consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

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consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon marcus03 » Mi 5. Aug 2015, 06:47

Gilt der Irrealis im HS als Haupt- oder Nebenzeit ?

Er würde gewiss fragen, was du vorhast ?
Certe rogaret, quid in animo habeas/haberes ? :?
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 5. Aug 2015, 07:31

Gilt als Nebentempus...
Beispiel:
exponerem etiam, quemadmodum hic et quanta in turba quantaque in confusione rerum omnium viveremus; (Cic.fam. 6,6,13).
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon marcus03 » Mi 5. Aug 2015, 07:42

Danke. :D In welcher Grammatik finde ich das ?
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 5. Aug 2015, 07:47

Z.B. im BS ab § 461..
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Prudentius » Mi 5. Aug 2015, 10:09

Certe rogaret


Das ist kein Irrealis, sondern ein Potentialis; der Irrealis bezeichnet eine eindeutig falsche Aussage; hier aber ist die Wahrheit durch das Adverb relativert; Bsp. für einen richtigen Irrealis: "Wenn 5 gerade wäre, wäre 6 ungerade".

Warum wird der Irrealis der Gegenwart durch das Imperfekt ausgedrückt? Sagen die Grammatiken etwas dazu? Ich stelle es mir so vor: Gegenwart bezeichnet eine offene Situation: es kann jeden Moment etwas Unerwartetes passieren; Vergangenheit dagegen bezeichnet eine abgechlossene Situation: da steht schon alles fest, da kann nichts mehr passieren; beim Irrealis steht der Wahrheitsweertm fest, also gehört er in die Vergangenheit.

Mir fällt bei euch auf: ihr fragt, wo steht das in der Grammatik, und ihr seid zufrieden mit der Angabe:

Z.B. im BS ab § 461..
,

causa finita, "alles klar", Ende der Diskussion; aber fragt ihr denn nicht nach den Gründen?
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon romane » Mi 5. Aug 2015, 10:11

Imperfekt im Lateinischen generell als Wahl für eine abgeschlossene Handlung?
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon marcus03 » Mi 5. Aug 2015, 10:31

Prudentius hat geschrieben:Das ist kein Irrealis, sondern ein Potentialis;


Auch nicht in diesem Kontext: Er würde, wenn es hier wäre, sicher fragen, ... :)

Prudentius hat geschrieben:der Irrealis bezeichnet eine eindeutig falsche Aussage;


Warum fallen Gedankenspiele unter falsche Aussagen ? :?
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 5. Aug 2015, 19:49

Prudentius hat geschrieben:causa finita, "alles klar", Ende der Diskussion; aber fragt ihr denn nicht nach den Gründen?

So einfach mache ich es mir auch nicht, Prudenti. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich über die Consecutio nachdenke. Die knappe Angabe war eher meinem Zeitproblem geschuldet. Obwohl ich sagen muss, dass BS ab § 461 sehr ausführlich darauf eingeht...
Die Einleitung im Paragraph § 461 sagt ja schon einiges aus:
Die konjunktivische Consecutio temporum ist im Lateinischen keinesfalls so unumstößlich, wie es die Schultradition und die unten angeführten Hauptregeln suggerieren könnten... ;-)
Zuletzt geändert von Medicus domesticus am Mi 5. Aug 2015, 20:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon marcus03 » Mi 5. Aug 2015, 20:08

Medicus domesticus hat geschrieben:Die konjunktivistische Consecutio temporum ist im Lateinischen keinesfalls so unumstößlich,


Hast du dafür Beispiele ? Ich besitze den BS leider nicht. :)

Medicus domesticus hat geschrieben:konjunktivistische


Was dem Physiker seine "relativistischen Effekte" sind, sind dem Philologen anscheinend seine konjunktivistischen. :lol:
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 5. Aug 2015, 20:25

konjunktivische natürlich.. ;-)
BS reiht einiges auf, auch Abweichungen und Nichtbeachtung der c.t. Bevor ich hier alles aufliste: Für einen Lateinbegeisterten, wie du es bist, wäre der BS doch auch mal eine Investition, oder? :-D
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Mi 5. Aug 2015, 20:55

Was ist denn der BS?
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon iurisconsultus » Mi 5. Aug 2015, 21:41

Blöde Frage: Handelt es sich beim Imperfekt nicht immer um das Nebentempus :?
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aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Mi 5. Aug 2015, 21:57

Danke!
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Prudentius » Do 6. Aug 2015, 17:47

Hallo Medice,

wir verstehen uns schon, ich wollte ja nicht auf die Grammatiken schimpfen, ich erkenne ja ihre Qualitäten an; ich versuche mal, meine Vorbehalte ganz kurz auszudrücken; die L-Grammatik ist ein Begriffssystem von vielen, es gibt heutzutage einen Standard, wie so ein System aufgebaut sein muss, und dem kann sie nicht entsprechen.
Nur ein Punkt: unsere Grammatiken sind beschreibend (deskriptiv), sie geben an, wie der Irrealis in der Literatur vorkommt; sie sind nicht normativ: sie geben nicht an, warum es so sein muss, und was der Irrealis eigentlich ist. Aber in unseren Diskussionen geht es um die normativen Fragen.

Warum fallen Gedankenspiele unter falsche Aussagen ? :?


Sie "fallen" nicht, sondern wir haben es in der Hand, ob wir sie "fallen lassen" wollen; wahr und falsch sind Festlegungen, es sind Parameter in einem Programm, für die es ein Eingabefeld gibt, das einstellbar ist; Wahrheit ist an Bereiche gebunden, in denen sie gilt; gewöhnlich ist die Einstellung: "nach dem allgemeinen Verständnis", das ist das Übliche, die Standard-Einstellung oder "Werkseinstellung"; danach sind Gedankenspiele falsch; aber wir können das ändern: "Für mich soll folgendesn Gedankenspiel wahr sein", oder so; es bringt aber nichts.

Imperfekt im Lateinischen generell als Wahl für eine abgeschlossene Handlung?


"Faciebat" ist ja eine unabgeschlossene Handlung; aber "faceret"? Ich weiß nicht; die Form ist ja nach der CT vorgeschrieben, ob abgeschlossen oder nicht.
Übrigens meinte ich mit der Idee von der abgeschlossenen Situation das "abgeschlossen" etwas anders: nicht zeitlich, sondern abstrakt: abgeschlossen in dem Sinn, dass nichts Unvorhergesehenes passieren kann.

lgr. P. :)
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Re: consecutio temp. nach Irrealis der Gegenwart

Beitragvon Zythophilus » Sa 8. Aug 2015, 14:38

Die Klassifizierung "wahr-falsch" hat in der Grammatik keine moralische Komponente.
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