Ich hab mir jetzt folgende Konjektur oder Emendation überlegt:Im Vers
álme, ven'_|_ét fes- |túm vete- | rí novus | ádice | Iánumkönnte man das semantisch nahezu leere und zum Verständnis und zur korrekten Syntax des Satzes im Grunde überhaupt nicht notwendige Wort
et ersatzlos streichen - dann würde der Vers folgendermaßen lauten:
álme, ve- | ní, fes- |túm vete- | rí novus | ádice | IánumDann hätten wir das besagte Problem mit der hässlichen Synalöphe durch die Elision des -í bei dem Verb
veni im Imperativ mitsamt der widersinnigen Betonung des unwichtigen Wortes
et eliminiert und unter Beibehaltung des wohlklingenden Binnenreims
vení - veterí trotzdem die Regeln der Metrik gewahrt.
Ich könnte mir in der Tat vorstellen, die Tonspur in meinem Ausonius-Video mit dem Vers ohne dieses
et neu aufzunehmen, das Video neu zu rendern - was alles viel mehr Arbeitsaufwand ist, als ihr vielleicht denkt - und diese überarbeitete Version dann neu auf Youtube hochzuladen. Das wäre ein Kompromiss, auf den ich mich einlassen würde: 1. wäre dann die Metrik im altphilogischen Sinne korrekt, 2. wäre die Betonung auf dem -í des semantisch wichtigeren Imperativs
vení gewahrt, und 3. hätte ich weiterhin meinen schönen Binnenreim
vení - veterí, der mir - ungeachtet dessen, dass solche Binnenreime in der antiken Dichtung gar nicht vorgesehen sind - so gut gefällt.
Was meint ihr dazu? Wäre das ein gangbarer Weg?
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Sagt mal, hat jemand von euch vielleicht eine
modernere wissenschaftliche Ausonius-Ausgabe mit einem guten textkritischen Apparat und/oder auch Kommentar zur Hand und könnte dort mal für mich nachschauen, was dort steht? Ich wüsste zu gern, wie die handschriftliche Überlieferung dieser Textstelle genau aussieht. Wer weiß: Vielleicht ist diese Stelle in den Codices ja verderbt. Dann wäre - bei aller Bescheidenheit - meine vorgeschlagene Emendation vielleicht vertretbar - wie gesagt, aus rein euphonischen Gründen im Hinblick auf meine Video-Rezitation.
Ich selbst hatte online nur folgende (alte, und somit gemeinfreie) Ausgaben gefunden:
•
https://archive.org/stream/deciausonius ... 2/mode/2up•
https://archive.org/stream/opuscula00au ... 6/mode/2up•
https://archive.org/stream/cuadmagniaus ... 5/mode/2upAus den textkritischen Apparaten dort geht jedenfalls nur hervor, dass
alme statt des im Codex V überlieferten
anne die Emendation eines gewissen Peiper ist, und dass dieser Peiper auch den Vers
coge secuturos bis sena per ostia menses aus dem vorherigen Gedicht hierher verschoben hat, was die Ausgaben
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https://archive.org/stream/cuadmagniaus ... 5/mode/2up•
http://mlat.uzh.ch/MLS/xanfang.php?tabe ... _download=•
http://www.forumromanum.org/literature/precationes.htmlnicht übernommen haben,
wohl aber die Ausgabe, die
Perseus in seinem Textcorpus hat:
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http://www.perseus.tufts.edu/hopper/tex ... ection%3D6Über das fragliche
et habe ich jedenfalls nichts gefunden.
Ich hatte mich bei meinem Video dann dazu entschieden, die Version (
mit Peipers Emendation und Verschiebung des Verses
coge secuturos...), die Perseus angibt, zu rezitieren. Ich musste ja irgendeine Entscheidung treffen.
Und nochmal: Bitte bedenkt, dass meine Rezitation hier mit dem tollen Soundtrack
"Colossus" von Kevin McLeod harmonieren soll. Gerade das gefällt mir so gut. Diese extrem rhythmische Musik unterstreicht den Rhythmus des Hexameters auf eine ganz einzigartige Weise, und deshalb will ich unbedingt so skandieren, wie ich es bereits getan habe. Diese Freiheit, das Ausonius-Gedicht in diesem Stil zu "rappen", nehme ich mir. Denn welche Musik würde besser zu dem Ausonius-Gedicht passen als "Colossus" von Kevin McLeod?
Beste Grüße,
Bussinatrix