Hexamter Aeneis 5, 239

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Hexamter Aeneis 5, 239

Beitragvon iurisconsultus » Fr 22. Jul 2016, 10:01

Salvete sodales,

ich bekomme beim Vers 5, 239 der Aeneis den Hexameter nicht hin (siehe Foto). Ich bin mir generell bei allen Versfüßen unsicher, aber sicher falsch sind die beiden letzten, weil der fünften Versfuß, wo ein Daktylus stehen sollte, keinesfalls richtig sein kann (vermutlich liegt der Fehler aber schon woanders).

Wie geht ihr beim Auflösen generell vor? Ich kennzeichne zuerst die Positionslängen und allfällige Elisionen und anschließend die Naturlängen und vervollständige dann zuerst den fünften Versfuß, weil dieser in aller Regel ein Daktylus ist, und dann den sechsten. Ist das eine sinnvolle Vorgangsweise? Und wie geht man allgemein vor, wenn man nicht einmal weiß, dass es sich um einen Hexameter handelt - da hätte ich keine Chance. Ich bin leider ein Metrik-Autodidakt. :lol:

Ich danke für eure Hilfe.
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Re: Hexameter Aeneis 5, 239

Beitragvon consus » Fr 22. Jul 2016, 10:10

Iurisconsulto amico doctissimo s. p. d. C.
Nihil aliud falsum est nisi „audĭīt“ – u -; Scribere te oportet – u u : audĭĭt.
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Re: Hexameter Aeneis 5, 239

Beitragvon consus » Fr 22. Jul 2016, 10:35

Kleiner Hinweis für die Praxis:
Nach der Penthemimeres hinter imis liest sich die zweite Vershälfte wie ein Prosatext. Das ist bei den meisten Hexametern so, kann eine kleine Hilfe beim Skandieren sein.
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Re: Hexameter Aeneis 5, 239

Beitragvon iurisconsultus » Fr 22. Jul 2016, 10:39

consus hat geschrieben:Scribere te oportet – u u : audĭĭt.

conso amico doctissimo s. p. d. iurisconsultus.
Ich danke dir sehr für die überaus rasche Hilfe, aber leider "stehe ich noch immer auf dem Schlauch" :oops:, denn das zweite i in audiit ist naturlang. Welche Regel entgeht mir?
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Re: Hexamter Aeneis 5, 239

Beitragvon marcus03 » Fr 22. Jul 2016, 11:05

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Re: Hexamter Aeneis 5, 239

Beitragvon iurisconsultus » Fr 22. Jul 2016, 11:18

marcus03 hat geschrieben:http://www.mbradtke.de/me000.htm

Danke marcus für diese Seite, die auch einen Hexameter-Leitfaden von Tiberis, die "scansio Tiberina", enthält. :D

Leider bin ich bezüglich des obigen Verses aber weiterhin ratlos. :help:
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Re: Hexameter Aeneis 5, 239

Beitragvon consus » Fr 22. Jul 2016, 11:35

iurisconsultus hat geschrieben:... das zweite i in audiit ist naturlang. Welche Regel entgeht mir?
Das zweite i ist in der 1. Pers. Sing. Ind. Perf. Akt. naturlang, optime amice, also audĭī. Die Personalendung für die dritte Person usw. ist aber –ĭt. Eine Übersicht über die Personalendungen gibt es u. a. im Rubenbauer-Hofmann § 77a: -ī, -istī, -ĭt, -ĭmus, -istĭs, -ērunt/-ērĕ.
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Re: Hexameter Aeneis 5, 239

Beitragvon iurisconsultus » Fr 22. Jul 2016, 11:45

consus hat geschrieben:Die Personalendung für die dritte Person usw. ist aber –ĭt.

Ahhhh, natürlich, danke conse. Da wird mir schön vor Augen geführt, wo ich noch grammatisch nachschärfen muss. :roll:
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Re: Hexameter Aeneis 5, 239

Beitragvon Prudentius » Sa 23. Jul 2016, 07:34

iurisconsultus hat geschrieben: Welche Regel entgeht mir?


Ich glaube, es ist diese Regel: Vor silbenschließendem -t werden Vokale kurz, so ungefähr.
Vergleiche: laudas, laudamus, laudatis alle mit langem a, aber laudat, laudant mit kurzem.
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Re: Hexameter Aeneis 5, 239

Beitragvon consus » Sa 23. Jul 2016, 09:33

Mit der von Prudentius mit der Einschränkung "so ungefähr" formulierten Regel kann man sich einverstanden erklären, wenn man sich nur dessen bewusst ist, dass in Bezug auf die Metrik eine von Natur aus kurze Silbe positione als Länge gelten kann, z. B. Verg. Aen. 3, 690: mōnstrā/bāt rĕlĕ/gēns; Ov. met. 1, 75: cē/pīt vŏlǔ/crēs. Auch die Silbe –dănt in laudant ist in der Metrik als Länge zu messen: laudānt.
Dem Perfekttypus audĭī widmet Ernout einige erklärende Ausführungen in seiner Historischen Formenlehre des Lateinischen (2./3. Aufl. Heidelberg 1920, S. 164f.).
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Re: Hexamter Aeneis 5, 239

Beitragvon iurisconsultus » Sa 23. Jul 2016, 10:33

Ich danke euch beiden und insbesondere dir conse ganz herzlich, dass ich nun wieder etwas mehr weiß, was mich sehr freut. :)
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Re: Hexamter Aeneis 5, 239

Beitragvon Tiberis » Sa 23. Jul 2016, 14:13

ergänzende anmerkung:

auch wenn man nicht wüsste, dass die endung -it (audiit) kurz ist, ließe sich deren quantität problemlos ermitteln:
erstens, weil in nahezu allen hexametern das 5. metrum ein daktylus ist ( - u u )
zweitens, weil au- als diphthong naturgemäß lang ist, und auf eine länge niemals eine einzelne kurze silbe folgen kann ( außer im 6. metrum).
drittens, weil die mittlere silbe (-di-) nach der regel vocalis ante vocalem corripitur kurz sein muß !
:wink:
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Re: Hexamter Aeneis 5, 239

Beitragvon iurisconsultus » Sa 23. Jul 2016, 14:47

Danke auch dir Tiberis für die Tipps. :)
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Re: Hexamter Aeneis 5, 239

Beitragvon Prudentius » Mo 25. Jul 2016, 10:00

Es gehört ja nicht ganz her, aber etwas wundert es mich, dass du das 5. Buch der Aeneis liest, für mich liegt das sehr im Schatten, die Highlights sind ja das 4. mit der Didotragödie und das 6. mit der Unterweltwanderung mit Vorgeschmack für Dante und mit der Perspektive auf die imperiale Rolle Roms, und dann auch noch 1. und 2. Buch; aber der Rest bleibt ziemlich außen vor, mitsamt der weiteren l. Epik - pauschal ausgedrückt.

Verse laut lesen, dann kommen sie bald ins Ohr; ich habe sie auch dirigieren lassen :-D , Spondeus, zwei Längen, waagrecht nach rechts und ebenso zurück; Daktylus waagrecht nach rechts für die Länge, und dann schräg nach links abwärts und wieder aufwärts für die beiden Kürzen.
Ich habe daas Gefühl gehabt, auf diese Weise steht der Vers nicht nur auf dem Papier, sondern ist in der Klasse gegenwärtig.
Wenn du etwas übst, kommst du da hin, wo Ovid schon war: "Quidquid dicere temptabam, versus erat".
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Re: Hexamter Aeneis 5, 239

Beitragvon iurisconsultus » Mo 25. Jul 2016, 10:31

Prudentius hat geschrieben:Es gehört ja nicht ganz her, aber etwas wundert es mich, dass du das 5. Buch der Aeneis liest, für mich liegt das sehr im Schatten, ...

Salve Prudenti!

Ich lese das 5. Buch der Aeneis nicht, sondern ich nutze ab und zu diese Homepage eines us-amerikanischen Lateinlehrers, in der man mit inkohärenten und sukzessive schwieriger werdenden Versen von Vergil, Lucretius und Ovid konfrontiert wird, um das Entschlüsseln von Hexametern zu üben.

Vale!
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