Konjunktive bei Caesar

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Re: Konjunktive bei Caesar

Beitragvon Tiberis » Sa 2. Jul 2016, 14:04

Zythophilus hat geschrieben: (1)Ein coni.obl. kann in jedem von einer Inf.-Konstruktion wie einem AcI und einem konjunktivischen Gliedsatz abhängigen Gliedsatz stehen.
(2)Im konkreten Fall scheint mir eher ein konsekutiver Konjunktiv vorzuliegen: Würde man nicht auch in direkter Rede ea, quae ad proficiscendum pertinerent, comparaverunt sagen?


ad (1): diese art der abhängigkeit ist gar nicht nötig. jeder an sich indikativische nebensatz kann in den konj.(obliquus) treten, wenn sein inhalt vom verfasser " als meinung eines anderen, insbes. des regierenden subjekts, hingestellt wird" (RHH 227,2)
ad (2): du hast recht, man kann es auch als konsek. relativsatz auffassen. eine eindeutige diagnose ist hier nicht möglich.
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Re: Konjunktive bei Caesar

Beitragvon marcus03 » Sa 2. Jul 2016, 16:05

Tiberis hat geschrieben:eine eindeutige diagnose ist hier nicht möglich.


Das hören unsere medici sicher nicht gern. Aber lieber keine Diagnose als eine womöglich "tödliche" Fehldiagnose. ;-)
Vllt. erscheint Cäsar demnächst einem von uns im Traum, um das Geheimnis zu lüften.

Meine Diagnose:
Cäsar dachte: Ich nehm einfach mal Konjunktiv, die Philologen werden schon einen Grund dafür finden. :lol:
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Re: Konjunktive bei Caesar

Beitragvon Zythophilus » Sa 2. Jul 2016, 16:28

Caesar bzw. Marcus03 hat geschrieben:Ich nehm einfach mal Konjunktiv, die Philologen werden schon einen Grund dafür finden.

Für einen Konjunktiv fände sich immer ein Grund.
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Re: Konjunktive bei Caesar

Beitragvon Prudentius » Sa 2. Jul 2016, 20:02

Schüler haben Schwierigkeiten, den Gegensatz "direkte / indirekte Rede" genau zu verstehen; die Grammatik sagt:
Tiberis hat geschrieben:... jeder an sich indikativische nebensatz kann in den konj.(obliquus) treten, wenn sein inhalt vom verfasser " als meinung eines anderen, insbes. des regierenden subjekts, hingestellt wird" (RHH 227,2)


Das finde ich sehr zutreffend, möchte aber doch einige Modifizierungen anbringen: es geht nicht um "Meinung" eines anderen, sondern "Meinungsäußerung"; es geht nicht darum, was jemand "meint", sondern dass ein anderer sich äußert; es ist mit aufgefallen, weil unsere Fragenstellerin hinzufügt: " ... (wie er meinte)".

Statt "Rede" würde ich lieber "Redemodus" sagen: der direkte und der indirekte Redemodus. Ich sage es deshalb, weil man sich unter Rede etwas längeres vorstellt; hier im thread kam vor: "keine indirekte Rede vorhanden"; vllt. ist es verständlicher, wenn man sagt: "Der Redemodus indirekt kann auch sehr kurz ausfallen", evtl. aus einem einzigen Wort bestehen.

Zur Veranschaulichung von direkt und indirekt: der "Mensch" im direkten Modus besteht aus Fleisch und Blut, und im indirekten aus einem Photo.

Oder, mit einer Anleihe bei der "Sprechakttheorie": es gibt ge-sprochene Wörter (direkt), wie bei "Puellae clamant", und be-sprochene Wörter (indirekt) wie bei "clamare gehört zur a-Konjugation".

Oder wieder anders: das Plagiat ist ein schönes Beispiel: da wird eine oratio obliqua für eine oratio recta ausgegeben (geistige Trittbrettfahrer :-D ).

Noch was ist mir aufgefallen: "eine eindeutige diagnose ist hier nicht möglich"; man kann es noch allgemeiner formulieren: der Konjunktiv ist nun mal ein "B-Modus", oder Ausweich-Modus, oder Alternativmodus, oder ein Sammelbecken für alles, was nicht Indikativ ist; so ist es ganz natürlich, dass unterschiedliche Zuordnungen möglich sind (also aus der Sicht einer papierenen Humorlosigkeit gesehen :-D ).
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Re: Konjunktive bei Caesar

Beitragvon Tiberis » So 3. Jul 2016, 01:37

Prudentius hat geschrieben: Tiberis hat geschrieben:
... jeder an sich indikativische nebensatz kann in den konj.(obliquus) treten, wenn sein inhalt vom verfasser " als meinung eines anderen, insbes. des regierenden subjekts, hingestellt wird" (RHH 227,2)



Das finde ich sehr zutreffend, möchte aber doch einige Modifizierungen anbringen: es geht nicht um "Meinung" eines anderen, sondern "Meinungsäußerung"; es geht nicht darum, was jemand "meint", sondern dass ein anderer sich äußert


das wort "meinung" in diesem zusammenhang stammt nicht von mir, sondern von RHH. ich halte diesen begriff aber durchaus für geeignet, da er sowohl geäußerte als auch bloß gedachte meinungen einschließt.
z.b.: populus XY consulem creavit, quod saluti civium consuleret. diese meinung kann ohne weiteres als bloß gedacht aufgefasst werden. ähnliches gilt auch für unseren Caesarsatz "ea, quae ad proficiscendum pertinerent" (wenn wir es nicht als kons.relativsatz sehen wollen).
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Re: Konjunktive bei Caesar

Beitragvon Prudentius » So 3. Jul 2016, 17:08

"Bloß gedachte Meinungen" gehören in den Papierkorb, damit kann weder der Historiker noch wir als Leser etwas anfangen. Das ist eine typische Verlegenheitsformulierung dieser alten Grammatiken (ist aber bloß von mir jetzt gedachte Meinung :-D ).

Das ist doch die vox populi, eine Fremdformulierung, die Livius zitiert, also obliquer Redemodus, indirekte Rede, daher Konjunktiv (das ist so wie in der US-Wahlkampagne: "She is fighting for us"). "Originalton" bei der Konsulwahl. Der Konjunktiv hat so eine Funktion wie bei uns die Anführungszeichen bei Zitaten.

Ich denke mal, dass wir so eine griffigere Antwort geben können, nicht so vage bleiben.
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Re: Konjunktive bei Caesar

Beitragvon Tiberis » So 3. Jul 2016, 18:53

Prudentius hat geschrieben:Das ist doch die vox populi, eine Fremdformulierung, die Livius zitiert,

irrtum. der satz ist von mir. :D
Prudentius hat geschrieben: Der Konjunktiv hat so eine Funktion wie bei uns die Anführungszeichen bei Zitaten.

zumindest in diesem punkt sind wir uns einig, o Prudenti ! :-D
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