Umschreibung Konj. Fut. Pass.

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Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon marcus03 » Do 12. Mai 2016, 09:55

Er zweifelte nicht daran, dass diese Stadt bald erobert werden würde.

Non dubitavit, quin ea urbs mox ... ??

Wie muss es korrekt lauten?

Gratias praemitto.
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Medicus domesticus » Do 12. Mai 2016, 11:15

Da das direkt im Lateinischen nicht möglich ist, brauchst du eine Umschreibung:
Non dubitavit, quin futurum esset, ut ea urbs expugnaretur...
Zuletzt geändert von Medicus domesticus am Do 12. Mai 2016, 14:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon marcus03 » Do 12. Mai 2016, 11:42

Perfekt. Besten Dank. Hab auch in diese Richtung gedacht. :D

Hast du vllt. auch eine Belegstelle. Ich finde keine in der Literatur.
Nur hier wird das erwähnt:
http://members.aon.at/latein/UFutur.htm#top
(ganz unten)

und hier:
https://books.google.de/books?id=LupKAQ ... et&f=false
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Medicus domesticus » Do 12. Mai 2016, 13:53

Ich habe mal genauer nachgeschaut: Du könntest auch Konjunktiv Imperfekt Passiv verwenden. Nach BS 463,1d, wenn das Verb nach quin im Passiv steht.
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon marcus03 » Do 12. Mai 2016, 14:00

Damit ist der Sachverhalt geklärt. Vielen Dank für deine Mühe. :D
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon medicus » Do 12. Mai 2016, 15:21

marcus03 hat geschrieben:Damit ist der Sachverhalt geklärt


Ist auch geklärt, dass "futurum esset" nicht gebraucht wird? Dies wäre die richtige Übersetzung:

Non dubitavit, quin ea urbs mox expugnaretur.
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Medicus domesticus » Do 12. Mai 2016, 16:07

medicus hat geschrieben:Ist auch geklärt, dass "futurum esset" nicht gebraucht wird? Dies wäre die richtige Übersetzung:Non dubitavit, quin ea urbs mox expugnaretur.

Man braucht die Umschreibung nicht, da nach BS ohne weiteres hier Konj. Imperfekt möglich ist. Es gibt Belege. BS bietet sie auch.
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Zythophilus » Do 12. Mai 2016, 16:21

Kann man also auch den Konjunktiv Imperfekt aktiv verwenden, wenn ein Verb kein Futurpartizip hat, oder geht es nur beim Passiv?
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Prudentius » Fr 13. Mai 2016, 10:03

Wenn man ein wenig philosophisch angehaucht ist, wundert man sich über die Zuversicht der Philologen: "Gibt es eine Belegstelle, dann hat man eine Regel in der Hand", so ungefähr; das Problem der Induktion: wie kommt man von der Einzelerscheinung zu einem allgemeinen Gesetz? Wenn etwas so ist, dann muss es auch so sein - oder? Hier lauert der Fehlschluss vom Sein aufs Sollen.

Aber das ist noch nicht alles: Der Begriff Zeit/Tempus beschäftigt seit jeher die Menschen, er ist mit der ratio gar nicht zu erfassen, zuerst hielt man sie für objektiv und real, dann erkannte man ihre Relativität, d.h. ihre Abhängigkeit vom Subjekt, einem Beobachter; dazu brauchte es nicht erst Einstein, Blitz und Donner sind gleichzeitig - je nach Standort; es gibt keine absolute Zeit.
In der Denkgeschichte ist Kant ein Einschnitt, man spricht von seiner "kopernikanischen Wende": bis dahin gehörte die Zeit zu der objektiven Außenwelt, und von da an sah man sie als Bestandteil des subjektiven Verarbeitungsapparats.
In der Hinsicht sind die Philologen sehr beneidenswert, dass sie sich in diesem Chaos ein so gut geordnetes Tempora-Stübchen einrichten konnten. :)
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Zythophilus » Fr 13. Mai 2016, 11:42

Der Philologe sucht eben nach der besten aller möglichen Sprachen. Die Grammatik als Disziplin erfindet normalerweise keine Regeln, sie versucht Sprache in der Form von Regeln zu beschreiben. Habe ich eine Belegstelle für ein Phänomen bei einem Autor, dessen Autorität ich anerkenne, so ist es kein Schluss vom Sein aufs Sollen sondern vom Sein aufs Sein, da es zumindest in diesem einen Fall so ist und nicht nur so sein soll. Natürlich lässt das dann auch Analogien zu. Wenn ich die a-Konjugation kenne, werde ich im Vertrauen darauf, dass die 2.Pl.Sg.Präs.pass. laudatis lautet, diese auch bilden, ohne mich nach einer Belegstelle, die sich freilich bestimmt finden lässt, umsehen zu müssen, weil diese Regel schon jemand definiert hat.
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon marcus03 » Fr 13. Mai 2016, 13:33

Zythophilus hat geschrieben:Der Philologe sucht eben nach der besten aller möglichen Sprachen.


Das erinnert an Leibnitzens "beste aller möglichen Welten".
Mit/Seit dem Erdbeben von 1755 ist diese Idee endgültig verschüttet/ untergegangen.
Die beste aller möglichen Sprachen finden zu wollen ist eine ähnliche seltsame Vorstellung, allerdings mit dem Vorteil, dass sie nie durch eine ähnlich brutale Realität ad absurdum geführt werden wird.
Die Kunstsprache Esperanto als beste aller möglichen Weltsprachen scheint ihr Erdbeben ebenfalls hinter sich zu haben und bleibt wohl ad Kalendas Graecas Idealisten und Freaks vorbehalten. ;-)
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Zythophilus » So 15. Mai 2016, 13:44

Es freut mich, dass die Anspielung auf die "beste aller möglichen Welten" erkannt worden ist.
Die Grammatik ist nur insofern kreativ, als sie Bestehendes benennt. Neue Regeln stellt sie nicht auf. Wenn nocere mit dem Dativ konstruiert wird, dann wird das konstatiert. Hätte sich irgendwann der Akkusativ etabliert, hätte eine entsprechende Regel formuliert werden müssen. Ohne das entsprechende Phänomen vorzufinden, hätte freilich kein Grammatiker auf einmal die Verwendung des Akkusativs bei diesem Verb dekretieren können.
Latein bietet den Vorteil, dass es sich nicht mehr wirklich weiterentwickelt, wenn wir von Wortschöpfungen absehen.Wir können also z.B. den Zustand des klassischen Latein recht gut beschreiben und es somit auch nachahmen.
Esperanto ist da etwas anderes. Hier wurde bewusst eine Kunstsprache mit eigenen Regeln geschaffen. Ich kenne diese Sprache nicht näher, aber mir ist klar, dass ihre Schöpfer Neues dekretieren mussten.
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Prudentius » So 15. Mai 2016, 17:31

marcus03 hat geschrieben:Das erinnert an Leibnitzens "beste aller möglichen Welten".
Mit/Seit dem Erdbeben von 1755 ist diese Idee endgültig verschüttet/ untergegangen.


Ich glaube, das muss man anders sehen; Leibniz ist ja noch während des 30-j. Krieges geboren, er hat die Situation wahrgenommen; dieser Kernsatz der Theodizee, "Gott schuf die beste aller möglichen Welten", bewertet nicht den Zustand der augenblicklichen Welt, sondern er meint mit Welt das gesamte Entwicklungspotential der Welt, mit Chancen und Risiken.
Und mit dem Erdbeben von Lissabon wurde der Spruch erst richtig aktuell: da waren ja die christlichen Prediger in großer Verlegenheit, sie konnten nicht mehr wie bisher den allmächtigen und gütigen Gott predigen; seither ist Gott einer Beschränkung unterworfen, er ist "allmächtig", aber nur noch allmächtig im Rahmen des Möglichen; Leibniz bot also einen Weg aus der Verlegenheit; die Theologen hat er nicht gewinnen können, aber dem aufgeklärten Denken der Neuzeit hat er den Weg gewiesen, und seither ist Gott mehr in der"Transzendenz" und nicht mehr im Unmittelbaren.

Wir können also z.B. den Zustand des klassischen Latein recht gut beschreiben


Einverstanden, Zytophile, also sind die "Regeln" deskriptiv, und eben nicht normativ; aber dann darf man auch nicht fragen: "Wie muss es richtig heißen?", denn damit setzt man normative Regeln voraus; man müsste fragen: Wie konnte der Römer das ausdrücken?

Was ich vermisse, ist etwas Grundlegenderes: Was ist ein Satz, ein Satzteil, ein Prädikat? Also in der Sprache der heutigen Zeit ausgedrückt, die über ein sehr hochentwickeltes Systemdenken verfügt.

lgr. P. :)
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon marcus03 » So 15. Mai 2016, 18:41

Prudentius hat geschrieben:bewertet nicht den Zustand der augenblicklichen Welt, sondern er meint mit Welt das gesamte Entwicklungspotential der Welt, mit Chancen und Risiken.


Danke. So habe ich das bisher noch nicht gesehen.
Was würde er wohl heute sagen, wenn er unser physikalisches Weltbild und die Evolutionstheorie kennen würde?
Ob er die Evolution auch für den besten aller möglichen Wege, der zur Entstehung der Menschheit geführt hat, halten würde?
Oder würde er vor einer überzeugenden Zufallstheorie, gültig ab der 10hochminus43. Sekunde nach dem big bang, letztlich kapitulieren müssen? :nixweiss:
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Re: Umschreibung Konj. Fut. Pass.

Beitragvon Prudentius » Do 19. Mai 2016, 10:36

Natürlich würde er kapitulieren, aber es nicht so ausdrücken, denn als Metaphysiker steht er ja auf dem Fundament, dass die menschliche Ratio ihre Grenze vor dem Unfassbaren findet; vgl. Cusanus: "Ignoramus, ignorabimus", Platons "Aporie" als Ende der dialogischen Denkbemühungen.

Ich glaube, du musst bei deinen Maßangaben den relatvistischen Gesichtspunkt einbeziehen; das ist aus unserem Mikro-Bereich hinausprojiziert in die Dimension der Lichtgeschwindeigkeit; da gibt es die Unterteilungen wie Gegenwart/Vergangenheit gar nicht mehr; dieses Ur-Ereignis, big bang oder Urknall, stellt man sich am besten als (noch) gegenwärtig vor; man hat ja die sogen. Hintergrundstrahlung entdeckt, das ist also die für uns wahrnehmbare Wirklichkeit dieses Ur-Ereignisses - wenn man das verstehen kann :-o .

Leibniz hat Erstaunliches fertiggebracht, er gehört ja zu den Entdeckern der "Infinitesimalrechnung", also Differential- und Integralrechnung (womit bei unseren Schülern der M-Unterricht gekrönt wird :-D ), er hat also das Unendliche, das man bis dahin für göttlich und übermenschlich gehalten hatte, der M. zugänglich gemacht.
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