Cicero: de lege agraria 2,5

Das Forum für professionelle Latinisten und Studenten der Lateinischen Philologie

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Cicero: de lege agraria 2,5

Beitragvon Psychopompos » Sa 28. Jan 2012, 08:17

Salvete!
Bei der Lektüre der Rede de lege agraria bin ich an einer Stelle gestolpert. Ich hoffe Sie können mir dabei weiterhelfen:
Hoc ego tam insigne, tam singulare vestrum beneficium, Quirites, cum ad animi mei fructum atque laetitiam duco esse permagnum, tum ad curam sollicitudinemque multo magis. Versantur enim, Quirites, in animo meo multae et graves cogitationes quae mihi nullam partem neque diurnae neque nocturnae quietis impertiunt, primum tuendi consulatus, quae cum omnibus est difficilis et magna ratio, tum vero mihi praeter ceteros cuius errato nulla venia, recte facto exigua laus et ab invitis expressa proponitur.

Es befinden sich nämlich, Quiriten, viele und schwere Gedanken in meinem Geist, die mir keinen Teil der täglichen oder nächtlichen Ruhe zukommen lassen; erstens (die Gedanken) zur Wahrung des Konsulats, ein Problem, das sowohl für alle ein schwieriges und großes ist,
als auch für mich vor den übrigen, ...
Hier ist das Problem; übersetzte habe ich es einfach (aber nur anhand des textkritischen Apparates, der ein "cum" anstelle des "cuius" vorschlug): ... wenn für einen Fehler keine Verzeihung, für eine richtige Tat (lediglich) ein geringes und von den Unwilligen herausgepresstes Lob in Aussicht gestellt wird.

Hier gründet sich meine Frage oder besser gesagt meine Fragen: 1. Wie muss das "cuius..." übersetzt werden? Vom Sinn her habe ich es schon verstanden s.o.
2. Ist das "errato" als Partizip zu verstehen, oder als Substantiv von erratum, i n. und folglich, genau wie "facto" ein Dativ, der mit proponitur zusammenhaengt ("für einen Irrtum wird in Aussicht gestellt")
3. und eine andere Frage: Ist es möglich, dass Cicero hier "aus dem Raster" der Konstruktion fällt? : Sowohl für alle ein schwieriges und großes Problem, als auch für mich vor den übrigen... und dann der andere Teil, oder : als auch für mich vor den übrigen ... in Aussicht gestellt wird.

Ich hoffe Sie können mir helfen.

Vale
Psychopompos
Servus
 
Beiträge: 7
Registriert: Mi 25. Jan 2012, 09:59

Re: Cicero: de lege agraria 2,5

Beitragvon Tiberis » Sa 28. Jan 2012, 16:15

salve ,

meiner ansicht nach kann sich cuius nur auf mihi beziehen; weiters sehe ich errato und facto eher als abl. lim. (im hinblick auf..), aber das lässt sich wohl nicht restlos klären.
> ...was für alle eine schwierige angelegenheit ist, ganz besonders aber für mich, im hinblick auf dessen fehlerhaftes handeln keine nachsicht erwartet werden kann, und bei (dessen) richtigem handeln nur .. in aussicht gestellt wird
ego sum medio quem flumine cernis,
stringentem ripas et pinguia culta secantem,
caeruleus Thybris, caelo gratissimus amnis
Benutzeravatar
Tiberis
Pater patriae
 
Beiträge: 11883
Registriert: Mi 25. Dez 2002, 20:03
Wohnort: Styria

Re: Cicero: de lege agraria 2,5

Beitragvon Zythophilus » Sa 28. Jan 2012, 16:40

cuius würde ich auch auf mihi beziehen, aber errato und facto sehe ich als Dat. "für ..." oder einfach ein Dat. im Deutschen.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 16948
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Anderer Vorschlag

Beitragvon Prudentius » Sa 28. Jan 2012, 22:00

Sicher bin ich mir nicht, aber ich würde lieber so konstruieren: cuius auf consulatus bezogen, und zwei abl.abs. mit konditionaler Auflösung:: errato und bene facto (consulatu), "wenn ich es fehlerhaft ausgeführt habe", also: "bei dessen (des Konsulats) fehlerhafter Amtsführung mir keine Nachsicht in Aussicht gestellt ist, bei guter Amtsführung aber spärliches Lob zu erwarten ist."
Bei dem abl.abs. errato consulatu ist mir nicht ganz wohl, aber bei eurem Vorschlag scheint mir cuius überflüssig zu sein;

praeter ceteros über die anderen hinaus,

Valete! :)
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Cicero: de lege agraria 2,5

Beitragvon Tiberis » So 29. Jan 2012, 00:28

Prudentius hat geschrieben:cuius auf consulatus bezogen, und zwei abl.abs. mit konditionaler Auflösung:: errato und bene facto (consulatu)

ich gebe zu, dass dies auch mein erster gedanke war. sinngemäß stimmt es ja auch.
grundsätzlich stellt sich die frage, wieweit "cuius" an dieser stelle überhaupt gesichert ist. ich habe dazu leider keine textkritische ausgabe zur hand. offenbar gibt es aber verschiedene lesarten. z.b. ist die stelle im Georges angeführt, allerdings steht dort "cui". und selbst unter dieser annahme gibt es für Georges erklärungsbedarf : er sieht errato (wie später facto) als absolutes perf.part. (ablativ) an. ("wenn ein fehler gemacht worden ist")
steht aber cuius, kann errato kein partizip sein: der genetiv wäre kaum zu erklären. im hinblick auf die anzustrebende konzinnität (errato - facto) ist aber davon auszugehen, dass errato partizip und nicht substantiv ist (facto ist zweifelsfrei partizip).
demgemäß wäre m.e. "cui" an dieser stelle plausibler.
wie auch immer - einen bezug des cuius auf "consulatus" halte ich für nicht wahrscheinlich, zumal sich ein rel.pron. üblicherweise nach dem nächstgelegenen in frage kommenden bezugswort orientiert (> mihi) und obendrein noch ein ganzer rel.satz (auf cogitatio bezogen) dazwischen steht.
ego sum medio quem flumine cernis,
stringentem ripas et pinguia culta secantem,
caeruleus Thybris, caelo gratissimus amnis
Benutzeravatar
Tiberis
Pater patriae
 
Beiträge: 11883
Registriert: Mi 25. Dez 2002, 20:03
Wohnort: Styria

Re: Cicero: de lege agraria 2,5

Beitragvon Medicus domesticus » So 29. Jan 2012, 10:48

@Tiberis:
Allein in dieser Ausgabe sind 3 Möglichkeiten der Leseart angegeben:
http://books.google.de/books?id=rdU9AAA ... to&f=false
:book:
cuius, cui oder cum.
Medicus domesticus
Dominus
 
Beiträge: 7287
Registriert: Di 9. Dez 2008, 11:07


Zurück zu Lateinische Philologie



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 61 Gäste