consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Prudentius » Di 11. Aug 2015, 18:53

Das ist wohl wahr, aber, lieber Zytophile, wir von der digitalen Gemeinde brauchen das nicht als unveränderlich hinzunehmen, wir gehen in ein Eingabefeld hinein und rufen den Befehl auf: "Neue Komponente hinzufügen! :)
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Sokrates » Fr 14. Aug 2015, 19:04

Salvete,

es ist richtig, dass nach BS § 462, 8 ein Irrealis der Gegenwart als Nebentempus gesehen wird, insofern ihm genau die Zeiten folgen, wie sie dies auch in Abhängigkeit von einem Tempus der Vergangenheit etwa im Indikativ tun.
Nun ist ein Irrealis aber generell dadurch besonders, dass sich Sätze, sollten sie eine Unwirklichkeit ausdrücken, im Konjunktiv Imperfekt selbst nicht an die Consecutio halten, sondern dieser Wirklichkeitsgrad der Nicht-Wirklichkeit wird in klassischer Zeit für die Gegenwart durch den Konjunktiv Imperfekt realisiert.
Freilich war im Altlatein der Potentialis vom Irrealis semantisch nicht klar geschieden:
Si haec faciam, vituperer sowohl potential falls ich dies tun sollte, dürfte ich wohl getadelt werden wie irreal falls ich dies täte, würde ich getadelt dies für die Gegenwart, und für die Vergangenheit si facerem, vituperarer, falls ich dies getan haben sollte dürfte ich wohl getadelt worden sein und falls ich dies getan hätte, wäre ich wohl getadelt worden. Der Unterschied zwischen Potentialis der Vergangenheit und Irrealis der Vergangenheit wird (auf den letzten Beispielsatz bezogen) zuweilen bestritten, (wie im genannten BS § 562, Fußnote 315 ). Es setzte sich dann eine Trennung beider Modalitäten durch, indem die Irrealität nicht durch einen anderen Modus (im L ja nicht möglich), sondern einen anderen Tempusstamm vom Potentialis geschieden wurde, sodass die sich klassisch vorliegende Zuordnung Kj. Präs und Perf als Potentialis der Gegenwart, (Vergangenheit dann noch der Kj. Imperf.) Kj. Imperf als Irrealis der Gegenwart und Plusq. als Irrealis der Vergangenheit herausbildete.
Deine Frage Marcus zielte aber dann auf die Fälle, in denen (an sich indikativische) Nebensätze von einem Irrealis, sei als in der Protasis oder Apodosis, abhängig werden. Rechnet man die Fälle rein formeller Modusassimilation heraus, stellt man fest, dass solche Sätze ebenfalls in den Konjunktiv gesetzt werden, und zwar scheinbar nach der Nebenzeitenfolge.
Tusc. 1, 47
Quamvis copiose haec diceremus, si res postularet, quam multa, quam varia, quanta spectacula animus in locis caelestibus esset habiturus.
… reden würden, wenn die Sache es denn erforderte, wie viele…. haben wird.
hier handelt es sich um einen indirekten Fragesatz, abhängig von dicere, also ist der Konjunktiv (der inneren Abhängigkeit) von vornherein festgesetzt, das Tempus muss nach obiger Annahme das Imperfekt sein.

Was aber, wenn das Deutsche hier anders, und so gesehen ungenauer, ist?
Es könnte doch sein, dass ein für sich indikativischer Gliedsatz nur deshalb in den Konjunktiv tritt, weil er von einem Irrealis abhängt, und zwar deshalb, weil dieser Nebensatz dann selbst eine irreale Konnotation erhält. Im Lateinischen würde dann natürlich in diesem Nebensatz ein Konjunktiv Imperfekt zu finden sein, aber kein formaler, sondern ein echt irrealer. Der Form nach wäre er von den Beispiel oben nicht zu scheiden, aber es würde nicht irgendeiner Zeitenfolge entsprechen, sondern absolut stehen:
Wenn ich im Lotto gewinnen würde, dann würde ich eine Reise antreten, nachdem ich mich zu einem Ort informiert hätte!
Der Temporalsatz tritt in den Konjunktiv, weil auch er irreal ist. Im L stünde ein Konjunktiv Imperfekt, aber als Irrealis der Gegenwart.
Anders:
Wenn ich im Lotto gewinnen würde, kaufte ich mir das Auto, das du da siehst.
Hier muss der Indikativ stehen, da der Zustand des Autos als dort stehendes real ist. Ein Konjunktiv wäre im L nur aus formellen Gründen möglich, dann natürlich nach der Nebenzeitenfolge. BS § 456, 1, a.


Vielleicht hilft dir das weiter! :)


LG
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