coetus und seine Diärese.

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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon Zythophilus » Fr 20. Nov 2015, 00:46

Prinzipiell dafür, dass in Formen des Verbs coire oe kein Diphthong, also sehr wohl zweisilbig zu lesen ist, während es im Substantiv coetus durchaus einsilbig ist.
Bei coitus bin ich mir nicht sicher. Es könnte sich um eine alte Schreibweise von coetus handeln; dann vermutlich mit Diphthong. Es könnte aber auch eine Neubildung analog zu aditus etc. handeln, die neben coetus verwendet wurde, dann eher dreisilbig.
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon RM » Fr 20. Nov 2015, 09:32

Warum schaut ihr nicht einfach mal die lateinische Dichtung durch?

tum trepidae inter se coeunt pennisque coruscant (Verg, G, 4,73)
hac gener atque socer coeant mercede suorum (Verg, A, 7,317)
dic in amicitiam coeant et foedera iungant (Verg, A, 7, 546)
sit qui dicta foras eliminet, ut coeat par (Hor, Ep, 1,5,25)
etc.
Es fällt auf, dass sie in den meisten Fällen eine genauere Stellungnahme zu unserer Fragestellung möglicherweise mit Absicht vermieden haben. Ich persönlich halte es für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass die Römer überhaupt Kehlverschlusslaute zwischen Vokalen verwendeten. Griechische Spirituszeichen halte ich da ebenfalls als Argumentationshilfe für wenig sinnvoll, da sie meist nicht original sind, sondern später hinzugefügt wurden.

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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon Laptop » Fr 20. Nov 2015, 16:21

@RM Wo wäre denn da der Kehlverschluss?
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon RM » Fr 20. Nov 2015, 18:35

Laptop hat geschrieben:@RM Wo wäre denn da der Kehlverschluss?

Kehlverschlusslaut=glossal stop (arab. hamza).

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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon Zythophilus » Fr 20. Nov 2015, 20:57

RM hat geschrieben:Warum schaut ihr nicht einfach mal die lateinische Dichtung durch?

An den Stellen, an denen coitus vorkommt, könnte coetus ebenso stehen, da die Buchstabenfolge oi immer dort ist, wo eine lange oder zwei kurze Silben stehen können. Auch wo coeunt etc. steht, wäre theoretisch ein lang gemessener Diphthong immer möglich. Mehr Sicherheit würde etwas wie coeuntque am Ende eines Hexameters geben, aber das macht ein klassischer Dichter nicht. So bleibt uns noch etwas wie coeunt in der zweiten Hälfte eines Pentameters. Danach gilt es zu suchen.
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon ille ego qui » Fr 20. Nov 2015, 21:36

RM hat geschrieben:Warum schaut ihr nicht einfach mal die lateinische Dichtung durch?

tum trepidae inter se coeunt pennisque coruscant (Verg, G, 4,73)
hac gener atque socer coeant mercede suorum (Verg, A, 7,317)
dic in amicitiam coeant et foedera iungant (Verg, A, 7, 546)
sit qui dicta foras eliminet, ut coeat par (Hor, Ep, 1,5,25)
etc.

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das hatten wir oben mehrfach getan (sowohl zu coetus als auch coire als auch coitus) und entsprechende schlüsse diskutiert ;-)
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon RM » Sa 21. Nov 2015, 01:07

ille ego qui hat geschrieben:das hatten wir oben mehrfach getan ...

Naja, die hier nachzulesenden Nachweise waren ja bisher einigermaßen dünn. Von "mehrfach getan" konnte man da nicht mit gutem Gewissen sprechen.

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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon ille ego qui » Sa 21. Nov 2015, 10:59

da muss ich "uns" jetzt schon in schutz nehmen: wir haben im laufe des threads beschrieben, dass die formen von coire keine diphthongierung zeigen, dass sich keine eindeutig nicht-diphthongisches stellen zu "coetus" finden und dass sich zu den stellen, wo "coitus" steht, auf der Basis der Metrik keinerlei Aussagen treffen lassen. das alles ist für jedermann leicht nachprüfbar ;-)
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon Prudentius » Sa 21. Nov 2015, 16:57

Mal was anderes; hallo Laptop, du verwendest hier "Diärese" etwas anders als üblich, es ist nämlich sonst ein Terminus der Verslehre, bezeichnet eine Wortfuge, die einen Verseinschnitt bewirkt; gewöhnlich kommt die Zäsur vor, ein Einschnitt
innerhalb
eines Versfußes, also beim Hexameter -|.. oder -.|.; die Diärese dagegen bezeichnet einen Einschnitt außerhalb des Versfußes, also -..|-.. ...

Das haben wir hier nicht, wir haben ja keine Wort-, sondern eine Silbenfuge (wenn wir eine haben). Ich würde dann lieber statt "Diärese" "Silbenfuge" sagen; deine Frage zielt also letztlich auf die Zwei- oder Dreisilbigkeit von coetus ab.

Wie RM schon sagte, unserem Alphabet fehlt ein Symbol für den Stimmabsatz, ich würde aber nicht gleich von Kehlkopfgymnastik sprechen :-D ; dieses fehlende hamzah bringt uns dafür die unerschöpfliche Quelle von Erheiterung, die die automatische Silbentrennung immer wieder hervorbringt. :-D
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon RM » Sa 21. Nov 2015, 18:53

Prudentius hat geschrieben:... du verwendest hier "Diärese" etwas anders als üblich, ...

Würde ich nicht sagen. Gib mal bei Windows in dem kleinen, aber nützlichen Werkzeug "Zeichentabelle" unter "Suchen nach" das Wort "Diärese" ein, und Du wirst alle Vokale mit zwei Pünktchen darauf finden.
Es handelt sich nicht nur um einen Terminus der Verslehre.

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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon Laptop » Sa 21. Nov 2015, 19:12

Hallo Prudentius! Ja, wie RM schon sagt, der Terminus "Diärese" ist nicht auf die Verslehre beschränkt. Er bezeichnet üblicherweise die getrennte Aussprache zwei aufeinander folgender Vokale. Und, etwas weniger korrekt, im englischsprachigem Raum auch das Zeichen dafür, was man besser "Trema" nennt.

Übrigens, das Zeichen für den Kehlkopfverschlußlaut ist "⁠ʔ", was wohl niemand auf der Tastatur hat, aber man kann es sich ja auf irgendeine Taste legen.
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon ille ego qui » So 22. Nov 2015, 15:28

Diärese bedeutet in der Metrik, in der Prosodie und in der Stilistik jeweils etwas anderes :-O
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon Zythophilus » So 22. Nov 2015, 17:35

Eine rasche Aussprache vermag tatsächlich aus der eigentlich als zwei Vokale zu sprechenden Folge einen Diphthong zu machen. Ähnlich kann auch ein vokalisches u gelegentlich zum Konsonanten werden.
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon Laptop » Do 26. Nov 2015, 12:56

Wo wir schon bei der Diärese sind. Sprecht ihr tatsächlich a·e·ne·us (‘ehern’) und a·e·ne·um (‘ehernes Gefäß’) 4-silbig aus? Georges gibt es so an, mir erscheint das eher seltsam, da das Grundwort aes ja einen Diphthong hat und einsilbig ist!
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Re: coetus und seine Diärese.

Beitragvon Tiberis » Do 26. Nov 2015, 13:34

die etwas ältere schreibweise aheneus ist wohl ein starkes indiz, dass man das wort viersilbig gesprochen hat.
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