Problem mit Relativsatz

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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 26. Dez 2016, 12:05

Im späten Latein sicher kein Problem:
Exaequare Bovem, quem corpore vidit opimo...
http://mythfolklore.net/aesopica/osius/31.htm
Ob´s im klassischen Latein Beispiele gibt, müsste man suchen, obwohl ich bei einem Relativpronomen als "Platzhalter" für ein Substantiv prinzipiell kein Problem sehe.
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon marcus03 » Mo 26. Dez 2016, 12:19

Medicus domesticus hat geschrieben:quem corpore vidit opimo


Hier würde ich eher von einem mit ACI verschränkten Rel.satz ausgehen mit elliptischem esse.
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Tiberis » Mo 26. Dez 2016, 13:39

Zythophilus hat geschrieben:Das Verb ponere würde ich mit ablegen übersetzen,



"darstellen" ist für ponere schon die richtige übersetzung, ponis/pones kommt im clipearius ja immer wieder vor, weil es sich so gut auf leonis/leones reimt. :D
zu distentus: "aufgebläht" bedeutet hier ja nicht, dass der löwe sich beim fressen übernommen hat :D , sondern dass er sich groß macht, bevor er zum sprung auf die beute ansetzt.
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon ille ego qui » Mo 26. Dez 2016, 14:12

der Abl. qual. wäre hier eh nicht attributiv:

... den du (gleichsam) als von gespanntem körper (seiend) darstellst

Der Übergang zum Abl. abs. kann hier wohl als fließend betrachtet werden.
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Sokrates » Di 27. Dez 2016, 18:19

Salvete,

"aufgebläht" mag die eigentliche Wortbedeutung sein, aber passte nicht ein Ausdruck wie "aufgebäumt" i.S.d. Sich-Absichtlich-Groß-Machens besser?

zum distento corpore : mir ist ein abl. qual. außer als Prädikatsnomen zu esse oder Attribut noch nicht untergekommen, höchstens in Sätzen wie Tac. vultu tristi permanere.
bei "ponere" wäre ein solcher Ablativ weder Attribut noch Prädikatsnomen, sondern prädikative Ergänzung/Objektsprädikativum (auch wenn die Ellipse den Ursprung bildet, wo die Phrase Prädikatsnomen im klass. Sinne ist, seiend im D ebenso unzulässig).
Der Abl. abs. hat damit erstmal nichts zu tun: Es handelt sich bei distento coprore um eine zwar äußerliche Eigenschaft, die aber transient ist, also um einen Zustand des Subjekts im Kontext der Prädikatshandlung. Semantisch deckt sich dies mit der Definition des Prädikatvums, nur steht statt eines äquivalenten Adjektivs der Ablativ. Diese Variante leitet sich aus der Semantik des Ablativ als Kommutativ/Begleiter her, mit der Besonderheit einiger Formen desselben, die eine Rückbezüglichkeit auf das Subjekt implizieren (und daher weniger für einen Abl. abs. sprechen).
Folglich wird dieser Ablativ der äußeren Erscheinung (MBS § 375) nicht eigentlich als Abl. abs. gesehen, wenn auch von ihm freilich die Entwicklung dieses Syntagmas mit ausging.

LG
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Christophorus » Di 27. Dez 2016, 18:30

Hm, aber wenn sich das "distento corpore" auf das Subjekt beziehen würde, wäre der Löwe doch raus, oder :?
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Medicus domesticus » Di 27. Dez 2016, 19:02

@Sokrates:
Ich habe oben den 375 bei BS auch erwähnt.
Meiner Meinung nach beschreibt der Abl. relativ klar eine Eigenschaft des Löwen, so dass ich schon von einem Abl. Qual. ausgehe. Wir sind hier ehrlicherweise auch in einer anderen Lateinperiode.
Man kann es so sehen:
, den du gleichsam als Löwe mit zur Beute aus-/hingestreckten Körper darstellst..
Sehr wörtlich.. ;-)
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Sokrates » Di 27. Dez 2016, 19:40

Christophore, ich meinte die Bezüglichkeit auf das Subjekt nicht auf unseren Beispielsatz bezogen, sondern ging von einem Satz aus, in dem das Subjekt das Bezugswort des Abl. ist. Löst man das Prädikativum auf, wie ille es getan hat, als: den er...von gestrecktem Körper seiend darstellt, ist der Löwe ja "Subjekt" der partizipialen Hilfskonstruktion.
MD, die schulgrammatischen Zuordnungen von Ablativfunktionen zu einer bestimmten Semantik sind nicht immer trennscharf und nachvollziehbar. Ein Satz wird Cicero magna prudentia fuit, also einem Musterbeispiel für den abs. qual, unterscheidet sich semantisch nicht viel von einem Caesar capillis promissis pugnat.
in letzterem wird ein Begleitumstand angegeben, der den Zustand des Subjekt beschreibt, und das beim Kämpfen. Nach Heberleins Syntax-Skript 1, S.119 liegt abgesehen von der unterschiedlichen syntaktischen Funktion der Unterschied vor allem darin, dass der erste Abl. eine stabile, der zweite eine transiente Eigenschaft des Agens ausdrückt. Beiden gemein ist, dass sie sich aus dem soziativ-komitativen Abl, nicht aus dem instrumentalen, entwickelt haben. Der zweite Satz bildet eine mögliche Urform des Abl. abs, soweit der Bezug auf das Subjekt an Bedeutung verliert (bis man zu Abllativkonstr. ganz ohne Bezug auf das Subjekt kommt.).
Eine Umschreibung mit "ausgestattet mit" entbehrt zum einen der sprachlichen Grundlage, andererseits hört sich das für mich mehr nach Instrumental an, also genau der Richtung, aus der sowohl der abl. quäl. wie auch der aus MBS § 375 nicht kommen.
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Medicus domesticus » Di 27. Dez 2016, 20:07

mit (der Eigenschaft ausgestattet) ...
Verstehst du, was ich meine? Eine Eigenschaft des Löwen wird beschrieben.
Meiner Meinung nach kann man da viel hineinphilosophieren, aber man verfehlt da oft den Kern. Das habe ich an der Uni auch erlebt in meinem späteren Zweitstudium Latein. Oft triftet man zu weit ab und kommt nicht weiter.
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Sokrates » Di 27. Dez 2016, 20:31

Ich verstehe gut, was du meinst :)
Vielleicht habe ich es zu ausführlich beschrieben.
In Kürze: Es handelt sich um einen abl. qual., allerdings in ungewohnter syntaktischer Funktion.
Der Ablativ bezieht sich auf quem, also das Löwentier.
Der abl. qual. ist mit dem abl. absolut. nicht direkt verwandt, vielmehr leitet er sich aus dem Komitativ her.
Innerhalb dieser Kategorie gibt es Ablative, die sich auf das Subjekt (oder, wie hier, Subjekt auf höherer Ebene eines Syntagas) beziehen (Vir summo ingenio intrat) und welche, die Belgeitumstände ohne Subjektsbeteiligung angeben (Vir cum clamore civium intrat).
Konstruktionen wie nudo corpere pugnant stellen einen Begleitumstand mit Subjektsbezug dar, kein Mittel oder Werkzeug. Aus dieser soziativen Bedeutung unter anderem dann entstand der tatsächliche abl abs.

Hier wird ausgesagt, dass der Zustand des Löwen bei der Darstellung einer "von gestrecktem Körper" war.
Weder ein Instrumental noch ein abl abs. liegen vor.
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon marcus03 » Di 27. Dez 2016, 20:32

Medicus domesticus hat geschrieben:, den du gleichsam als Löwe mit zur Beute aus-/hingestreckten Körper darstellst..


Diese Übersetzung trifft m.E. ins Schwarze. Der prädikative, "elliptische Löwe" ist dem Versmaß geschuldet.

freier:
Du trägst ... das Zeichen eines Löwen ..., den du darstellst/der dich darstellt und zwar eines Löwen, der mit ausgestrecktem Körper gleichsam zum Sprung auf die Beute ansetzt.
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Medicus domesticus » Di 27. Dez 2016, 20:33

Ja, genau.. ;-)
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Sokrates » Di 27. Dez 2016, 21:07

Die von Marcus zitierte Übersetzung ist doch genau der Nenner, auf den wir uns alle verständigen konnten :)

Stellen wie Caes. Gall. VII, 69, 4 reliquis ex omnibus partibus colles mediocri interiecto spatio pari altitudinis fastigio oppidum cingebant demonstrieren das Spannungsverhältnis von abl. abs. (wobei ein mittelgroßer Raum dazwischengesetzt worden war -> in geringem Abstand, Abl. abs. aus einem Ablativ des Begleitumstands i.S.d. MBS § 372 ) und abl. Modi § 371 gut (mit gleichem Anstieg der Höhe -> mit gleichem Höhenniveau). Letzterer meint nicht, dass die Berge, die alle gut 350m hoch sind, von unten so hoch wie Alesia (über 400m) aussehen, sondern dass sie untereinander die gleiche Höhe haben. pari fastigio ist eine auf colles bezogene Angabe, die eine (zugegeben) dauerhafte Eigenschaft der Berge beim Umgürten angibt. Weder ist es Attribut zu colles, wie manche übersetzen, noch ein nominaler Abl. abs., wofür die fehlende Konjunktion der beiden Ablativgruppen freilich nur ein schwaches Indiz ist. Manche Ausgaben setzen unnötige Kommata (aber nie so, dass beide Phrasen koordiniert wären), dabei ist wahrscheinlicher, dass der Autor sich der unterschiedlichen Semantik durchaus bewusst war.

Ich verstehe deine Kritik, MD, aber hat unsere Analyse geschadet oder vor Scahden bewahrt? :)
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Medicus domesticus » Di 27. Dez 2016, 21:09

Sokrates hat geschrieben:Ich verstehe deine Kritik, MD, aber hat unsere Analyse geschadet oder vor Scahden bewahrt?

Nein, verstehe mich nicht falsch. Ich habe es nur relativ einfach ausgedrückt... ;-)
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Re: Problem mit Relativsatz

Beitragvon Sokrates » Di 27. Dez 2016, 21:23

Also ich meinte deine Kritik der Universität und allen Gedanken, die der akademischen Lehre entspringen. Die angerissenen Themen sind sehr komplex und erschlagen auf den ersten Blick einen kleinen Löwenvers, aber sie sind notwendig, um auch bei scheinbar einfachen Sätzen nicht auf die falsche Variante zu setzen.
Man stelle sich nur einen solchen Satz ohne das rettende velut ad praedam vor. Schnell könnte man auch auf den Künstler o.a. spekulieren als Bezug von distento corpore. Ist im Originalzitat der abl Qualität unstrittig, wäre im verkürzten vielleicht der Abl. der äußeren Erscheinung denkbar.
leo, quem distinto corpore ponis:
a) abl. qual., " den du mit ausgestrecktem Körper darstellst" = Prädikativum, auf Löwe bezogen
b) Abl. der begleitenden Umstände = den du mit ausgestrecktem Körper malst o.a. = Adverbiale, den du malst und dich dabei aufblähst.
Um abschließend auf den Grund der Ausführungen, illes Bemerkung, einzugehen: erst aus b) u.a. kam dann der abl. abs. zustande. Hier ist die Grenze aber gerade nicht fließend, weil a) ja vorliegt.
Eventuell war das aber auch anders gemeint von ille?
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