cometes hat geschrieben:Ehe diese Diskussion von Veggiephilosophen gekapert wurde, dürfte es sich um die Frage gehandelt haben, wie diese Stellen des NT mit den jüdischen Speisevorschriften (die tatsächlich nur wenige Insekten als erlaubt ansahen) zu vereinbaren sind, ob sich aus der Diät auf eine Zugehörigkeit des Täufers zu den Essenern schließen lässt und dgl. mehr.
Das sind alles eigentlicht ganz interessante Fragestellungen. Anhand des Inhaltsverzeichnisses des von dir genannten Buches
The Diet of John the Baptist: "Locusts and Wild Honey" in Synoptic and Patristic Interpretation wird ersichtlich, dass genau solche Fragen dort behandelt werden.
cometes hat geschrieben:Ob die Doppeldeutigkeit im Englischen trotz längerer Vorgeschichte auf die im Mittelalter recht einflussreiche Historia de Vitrys zurückgeht, der ja vor Ort von einem syrischen Abt belehrt worden sein soll, dass unter locustae die dort immer noch verzehrten langustae, quaedam herba [...] ad edendum, zu verstehen seien, könnte man noch untersuchen.
Aha... Da werden ja noch mehr Fragen aufgeworfen. Langusten waren für mich - jedenfalls im Deutschen - bisher immer nur diese Krebstiere. Dass es da ähnliche Fragen gibt wie bei diesen Locusten, wusste ich bisher nicht. Im Georges gibt es jedenfalls gar
kein Stichwort "langusta". Jetzt wo du das ansprichst, muss ich allerdings zugeben, dass mich das Wort "locusta" von Anfang an irgendwie an Languste erinnert hat - wegen der ähnlichen Lautung. Ich hab mir aber dann keine weiteren Gedanken dazu gemacht. Hm, und jetzt nennst du das explizit. Das ist ja witzig!
Wieso kennst du dich mit diesen Fragen eigentlich so aus? Bist du Theologe? Religionswissenschaftler? Biologe? Insektologe? Oder gar Philosoph?

Deine Postings finde ich jedenfalls sehr interessant! Es klingt so, als ob du dich schon intensiver mit solchen durch merkwürdige Bibeltextstellen aufgeworfenen Fragen beschäftigt hast...
cometes hat geschrieben:Mit der in Nordamerika beheimateten Entdeckung der Robinie (Scheinakazie) im 17. Jahrhundert, die schließlich auch europäische Gärten und Parks eroberte, ging die Bezeichnung Johannisbrotbraum teilweise auch auf diesen mit dem Karobbaum verwandten Hülsenfrüchtler über (Im Engl. black locust tree) - nach Auskunft der engl. Wikipedia haben das Jesuiten zu verantworten.
Was du alles weißt! Robinien kenne ich. Stimmt, die haben auch so schotenartige Früchte, und die Blüten sehen ähnlich aus wie die vom Goldregen, nur eben in Weiß. Dass die Robinien mit dem Karobbaum verwandt sind, wusste ich auch noch nicht. Und tatsächlich heißen diese Robinien auf Englisch "black locust"! Unglaublich! Und nun lese ich in der englischen Wikipedia unter
https://en.wikipedia.org/wiki/Robinia_p ... ultivation :
englische Wikipedai hat geschrieben:Black locust is a major honey plant in the eastern US, and has been planted in European countries. In many European countries, it is the source of the renowned acacia honey. Flowering starts after 140 growing degree days. However, its blooming period is short (about 10 days) and it does not consistently produce a honey crop year after year. Weather conditions can have quite an effect on the amount of nectar collected, as well; in Ohio for example, good locust honey flow happens in one of five years
Hier ist also schon wieder die Rede von
Honig! Und da muss ich sofort wieder an unsere Bibelstelle denken! Vielleicht war es ja so, dass Johannes der Täufer in der Wildnis keine Karobschoten, sondern tatsächlich den Honig von wilden Bienen - die in Karobbäumen ( ~ vgl. die Robinien) Nektar sammelten - aß, wenn diese Bäume mit ihrer reichlichen Blüte besonders viele Bienen anlocken. Das fände ich irgendwie plausibler. Plinius schreibt ja in der von Consus gefundenen Stelle
Hist. nat. 13, 59:
Plinius - Hist. nat. 13, 59 hat geschrieben:16. [59] Similis et quam Iones cerauniam vocant, trunco et ipsa fertilis – pomum siliqua – ; ob id quidam Aegyptiam ficum dixere, errore manifesto: non enim in Aegypto
nascitur, sed
in Syria Ioniaque et circa Cnidum atque in Rhodo [...]
Wikipedia schreibt heute in ungefährer Übereinstimmung mit Plinius:
Wikipedia hat geschrieben:Diese Art kommt im Mittelmeerraum und Vorderasien vor.
Und wenn in der Antike dort unten noch ein klein bisschen südlicher als die Provinz Syria in der Wildnis/Wüste Judäas tatsächlich auch noch Karobbäume wuchsen (was ich mir durchaus vorstellen kann), dann könnte das erklären, wie es zu dieser späteren Veggie-Umdeutung zu Karobfrüchten/Karobschoten/Johannisbrot kam, die sich bis heute in den englischen Baumbezeichnungen "locust tree" und "black locust tree" sowie in der deutschen Bezeichnung Johannisbrot(-baum) fortpflanzt. Heuschrecken und Honig. Klar, da fragt man sich: Warum hat Johannes denn dann nicht gleich die Früchte dieses Baums gegessen. Mit den Früchten/Schoten hat man ja immerhin etwas mehr im Magen (und kann sogar damit überleben - siehe den Hinweis auf den Talmud weiter unten) als wenn man nur mal an ein paar Bienenwaben leckt. So kam es vielleicht zu der besagten These und plötzlich wurden alle Begriffe in einen Topf geworfen und miteinander vermengt, und später wusste keiner mehr so recht, wie es genau dazu gekommen war. Hinzu kommt, dass Karob als Süßungsmittel verwendet wurde (siehe weiter unten, der Hinweis aufs alte Ägypten). Ich persönlich glaube eigentlich weniger an eine zugrunde liegende Verwechslung der hebräischen Begriffe für Heuschrecken חגבים=hagavim und Johannisbrotbäume חרובים=haruvim. Ich glaube vielmehr, dass man da erst später draufgekommen ist und das dann erst im Nachhinein als Argument angeführt hat. Aber gut, ich habe ja nichts geforscht. Das ist nur das, was ich so intuitiv glaube bzw. vermute. Und das kann natürlich falsch sein.
Interessant ist auch, dass Plinius offenbar ein bisschen daneben lag, als er schrieb, dass der Karobbaum angeblich nicht in Ägypten wächst. Nun ja, ich weiß ja nicht, wie es zu seiner Zeit war. Aber ich lese
in der englischen Wikipedia:
englische Wikipedia hat geschrieben:Carob was eaten in Ancient Egypt. It was also a common sweetener and was used in the hieroglyph for "sweet" (nedjem).
Dort ist diese Hieropglyphe sogar abgebildet: Carob-Pod n(dj)m (nedjem) in hieroglyphs.
Sicher war dieser ägyptische Süßstoff - ganz im Sinne der heutigen Rohveganer - 1000-mal gesünder als die ballaststofflose, vitamin- und mineralstoff-leeren Kalorienbombe unseres heutigen raffinierten Industriezuckers - so viel steht fest.
Weiters lese ich dort:
englische Wikipedia hat geschrieben:Subsistence on carob pods is mentioned in the Talmud: Berakhot reports that Rabbi Haninah subsisted on carob pods.
und
englische Wikipedia hat geschrieben:Use of the carob plant dates back to Mesopotamian culture (modern day Iraq). The carob pods were used to create juices and sweets, and were highly prized for their many uses. The carob tree is mentioned frequently in texts dating back thousands of years, outlining its growth and cultivation in the Middle East and North Africa. The carob tree is mentioned with reverence in "The Epic of Gilgamesh", one of the earliest works of literature in existence.
Und
hier lese ich:
englische Wikipedia hat geschrieben:Dried carob fruit is traditionally eaten on the Jewish holiday of Tu Bishvat.
Das alles finde ich doch sehr interessant!
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cometes hat geschrieben:Vielen Dank für das Agnomen locustus - das leicht verdient war. Der verlinkte Anbieter versendet nämlich nicht nur nach ganz Europa, er tourt auch zu diversen Food Festivals, man muss also nicht mit Dreijahrebart im Fellgewand in österreichischen Bergtälern subtilen Jagden nachgehen. Insekten stehen übrigens, das vergessen wir in Mitteleuropa gerne, bei circa zwei Milliarden Menschen auf dem regulären Speiseplan.
Dazu antworte ich einfach mit zwei Smileys:
..
... 