Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

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Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Laptop » So 1. Mär 2015, 01:42

Salvete. Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

1. Frage. Bei Georges steht es kann als Angabe der Ursache (sic!) stehen, das ist ja bekannt. Ist das nicht genau genommen unrichtig, und cum kann weitergefaßt wie unser “da” sowohl schlußfolgernd als auch rückschließend gebraucht werden? Ein Schlußfolgerung leitet aus einer Ursache eine Konsequenz her. Ein Rückschluß leitet aus einer Konsequenz eine Ursache her.
Beispiele:
Schlußfolgerung: Da sie nicht geheiratet hat, folgere ich, daß sie keinen Ehemann hat.
Cum matrimonium non inierit, constat ei non esse maritum.

Rückschluß: Da sie keinen Ehemann hat, schließe ich, daß sie nie geheiratet hat.
Cum maritum ei non sit, constat matrimonium non inivisse.

2. Frage. Ab und an wird es auch “quum” geschrieben. Als Proto-Form wird allerdings quom angegeben. Irgendwas stimmt doch da nicht? Entweder die Schreibung “quum” ist falsch, oder aber in Wörterbüchern fehlt die Frühform “quum”. Bevor man jetzt “quum” vorschnell verurteilt: in der Frühzeit gab es ja keine Sprachnorm und es existierten oftmals viele Schreibungen nebeneinander. Ich könnte mir vorstellen, daß es eine Protoform quum neben der von quom gab, kann das sein?
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon romane » So 1. Mär 2015, 10:56

Belege:

Gaius.Epit.1.6.4.6 alii duo, ut septem testium numerus impleatur. Tamen quum tertio mancipatus fuerit filius a patri naturali

Gaius.Epit.2.7.6.1 quam id, quod consequitur, reddere iubeatur. quum autem aliena res per fideicommissum relinquitur, necesse

Gaius.Epit.2.11.2.4 et oblati. Manifestum furtum dicitur, si quando fur, quum cuiuscunque rem tollit, in ipso furto deprehenditur. Nec

Apul.Mun.19.15 uindicantia. Sed quibusdam mirum uideri solet, quod, quum ex diuersis atque inter se pugnantibus elementis mundi

Apul.Pl.1.7.8 multimoda [multi] potestatum coitione conficitur. Quae quum inordinata permixtaque essent, ab illo aedificatore mundi

Gaius.Epit.2.7.8.21 tamen per fideicommissum rogare eum possumus, ut quum moriatur, alii eam hereditatem uel totam uel pro parte

Gaius.Epit.2.7.8.26 scribat: illvm heredem institvo et volo, vt quum mortvvs fverit, ad illvm hereditas mea pertineat.

Gaius.Epit.2.7.7.11 hac re heres aestimationem in pretio dare non cogitur. Sed quum per fideicommissum libertas datur, is, qui manumissus

Fest.Verb.238.15 eris . . . ẹnit . . . aemu. . . urbem . . . ạnnis . . . quum pu. . . ṭị debebat . . . Pueri im. . . ntur Atta . . .

Gaius.Epit.2.11.2.9 alterum res furata inuenitur. Oblatum furtum dicitur, quum res furtiua alicui ita a fure datur, ut apud ipsum furem

Serv.A.1.187.2 'con' secundum naturam brevis est semper, excepto quum s littera vel f sequitur; tunc enim tantum producitur,
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Re: Fehlschluss!

Beitragvon Prudentius » So 1. Mär 2015, 17:04

Rückschluß: Da sie keinen Ehemann hat, schließe ich, daß sie nie geheiratet hat.
Cum maritum ei non sit, constat matrimonium non inivisse.


Hallo Laptop,

sie kann ja Witwe sein, oder der Mann hat sich davongemacht.
Auch musst du bei constat noch einen Akkusativ in den ACI setzen: "eam"; sonst hieße es "dass die Ehe nicht hereingekommen ist".

Was die Ursachen angeht, so ist ja Aristoteles für die ganze Tradition maßgeblich gewesen; er hatte die "4-Ursachen-Lehre"; darunter besonders die zwei, "causa efficiens" und "c. finalis"; auch wir können noch die Finalursache kausal ausdrücken: "Ich renne, weil ich den Bus noch kriegen will".

Bei Georges steht, es kann als Angabe der Ursache (sic!) stehen


Da kommt es zum Crash zwischen alter und moderner Kausalitätsauffassung: die Ursache wird nicht einfach als Angabe hinzugefügt; man versteht heute darunter eine besondere Relation von zwei Sätzen, unter bestimmten Voraussetzungen sagt man, die Sätze stehen in einem Kausalverhältnis; früher hat man das Kausale an einem Teilsatz festgemacht; letzten Endes stehen sich zwei Weltbilder gegenüber: das Substanzdenken von Platon her, und das Systemdenken der Moderne.

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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Laptop » So 1. Mär 2015, 17:45

@Frage_1 @romane @Longipes
So wie ich dich, Romane, verstehe, heißt das, die Wörterbücher haben hier eine Lücke, und quum ist eine gültige Frühform. Longipes, meinst du wirklich man kann Formen von namhaften Autoren aus dem 2. Jhd. vor Christus als irrtümlichen Trend bewerten? Aber zurück zur Ursprungs-Frage: Warum gibt es die Varianz quum <=> quom? und welche Form davon ist irrtümlich? oder ist keine davon irrtümlich?
Dazu zwei Thesen, die beide zum selben Ergebnis führen:
These 1) die zwei verschiedenen Schreibungen waren nur archaische Versuche ein und dieselbe Aussprache graphisch zu fixieren. D. h . quom und quum verweisen auf dieselbe Aussprache, einen Laut der zw. u und o schwankt, und keine Form von beiden ist falsch.
These 2) es gab tatsächlich leicht unterschiedliche Ausspracheweisen, je nach regionalem Dialekt, quom ist einfach eine etwas derbere Aussprache, da das zweite u etwas gröber fast wie ein o gesprochen wird. Auch nach dieser These ist keine Form, weder quom noch quum, falsch.

@Frage_2 @Prudentius
sie kann ja Witwe sein, oder der Mann hat sich davongemacht.

Richtig. Das Beispiel war vielleicht etwas ungenau. Gemeint war ein einfaches Beispiel für Rückschluß und Schlußfolgerung. Nun sagst du das Wort “Ursache” umfaßt klassisch sowohl das Davor-Ereignis (Infektion vor dem Schnupfen) als auch Danach-Ereignis (Schnupfen nach der Infektion), und ich denke zu eng/modern/logisch. Ich habe damit Bauchschmerzen, denn schon die Vorsilbe “Ur-” bezeichnet seit Alters her ein Davor, nie ein Danach. “Ursache” bezeichnet auch etwas reales, nicht etwas gedanklich-logisches. Dafür käme dann schon eher das Wort “Grund” in Frage.

Zu causa finalis, causa efficiens, etc.: Die 4-Ursachen in Aristoteles Lehre sind soweit ich das verstehe weiterhin “nur” Varianten von Ursachen, bspw. ist die Causa efficiens die Wirkursache, aber keinesfalls die Wirkung/Folge/Konsequenz, von der hier ja die Rede ist.
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Zythophilus » So 1. Mär 2015, 23:50

Wenn man der Angabe im Georges trauen kann, dann ist die ursprüngliche Form tatsächlich quom, weil es zum Relativpronomen gehört. Später kommt quum, und schließlich wird cum daraus.
Generell schwindet das q, dass ursprünglich der K-Laut vor o und u war. Es gibt auch altlateinisch qur für cur.
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Laptop » Mo 2. Mär 2015, 01:14

@Longipes Ja, prüfen ist immer gut!
@Zythophilus Die Etymologie “quom > quum > cum” leuchtet ein. Wenn auch mit Vorbehalt, da die Sprachrealität aufgrund dialektaler Vielfalt selten so eingleisig war wie man es gerne darstellt. Allerdings zweifle ich zu einer anderen Aussage von dir, nämlich der, daß du sagst qu.. waren urspr. zwei Late. Ich habe gelesen, daß qu im Lateinischen seit man denken kann ein Digraph für einen Laut war. Kennt man ja bspw. auch bei dt. “sch” in “schön” oder “ll” in walisisch “Llyod”.
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Prudentius » Mo 2. Mär 2015, 21:47

Eine Schlußfolgerung leitet aus einer Ursache eine Konsequenz her.


Hallo Laptop, das ist etwas anders: Eine Schlußfolgerung leitet aus zwei Sätzen, sogen. Prämissen, einen dritten ab, die Folgerung; das ist eine rein logische Operation, hat eigentlich nichts mit Ursache und Wirkung zu tun.

Ein Rückschluß leitet aus einer Konsequenz eine Ursache her.


Das kann man gar nicht: "Weil er vom Pferd fiel, brach er sich den Arm"; aus dem Armbruch kannst du nicht den Reitunfall herleiten, es kommen viele Ursachen in Frage; die Kausalrelation ist eine Einbahnstraße, sie wird ja auch durch einen Pfeil dargestellt: "A => B"; andersherum geht es nicht; diese Relation ist nicht symmetrisch, sagt man; du hast es ja oben bei deinem Beispiel gesehen.

lgr. P. :)
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Laptop » Mo 2. Mär 2015, 22:23

Prudentius, ich denke an Sherlock Holmes, der praktisch Morde aufgeklärt hat, indem er zu Rückschlüßen imstande war, die nur staunen lassen. Unter Berücksichtigung von zahlreichen Neben-Indizien, hat er vom Armbruch auf den Reitunfall rück-geschlossen. Dabei meint die Vorsilbe Rück- das Rückwärtsgehen in der Zeit, nämlich, daß von dem Danach auf das Davor geschlossen wird. Du denkst mathematisch, wo es keinen Kontext gibt, das ist eine eigene Welt. Ich meine es ganz pragmatisch. Die Schlußfolgerung leitet chronologisch her, der Rückschluß anti-chronologisch.
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Zythophilus » Mo 2. Mär 2015, 22:56

Das altitalische Alphabet hat nun einmal drei k-Laute, und so müssen die Römer sie wohl anfangs auch gehabt haben. Im Laufe der Zeit verschwand das K fast vollständig, während das Q, zunächst der k-Laut vor o und u nur in Verbindung mit dem V verwendet wurde.
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Laptop » Di 3. Mär 2015, 05:04

Ein Alphabet hat nie Laute, sondern Buchstaben, die in gewisser Weise (...) mit Lauten korrelieren, das klingt korinthenkackerisch, aber hier sollte man genau differenzieren. Kalendae und Calendae verweisen schließlich auch nicht auf unterschiedliche Laute. Mal angenommen, ein Archäologe des 4 Jahrtausend n. Chr. würde versuchen die dt. Sprache zu entschlüsseln. Würde er darauf kommen, daß “sch” einen ganz eigenen Laut bezeichnet, obwohl in keinem deutschen ABC dieser Graph auftaucht?
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Zythophilus » Di 3. Mär 2015, 23:24

Gut. Das altitalische Alphabet hat drei Buchstaben für den k-Laut, die jeweils vor anderen Vokalen stehen. Von den Römern wird es mit der Zeit so vereinfacht, dass mit wenigen Ausnahmen der Buchstabe C für alle früheren verwendet wird, während Q nur mehr in Kombination mit V auftritt und auch ein etwas anderer Laut wird.
Dennoch gibt's eine gewisse Abneigung gegen die Kombination CVV, sodass das aus dem quom entstandene quum leicht zu cum werden kann. So sind auch Schreibungen wie locuntur für loquuntur u.ä. zu sehen.
Auch hier http://de.wikipedia.org/wiki/Q
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Re: Zwei Fragen zur Konjunktion cum.

Beitragvon Laptop » Do 5. Mär 2015, 00:08

@Zythophilus Das altitalische Lautsystem hatte den eigenständigen Laut kw schon bevor die Schrift erfunden war. Und dann, als die Schrift kam, war das Q im Altitalischen niemals ein K-Laut, sondern wurde als QV gebraucht um den Laut kw wiederzugeben, sind wir uns darin einig?
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