Konjunktiv

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Re: Konjunktiv

Beitragvon Prudentius » Mo 1. Mai 2017, 19:51

Die Grammatiken beschreiben nur, erläutern und begründen aber nicht, damit helfen sie uns nicht weiter.

Fest steht, dass der Konj. hier fakultativ gesetzt ist, es könnte auch der Indikativ stehen; warum ist er gesetzt?
Das Hauptverb incidebat steht im Imperf., ungewöhnlich, es hat iterative Bedeutung, "immer dichter", jedes Mal, bei jedem Vorrücken dichter; wenn der quo-Satz Indikativ hätte, also accedebant, dann entstünde ein unerwünschter Gleichklang der beiden Verben, incidebat / accedebant; ich denke, da entsteht das Bedürfnis, die beiden Verbalhandlungen modal zu differenzieren, und da bietet sich der Konjunktiv als Ausweichmodus ("B-Modus") an.
"Unerwünscht" ist der Gleichklang deshalb, weil die beiden Verben syntaktisch auf verschiedenen Ebenen liegen: Hauptverb mit einer Behauptung, und Nebenverb ohne Behauptung, sondern mit einer Umstandsangabe.
Das soll hier ein Versuch sein, eine begründete Antwort auf die Frage zu geben.

Zu der Anfangsfrage: man sollte nicht so sehr fragen: was ist das für ein Konjunktiv?, sondern: welche Funktion hat der Konjunktiv im Satz?
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Re: Konjunktiv

Beitragvon marcus03 » Di 2. Mai 2017, 09:42

Prudentius hat geschrieben:dann entstünde ein unerwünschter Gleichklang der beiden Verben,

Warum sollte der Gleichklang unerwünscht sein?
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Re: Konjunktiv

Beitragvon Prudentius » Di 2. Mai 2017, 16:08

Iam navibus cinis incidebat, quo propius accederent, calidior et densior:

"Unerwünscht" ist der Gleichklang deshalb, weil die beiden Verben syntaktisch auf verschiedenen Ebenen liegen: Hauptverb mit einer Behauptung, und Nebenverb ohne Behauptung, sondern mit einer Umstandsangabe.


Hauptaussage ist, dass der Aschenregen heißer und dichter wurde; das Näherkommen der Schiffe stellt nur die Rahmenbedingung dar, es ist eine Angabe zur Limitierung des Geltungsbereichs der Hauptaussage (es ist nur wie der Rahmen zu einem Gemälde); deshalb ist der Gleichklang dieser beiden Verben, incidebat / accedebant unerwünscht, es knirscht im Getriebe; wenn man kann, vermeidet man also den Gleichklang; und man kann: es steht der Ausweichmodus zur Verfügung.

Das soll als mögliche Erklärung vorgeschlagen sein. Es ginge auch noch anders, mit dem Analogiebegriff: der Konj. steht hier in Analogie zu konjunktivischen quo-Sätzen, wie ja auch in den konsekutiven ut-Sätzen der Konjunktiv steht, in Analogie zu den Finalsätzen.
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