Entstehung der unterschiedlichen Aussprachetraditionen

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Entstehung der unterschiedlichen Aussprachetraditionen

Beitragvon ille ego qui » Sa 26. Mär 2016, 19:02

Salvete,

mich interessiert, wann und wie sich die einzelnen Aussprachetraditionen herausgebildet haben, v.a. die "deutsche" und die italienische. Entwickelten sich die ganz parallel - oder entwickelten sich beispielsweise erst die "deutsche" (tsäsar) und aus dieser dann die übrigen (tschäsar etc.)? weiß man da näheres?

valete :-)
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Re: Entstehung der unterschiedlichen Aussprachetraditionen

Beitragvon Zythophilus » Sa 26. Mär 2016, 20:54

Das, was jetzt als "deutsche" Aussprachetradition bezeichnet wird, ist mehr oder weniger die Aussprache der Spätantike inklusive Quantitätenkollaps. Dass es eine Aussprache des Lateinischen mit moderner italienischer Aussprache - wie eben heutzutage in Italien - schon gab, als Latein noch Muttersprache war, bezweifle ich.
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Re: Entstehung der unterschiedlichen Aussprachetraditionen

Beitragvon Prudentius » So 27. Mär 2016, 19:52

"deutsche" Aussprachetradition


ist wohl übertrieben, aber sicher gibt es eine Tradition, wie die Deutschen das L. ausgesprochen haben, so wie eben alle Leute Fremdsprachen mit ihrem heimischen Zungenschlag aussprechen - wenn sie nicht gerade einen "phonetischen Vorkurs" oder ein Pflichtseminar "historische l. Formenlehre" absolviert haben.

"Quantitätenkollaps" würde ich nicht sagen, wir haben eben im D. ein anderes Quantitätenreglement als das L., für uns haben offene Silben eine Tendenz zur Länge und geschlossene zur Kürze; vgl. die Buchstabennamen "Ef" und "Ge". Uns fällt es schwer, ullus, stella, villa, infans lang auszusprechen, und dieselbe Silbe "hoc" mal kurz und mal lang auszusprechen. Ich erinnere mich noch, als ich mit L. anfing, hatte impètus für mich ein langes e.

Das Bewusstsein einer Differenz zwischen unbefangener heimischer und echter historischer Aussprache ist ja jüngeren Datums, ab 18. Jh., ein Zweig der romantischen Bewegung, das Erwachen des "historischen Bewusstseins", man erkannte die Eigenprägung der Epochen, erst seitdem bemüht man sich, eine Zeit aus ihren jeweiligen Voraussetzungen her zu verstehen.
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Re: Entstehung der unterschiedlichen Aussprachetraditionen

Beitragvon Zythophilus » Di 29. Mär 2016, 22:17

Der Quantitätenkollaps hat nichts mit der Aussprache des Lateinischen durch Deutschsprechende zu tun, sondern ist ein Phänomen, das das Lateinische bzw. seine Aussprache im Lauf der Zeit betrifft. Auch im Lateinischen kam es ab einer gewissen Zeit nicht mehr auf die Quantität, sondern darauf an, ob eine Silbe betont war. Moderne Sprecher, die Deutsch als Muttersprache haben, vollziehen da unbewusst etwas, das es eben wirklich in der Entwicklung des Lateinischen (zu den Roman. Sprachen) gibt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Quantit%C3%A4tenkollaps
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Re: Entstehung der unterschiedlichen Aussprachetraditionen

Beitragvon ille ego qui » Fr 1. Apr 2016, 15:54

Gratias vobis ago.

@Prudentius:
Ich rede nicht von Zungenschlag, sondern von fundamental unterschiedlichen Arten und Weisen, bestimmte Buchstaben phonetisch zu realisieren (c => ts vs. tsch). und natürlich wird die "deutsche" (Anführungsstriche!) aussprache beispielsweise auch in tschechien benutzt, das weiß ich schon ;-)
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