fac mit kurzem oder langem a?

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fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Laptop » So 13. Dez 2015, 02:24

Salvete! Ich weiss nicht, ob ich es schon mal angesprochen hatte, es geht um die alte Frage, ob
fac ein langes oder kurzes a hat. Heute geht man davon aus, daß es kurz ist, aber mit welchem Beweis? In der Literatur werden gewisse Verszeilen angeführt. Dieselben Verszeilen werden dabei jeweils sowohl pro als auch contra langes a angeführt, denn sie haben keine eindeutige Lesung, drei davon:

Hoc fac Armenios, haec est Danaeia Persis (Ovid)
Hoc facito Armenios, haec est Danaeia Persis (Heinsius hat "fac" zu "facito" verändert)

Durius incedit, fac ambulet, omne papillae (Ovid)
Durius incedit, fac inambulet, omne papillae (Heinsius hat "ambulet" zu "inambulet" verändert)

Sed grandiorem gradum ergo fac ad me obsecro (Plautus)
Grandiorem gradum ergo fac ad me obsecro ("sed" wurde getilgt, weiß nicht durch wen)

Mir scheint die Verse wurden abgeändert, weil man zwanghaft versuchte ein kurzvokaliges fac herzustellen? Kann das sein? Wie sicher sind diese modernen Lesarten?
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Medicus domesticus » So 13. Dez 2015, 11:07

Es werden als Beweis für kurzes a häufig noch diese 2 Verse angeführt:

Signa rarius, aut semel făc illud (Martial 5,39)
...non possunt. făc enim minimis e partibus esse... (Lukrez II,485)
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Zythophilus » So 13. Dez 2015, 11:18

Generell ist das a von facere im Präsensstamm kurz. Daher müsste es auch beim Imperativ so sein. Wenn die Überlieferung tatsächlich die beiden Ovid-Verse eindeutig mit einem fac, das lang gemessen würde, haben sollte, so ist klar, dass manche mittels Konjektur ein kurzes fac produzieren, andere für ein langes plädieren. Gibt es weitere Erklärungen oder gibt es andere Verse, wo fac auch ohne Konjektur kurz ist.
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Zythophilus » So 13. Dez 2015, 11:22

Medicus domesticus hat die Frage, die ich mir gestellt habe, mittlerweile beantwortet.
Wieso sollte Ovid bei einem Wort, das als kurz gemessene Silbe problemlos in einem Vers unterzubringen ist - vor ihm und nach ihm geschieht es durchaus -, auf einmal eine Version mit einem gegen die übliche Prosodie des Verbs langem Vokal verwenden?
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Zythophilus » So 13. Dez 2015, 11:57

Hoc fac, amice, metris si uis ornare loquelam:
Ne sit dicta tibi syllaba longa, caue!
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Laptop » So 13. Dez 2015, 12:18

Danke erstmal. Genau das ...
oder gibt es andere Verse, wo fac auch ohne Konjektur kurz ist.

ist die entscheidende Frage. Die Quellenlage der von Medicus Domesticus genannten Verse mag vielleicht auch komplex sein, mit Konjekturen? Leider habe ich keine kritische Edition von Ovid/Martial/Lukrez vorliegen.
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Zythophilus » So 13. Dez 2015, 13:54

Bei den beiden Versen Ovids steht fac jeweils an einer Stelle, wo entweder eine lange oder zwei kurze stehen können. Der Hexameter von Lukrez und der Hendekasyllabus haben es jeweils an einer Stelle stehen, wo ein einsilbiges konsonantisch endendes Wort oder ein zweisilbiges , das mit einem Vokal endet, stehen muss.
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Prudentius » So 13. Dez 2015, 17:42

Laptop hat geschrieben:die alte Frage, ob fac ein langes oder kurzes a hat.


Ich sehe hier keine Frage, es haben doch alle Formen des Präsensstammes ein kurzes a, im klaren Gegensatz zum Dehnungsperfekt.

Vllt. meinst du, dass die Silbe fac positionslang sein kann? Das könnte ich mir denken, dass das c mit Nachdruck, wie verdoppelt gerechnet wurde ?
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Zythophilus » So 13. Dez 2015, 20:52

Wir haben Belege für kurz gemessenes fac, also könnte ein lang gemessenes nur eine zweite Variante sein. Was sollte einen Dichter wie Ovid, der ja nicht nur etwas auf Wände kritzelt, dazu veranlassen, eine solche verwirrende Nebenform zu verwenden? Ein Wort wie religio passt nicht ohne einen Kunstgriff in einen daktylischen Vers, auch bei Italia wird das i gegen den normalen Sprachgebrauch zu einer langen Silbe, doch bei fac ist das nicht nötig.
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Laptop » So 13. Dez 2015, 22:13

Zythophilus hat geschrieben:Bei den beiden Versen Ovids steht fac jeweils an einer Stelle, wo entweder eine lange oder zwei kurze stehen können. Der Hexameter von Lukrez und der Hendekasyllabus haben es jeweils an einer Stelle stehen, wo ein einsilbiges konsonantisch endendes Wort oder ein zweisilbiges , das mit einem Vokal endet, stehen muss.

Sind denn die beiden von Medicus erwähnten Stellen bei Martial und Lukrez eindeutig überleifert? Falls nicht, müßte man sie hintanstellen, oder die Überlieferung genauer in Augenschein nehmen, bevor man sie als Beleg anführt. Die Überlieferung der beiden Ovid-Zeilen sind jedenfalls nicht eindeutig (es gibt "fac", "fac, ut", "facito", "facis", "facce").
Prudentius hat geschrieben:Vllt. meinst du, dass die Silbe fac positionslang sein kann? Das könnte ich mir denken, dass das c mit Nachdruck, wie verdoppelt gerechnet wurde ?

Du meinst zwei-morig? Ja. Es gibt diese Stelle bei Scaliger, wo ich mir nicht sicher bin was er meint, ich glaube er meint wirklich Vokallänge, nicht Silbenlänge. Denn lang ist sie ja ohnehin. Oder meint er, daß sie zwei-morig statt ein-morig ist? Dann wäre der Ausdruck "fac producitur" (so im Inhaltsverzeichnis) und "an fac longum sit" mißverständlich.
Scaliger, De caussis ... hat geschrieben:PRoprium mutarum, ut uocales natura correptas habeant, AB, AD, AT. ſed C, uariat: LAC enim longum eſt, ſic HÎC, aduerbium: HIC pronomen breue: & HOC, apud Plautum, ut docuimus in libro de comicis dimenſionibus. Diſputant, an FAC breue ſit: uerùm apud Plautum eundem in Curgulione longum eſt.
Sed grandiorem gradum ergo fac ad me obſecro.
Altera enim eſt ſyllaba ſpondei. Sic etiam apud Ouidium in primo de Remedio:
Durius incedit: fac ambulet.—
Nam litigioſi Grammatici peruerterunt, cùm uolunt deprauare, ut legatur, OBAMBVLET: neſciunt enim quid ſit, obambulare. neque enim in uetuſtiſſimo codice aliter, quàm uulgò legitur: & ambulantem uult uideri, ob uitium: nam obambulare nihil eſt neceſſe. Duo quæ afferunt argumenta, nulla ſunt. Primum ab exemplis, ubi corripitur: nam in illis FACE, ſcriptum eſt, non FAC. Alterum ab analogia: nam ſi Apocope in alijs non produxit uocalem, FER, quod erat à FERE, ne in hoc quidem debuit.
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 14. Dez 2015, 10:27

Tusculum hat bei Martial auch fac. Die Teubneriana (1990) von Shackleton Bailey habe ich nicht vorliegen, aber ich denke fac ist hier eindeutig. Außerdem, wie Zythophilus schon angedeutet hat, passt im Hendekasyllabus an diese Position nur eine kurze Silbe, fac füllt diese genau aus. Was soll da denn auch anderes stehen?
[Addendum: Shackleton (Teubneriana 1990) hat auch fac. Im textkr.App. ist keine andere Alternative angegeben, nur bei Zeile 10 conchem/conchen]
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Laptop » Mo 14. Dez 2015, 23:48

@Medicus Verstehe. Du meinst "kurzvokalige Silbe", nehme ich an.
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon etrusker » Fr 18. Dez 2015, 15:28

ich verstehe die diskussion nicht ganz- wer hat denn wann behauptet, dass das a in fac lang ist- bloß weil es nicht ausgeschlossen ist, heißt es nicht, dass man davon ausgehen kann.. wo bleibt denn das ockhamsche rasiermesser, wenn man es braucht?
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Zythophilus » Fr 18. Dez 2015, 16:20

Es gibt offensichtlich zwei Ovidstellen, an denen, wenn man nicht Fehler in der Überlieferung annimmt, das fac aufgrund seiner Position im Vers lang sein müsste. Da man aber aus guten Gründen von einem kurzen fac ausgehen kann, finden sich da Konjekturen.
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Re: fac mit kurzem oder langem a?

Beitragvon Laptop » So 20. Dez 2015, 10:45

Auf ie Frage von Etrusker wer behauptet, daß fac lang sei. Wie oben geschrieben steht bei Scaliger "fac producitur". Und die Konjekturen sind zweifelhaft, es wird darüber gestritten.

Vor allem stolpere ich immer wieder über das uralte Problem, daß Silbenlänge von Vokallänge kaum unterschieden wird. Was bedeutet denn "fac producitur": Silbenlänge oder Vokallänge?
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