fore/futurum esse vs. factum iri

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fore/futurum esse vs. factum iri

Beitragvon ille ego qui » Do 18. Jun 2015, 18:44

Salvete,

ich stelle hier eine Frage, die sich vielleicht aufgrund unserer Überlieferung schwer oder nicht beantworten lässt. Aber wir werden ja sehen ;-)
als Infitiv Futur von fieri geben Grammatiken "futurum esse/fore" an (was man vermutlich auch auf den "Konjunktiv Futur" übertragen darf => "futurus sit"). Ich frage mich nun, ob dies wirklich immer passt - oder sollte man nicht vielleicht zumindest dann, wenn es sich um ein echtes "gemacht werden" handelt, zu "factum iri" (kaum belegt) greifen.
Damit hängt die Frage zusammen, inwieweit der Infinitiv aus Supin+iri sämtliche Bedeutungsmöglichkeiten des Passiv umfassen kann. Denn sein Ursprung geht ja wohl auf einen AcI zurück, bei dem ein Gegenstand zum Objekt einer Handlung wird:

scio me laudatum iri = ich weiß, dass man daran geht (dass daran gegangen wird), mich zu loben.

Zunächst ist aber in einem solchen Satz "me" nicht logisches Subjekt des AcI, vielmehr handelt es sich um das Objekt zum Supin "laudatum" (dass die iri-Konstruktion sich dann aber doch wie ein echter Infinitiv-Ersatz verhält, haben wir hier bereits bewiesen).

Kann dennoch die iri-Konstruktion beispielsweise auch ein mediales Passiv ausdrücken (wie es vielleicht bei "fieri = geschehen" vorliegt)?
Und eine Anschlussfrage: Gibt es Beispiele für Deponentien in der Konstruktion (ich vermute fast: nein)? Der Infinitiv Futur der formal passivischen Deponentien wird ja schon mal bekanntlich anders konstruiert ...

Valete :-)
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Re: fore/futurum esse vs. factum iri

Beitragvon RM » Do 18. Jun 2015, 20:10

Was ein Glück, dass uns Aulus Gellius darüber aufklärt, was man unter "factum iri" zu verstehen hat.

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Re: fore/futurum esse vs. factum iri

Beitragvon Zythophilus » Do 18. Jun 2015, 21:38

Gellius hat mit seiner Erklärung von factum iri etc. sicher Recht. Die Frage ist nur, ob der normale Verwender dieser Konstruktion wirklich auch factum itur etc. als Prädikat eines unabhängigen Satzes oder ein normales Futur vor Augen hat. Die Umschreibung facturus sit nimmt man, wenn faciet in einen konjunktivischen Gliedsatz gerät. Bei facturus est wäre es natürlich auch so, aber wie oft kommt das im Verhältnis zum normalen Futur vor?
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Re: fore/futurum esse vs. factum iri

Beitragvon Zythophilus » Fr 19. Jun 2015, 07:34

Ich bringe ein Beispiel aus dem Deutschen:
Oft ist es eleganter, bei Subjektsgleichheit keinen dass-Satz, sondern eine Infinitivgruppe zu nehmen.
"Er wird gehen." kann man mit "Er gibt an, dass er gehen wird." in indirekter Rede formulieren, aber wenn man diesen dass-Satz vermeiden will, dann heißt es eben nicht "Er gibt an, gehen zu werden." sondern "Er gibt an, gehen zu wollen." Hier lässt sich auch nicht mehr unterscheiden, ob im urspr. Satz "wird" oder "will" steht.
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