Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

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Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon Simme » Di 8. Sep 2015, 19:41

Liebe Philologen & Freunde des Lateinischen,

ich beschäftige mich gerade mit folgender Stelle bei Laktanz, auf die ich mir bisher leider noch keinen Reim machen konnte. Und zwar geht es um die laktanzische Deutung der Schlacht an der Milvischen Brücke und den Sieg Konstantins. Laktanz berichtet von einer Art Vision/Traum, den Konstantin wohl am Abend vor der Schlacht gehabt haben soll. Er wurde wohl ermahnt, ein himmlisches Zeichen Gottes auf den Schildern anbringen zu lassen. Bis hierher ist alles klar. Dann folgt die konkrete Beschreibung dieses Zeichens, auf die ich mir mangels Vorstellungskraft gar keinen Reim machen kann, was etwas frustrierend ist.

"Imminebat dies, quo Maxentius imperium ceperat, qui est a.d. sextum kalendas novembres et quinquennalia terminabantur. Commonitus est in quiete Constantinus, ut caeleste signum dei notaret in scutis atque ita proelium commiteret. Fecit, ut iussus est , et transversa X littera (I schlägt Gregoire vor) , summo capite circumflexo Christum in scutis notat. Quo signo armatus exercitus capit ferrum. "


Den für mich bisher nicht wirklich verständlichen Satz habe ich mal fett markiert. Ich kann mir darunter nichts vorstellen. Das hinzugefügte I ist wohl eine ergänzende Lesart In der Literatur habe ich bis jetzt gelesen, dass das Zeichen, was Laktanz beschreibt, wohl ein Staurogramm sein soll. https://de.wikipedia.org/wiki/Staurogramm

Ich komme aber nicht recht darauf, wie man von der laktanzischen Beschreibung aus dem Lateinischen auf ein Staurogramm kommen soll. (wie gesagt mangels Vorstellungskraft)

Kann mir hier jemand vielleicht bei dem "Problem" weiterhelfen.

LG
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon marcus03 » Di 8. Sep 2015, 20:08

Simme hat geschrieben:et transversa X littera (I schlägt Gregoire vor) , summo capite circumflexo Christum in scutis notat.


Das X wird so gedreht (transvertere), d.h. die Striche werden je um 45° nach rechts gedreht, sodass ein + entsteht, der obere Teil zu einem Halbkreis gekrümmt (circumflectere).
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon Medicus domesticus » Di 8. Sep 2015, 20:26

Eine gute Möglichkeit das Christusmonogramm - gerade zur Zeit Constantins - zu erkunden sind römische Münzen.
Nur ein Beispiel:
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon marcus03 » Mi 9. Sep 2015, 11:02

cf:

Es stand der Tag bevor, an dem Maxentius die Herrschaft angetreten hatte. Es war dies der siebenundzwanzigste Oktober; die Feierlichkeiten seiner fünfjährigen Regierungszeit gingen zu Ende2. Konstantin ward im Traume ermahnt, das himmlische Zeichen Gottes auf den Schildern anbringen zu lassen und so die Schlacht zu beginnen. Er kommt dem Befehle nach, und indem er den Buchstaben X wagerecht legte und die oberste Spitze umbog, zeichnete er Chr(istus) auf die Schilde. Mit diesem Zeichen gewaffnet, greift das Heer zum Schwert. D

https://www.unifr.ch/bkv/kapitel500-43.htm
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon Tiberis » Mi 9. Sep 2015, 12:27

marcus03 hat geschrieben:, und indem er den Buchstaben X wagerecht legte und die oberste Spitze umbog

diese übersetzung kann insofern nicht befriedigen, als die frage offenbleibt : wessen spitze ? der (nunmehr querliegende) buchstabe X hat ja keine spitze, die umgebogen werden könnte. man wird also wohl im text "littera I" ergänzen müssen. was sagt die textkritik? (ich habe keine Laktanzausgabe zur hand)
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon marcus03 » Mi 9. Sep 2015, 13:31

Tiberis hat geschrieben:wessen spitze ?


besser wohl: der oberste Teil des (oberen) Kreuzendes ?

summum caput = der oberste Teil des Kopfes (= Kreuzoberen) ?
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon Tiberis » Mi 9. Sep 2015, 17:47

:hmmm:
es gibt zwar 2 arten von christogrammen: die eine (und weitaus häufigere) besteht aus dem schon erwähnten quer(!)gestellten X mit eingefügtem P (rho), die andere aus einem aufrechten kreuz, dessen senkrechter balken "oben umgebogen" ist, sodass sich wiederum ein P ergibt.
das problem ist nur, dass sich ein aufrechtes kreuz nicht gut als "littera X transversa" verstehen lässt, während in der version mit eingefügtem P wiederum nicht das X umgebogen ist.
mir scheint der vorliegende text fehlerhaft zu sein, worauf auch die erwähnte konjektur ("I schlägt Gregiore vor") hindeutet. es wäre also wirklich die textkritik zu rate zu ziehen. vielleicht hat ja jemand eine textkritische ausgabe zur hand.
übrigens: schon auf den konstantinischen münzen findet sich die version mit dem eingefügten P. ob sie die ältere ist oder nicht, kann ich leider nicht sagen.
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 9. Sep 2015, 19:45

Ich habe momentan auch keinen Kommentar zu Laktanz zur Verfügung, kann aber in der Uni Salzburg nachschauen. Münzen sind hervorragende Zeugen aus genau dieser Zeit... nicht nur für dieses Thema, sondern auch für antike Bauwerke.. ;-)
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon Zythophilus » Mi 9. Sep 2015, 20:13

Man sollte zwischen dem eigentlichen Christogramm, dass aus zwei ineinander verschränkten Buchstaben (natürlich X und P) besteht, und dem Staurogramm, einer Ligatur, also dem um 45 Grad gedrehten X mit der Rundung des P, unterscheiden. Interessanterweise wird auch das zweitere auf die Laktanz-Stelle ohne Konjektur zurückgeführt.
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon iurisconsultus » Mi 9. Sep 2015, 20:37

marcus03 hat geschrieben:und indem er den Buchstaben X wagerecht legte und die oberste Spitze umbog,

So stets auch bei Städele, Laktanz (2003) S. 203:
... und indem er den Buchstaben X umlegte und seine Spitze umbog, ...

Und er wendet sich gegen die Tilgung der Wörter transversa ... circumflexo als vermeintliche Glosse (S. 202 FN 145).
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon Simme » Di 22. Sep 2015, 10:10

Vielen Dank an alle Hinweise,

ich habe jetzt ausführlich in meiner Hausarbeit die Frage diskutiert, ob Laktanz ein Christogramm oder Staurogramm meint. Es sprechen gute Argumente für beide Varianten. Wer sich dazu näher informieren will, dem sei von Klaus Martin Girardet "Der Kaiser und sein Gott. Das Christentum im Denken und in der Religionspolitik Konstantins des Großen. De Gruyter, Berlin-New York 2010" empfohlen. Es wird da
sogar erwogen, dass es sich beim ganzen Ausdruck transversa littera X summo capite circumflexo um eine Interpolation handelt.

LG
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon iurisconsultus » Di 22. Sep 2015, 10:15

Simme hat geschrieben:Es wird da sogar erwogen, dass es sich beim ganzen Ausdruck transversa littera X summo capite circumflexo um eine Interpolation handelt

- was aber gerade umstritten zu sein scheint (supra vide).
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Re: Laktanz, de mortibus persecutorum, cap.44

Beitragvon Simme » Di 22. Sep 2015, 10:31

ja, auf jeden Fall. Es ist nur eine ultima ratio
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