Die Vokalquantität von i in distare

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Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon ille ego qui » Mi 4. Feb 2015, 15:57

salvete sodales doctissimi!
ganz angedonnert (attonitus) las ich heute im Georges, das i in di-stare sei lang, was ich weder selbst je gesagt noch von irgendeinem gelehrten menschen je gehört habe ;-) leicht findet man, dass hier keineswegs einigkeit zu herrschen scheint; schon der Langenscheidt markiert bei zusammensetzungen des Typs "di(s) + s..." das i grundsätzlich nicht als lang. Mein Kommilitone und Freund sursumdeorsum verwies auf den Thesaurus-Artikel, wo de-stare als alternativform genannt wird, wo das e ja auf jeden falls lang sein muss ...
:?
Wisst ihr dazu näheres?
valete :-)
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon RM » Mi 4. Feb 2015, 19:09

Ich weiß jetzt nicht, wo der Thesaurus destare als Alternative gefunden hat, wenn es aber aus einer Inschrift stammt, kann es auch = distare sein, so wie man ordene = ordine findet. So etwas würde dann eher auf ein kurzes i hindeuten. Ähnliches findet man z. B. in Veikko Väänänens berühmter Abhandlung.

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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 4. Feb 2015, 19:33

OLD bezeichnet das i auch nicht als lang.
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon Tiberis » Mi 4. Feb 2015, 19:41

gegenfrage: warum sollte es nicht lang sein? das präfix di- hat doch immer ein langes i, warum dann nicht auch hier? (di-stare)
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon ille ego qui » Mi 4. Feb 2015, 19:46

teilweise wird es offenbar als verschmolzene zusammensetzung von dis+s... gedeutet. welche evidenz es aber dafür gibt oder geben sollte, entzieht sich auch meiner kenntnis ;-)
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 4. Feb 2015, 19:49

OLD schreibt unter Präfix dis-:
dī- vor b,d,g,l,m,n,r.
Im Stowasser unter *dis findet man auch etwas...
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon ille ego qui » Mi 4. Feb 2015, 20:07

kannst du kurz sagen, was dort unter dis- steht, optime medice. meine hausmarke ist leider langenscheidt (an sonn- und feiertagen georges) ;-)
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 4. Feb 2015, 20:12

...Volle Form vor mutae u. s: discedo, dis-sero; disto für dissto; vor den übrigen Konsonanten dī-: dī-duco; dīiungo neben dis-iungo...usw.
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon ille ego qui » Mi 4. Feb 2015, 20:22

danke dir!
also alle gegen einen (= G.), wie es scheint ;-)
(auch der TlL setzt kein longum über das i, weist aber dafür auf doppelte möglichkeit der perfektbildung hin: distiti und distavi :-O)
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon Laptop » Do 5. Feb 2015, 07:01

Ja, wegen Ersatzdehnung (Ausfall des s) hat di- nunmal theoretisch langes i. Ob diese Theorie so der Praxis entsprach und das i immer lang gesprochen wurde ist die andere Frage. Vielleicht schrieb man auch distare und sagte dis-stare, ohne Ausfall des s und daher mit kurzem i. Daß die Schreibung manchmal nicht der Aussprache entspricht kennen wir ja bspw. auch von maius oder reice. Naturgemäß führt flüssige Rede bspw. auch bei indistanter zur Syllabierung in·dis·tan·ter, nicht in·di·stan·ter.
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon ille ego qui » Do 5. Feb 2015, 10:19

sofern das i kurz war, gehe ich sowieso davon aus, dass das s etwas in die länge gezogen wurde. das nennt man dann positionslänge ;-)
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon RM » Do 5. Feb 2015, 19:34

Wieso sollte man bei der Kombination "st" das "s" in die Länge ziehen? :?
Ich habe in der epigraphischen Datenbank übrigens keine Belege für "destat" statt "distat" gefunden.

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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon Tiberis » Do 5. Feb 2015, 21:10

woher will man eigentlich wissen, ob dieses i nun lang oder kurz war? angaben in wörterbüchern sind ja nun wirklich kein beweis, und aus der metrik lässt es sich auch nicht erschließen. wir können also nur vermutungen anstellen, und da meine ich, dass aufgrund des wegfalls eines s (distare <dis-stare) eigentlich eine länge zu erwarten wäre.
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon ille ego qui » Do 5. Feb 2015, 21:42

RM hat geschrieben:Wieso sollte man bei der Kombination "st" das "s" in die Länge ziehen? :?


Um eine echte Positionslänge zu erhalten (die sich in der Poesie ja zweifelsfrei zeigt). Den Vorschlag kenne ich von Stroh. Diese Dehnung eines silbenschließenden Konsonanten zeigt sich ja noch im Italienischen (oder der italienischen Aussprache des Lateinischen, z.B. im Wort "tan:tus"). Im Deutschen tun wir das nicht und erhalten daher auch keine signifikant längeren Silben bei Mehrfachkonsonanz.
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Re: Die Vokalquantität von i in distare

Beitragvon ille ego qui » Do 5. Feb 2015, 21:46

Tiberis hat geschrieben:woher will man eigentlich wissen, ob dieses i nun lang oder kurz war? angaben in wörterbüchern sind ja nun wirklich kein beweis, und aus der metrik lässt es sich auch nicht erschließen. wir können also nur vermutungen anstellen, und da meine ich, dass aufgrund des wegfalls eines s (distare <dis-stare) eigentlich eine länge zu erwarten wäre.


der Schreibbuchstabe s fällt allerdings in s-haltiger Umgebung ohnehin gerne aus (z.b. ex(s)pectare. Es gibt ja überhaupt nur intervokalische Doppelkonsonanzschreibung. Und die Aussprache des s wäre (bei kurzem i) schon allein aufgrund der Positionslänge in die Länge zu ziehen, sofern stimmt, was ich eben behauptet habe ;-)
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