"Wenn jemand alles beherrscht, dann beherrscht er auch die Lüfte",
Die Ausnahme, konzessiv:
"Wenn Minos auch (sonst) alles beherrscht, die Lüfte beherrscht er nicht".
Die Regel ("Wenn A, dann B") bedeutet, dass nicht A wahr und B zugleich falsch sein kann; eben das vesteht man unter "Ausnahme": "Obwohl A, dennoch nicht B"; man kann auch dafür sagen: Zwar A, aber nicht B".
Die Grammatiken erklären die Bedeutung dieser Satzverknüpfung nicht richtig, sie beschränken sich oft darauf, den antiken Terminus "konzessiv" zu übersetzen.
Noch eine allgemeinere Bemerkung; Ihr betrachtet den Satz zu punktuell, ihr fragt nur, was der Konjunktiv hier gerade bedeuten soll, ihr fasst zu wenig das Verhältnis der beiden Teilsätze als solches ins Auge,
Salvete amici
P.
http://www.latein.at/phpBB/posting.php?mode=quote&f=25&p=256723
1. Implizite Konzessivität
Hier z.B. findet sich so etwas wie eine konzessive Struktur ohne explizite Konzessiv-Signale:
Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
Friedsel'ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
Als kehrten Engel heim von einer nächt'gen Wacht.
Die dunkeln Schollen atmen kräft'gen Erdgeruch.
Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: "Herr,
Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!" Der andre spricht:
"Du sagst's! Dem größten König eigen! Heute ward
Sein Dienst mir schwer ... Gemordet hast du teuflisch mir
Mein Weib! Und lebst! ... Mein ist die Rache, redet Gott."
Conrad Ferdinand Meyer: Die Füße im Feuer
(Erstdruck 1864)
Unser kulturelles Wissen signalisiert uns eine Norm, eine wahrscheinliche Norm:
Wer die Ehefrau ermordet, kommt normalerweise nicht ungestraft davon.
Diese Regel wird hier ausgesetzt. Entsprechende Signale für das "Aussetzen" fehlen.
Wenn man so will, ein Beispiel für asyndetische Reihung. Und ein Beispiel
für die leicht verrätselte und daher aktivierende Struktur solcher
impliziten logischen Verhältnisse.
Bestätigt durch eine mehr oder weniger explizite Norm theologischer Prägung,
welche hier die vorige Norm dominiert und in ihrer Geltung einschränkt:
"Mein ist die Rache", spricht Gott. Dieser Satz hat die Rachehandlung
des Ehemannes blockiert.
Man vergleiche kontrastierend die Wirkung von "Obwohl du mein Weib ermordet hast,
lebst Du nach dieser Nacht noch." Die Aktivierung des Lesers ist wohl
geringer, gewiss geringer. Und daher denn auch ist die Passage für einige
nicht sehr aufmerksame Leser kaum in ihrer Tragweite verständlich.
2. Stimulans und Explizitätsgrad
Sicherlich könnte auch ein Cicero in einer bewegenden Rede kontrastive
Sätze präsentieren, im Indikativ asyndetisch reihende Widerspruchsstrukturen
präsentieren. Das ändert aber wohl nicht viel an folgendem
vorläufigen Fazit:
Ein lateinisches Konjunktivsignal im Verb ohne weitere Partikelsignale ist gewiss mehrdeutig,
es kann voluntative oder konzessive oder .... Verhältnisse
signalisieren. Der jeweilige Kontext macht dann
die gewisse Polysemie eindeutiger. Meist.
Entsprechend gibt es stärkere Signale:
Sane dicat ... quamquam impiger est --- tamen non vituperatur
In all diesen Sachverhalten und Sachverhaltskombinationen geht
es um einen mehr oder weniger überraschend unwirksamen
Gegengrund probalistischer Natur. Wir verfügen entsprechend
über eine Skala sprachlicher Mittel, dieses logische Verhältnis
mehr oder weniger explizit zu formulieren.
Was des Prudentius´ Konditionale anbelangt:
Die Syllogismusstruktur tritt außerhalb der logischen Sprache
kaum mit absolutem Anspruch auf. Sie hat wohl immer
eine Restklausel, dass gewisse Zusatzannahmen mit dem Standard
verträglich sind:
Wenn es regnet, wird die Straße nass
setzt etwa als Randbedingung nicht aus, sonder nur außer
Betracht, dass die Straße auch
durch Wasserrohrbruch oder Urininieren oder getauten
Schnee oder was auch immer nass geworden sein könnte.
3. Didaktische Überlegungen
Und in eben diesem Bereich operiert dann meist das
"konzessive Verhältnis". Ob es nun didaktisch
wichtig ist, das nichtmarkierte konzessive
Verhältnis ins Spiel zu bringen?
Wahrscheinlich doch eher als Randphänomen: Didaktisch einleuchtender
ist es, dieses logische Verhältnis an Konzessiv-Signalen
festzumachen.
Interessant und Additum: Die Wirkung
von nichtmarkierten Widersprüchen als Stimulans
für den Rezipienten, das - ich sags jetzt mal sehr
technizistisch - das ausgesparte Konzessivsignal
zu interpolieren.
In Shakespeares Antoniusrede auf den toten Caesar
läuft so etwas ab, eine Mischung von immer sichtbarer werdender
Ironie (?), Sarkasmus und entsprechenden konzessiven Strukturen:
Ambition should be made of sterner stuff:
Yet Brutus says he was ambitious;
And Brutus is an honourable man.
You all did see that on the Lupercal
I thrice presented him a kingly crown,
Which he did thrice refuse: was this ambition?
Yet Brutus says he was ambitious;
And, sure, he is an honourable man.
Wer als Ehrenmann agiert, dem kann man glauben, was er sagt.
Der Ehrenmann Brutus sagt, Caesar war ehrgeizig und republikfeindlich.
Aber es gibt Belege dafür, dass er nicht republikfeindlich war: Die Abweisung
der Königskrone.
So ist denn - gewiss - Brutus (kein) ehrenwerter Mann.
Und: Obwohl Brutus als ehrenwerter Mann gilt und sich so geriert:
Er ist es nicht.
Hier Marlon Brando als Brutus, marvelous:
lend me your ears
Kennt jemand rhetorische Passagen in klassischem Latein,
ohne explizite Konzessivsignale, also ohne Modus oder Partikel oder
die Kombination von Modus und Partikel? Aber eben mit konzessivem
Subtext?
valete