Frage zu Consecutio Temporum

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Frage zu Consecutio Temporum

Beitragvon Sternenkind » Fr 29. Jun 2018, 15:44

Salvete,

"Wenn du jetzt da wärst, um mich zu ermutigen, wäre ich froh."

"Si nunc adesses, ut me moneas (oder moneres? Zählt der Irrealis der GEGENWART als Haupt-oder Nebentempus?), laetus essem."

Danke
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Re: Frage zu Consecutio Temporum

Beitragvon marcus03 » Fr 29. Jun 2018, 15:55

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Re: Frage zu Consecutio Temporum

Beitragvon Prudentius » Sa 30. Jun 2018, 15:56

Nanu, bezeichnet das Imperfekt die Gegenwart, liegt die Gegenwart in der Vergangenheit? (Pädagogische Frage :-D ).

So einfach ist das mit den Tempora nicht, die Zeit ist ein Mysterium, das die Philosophen bisher nicht erklären konnten; die Zeit ist die Schwelle zur Ewigkeit, da stoßen Metaphysik und Empirie aufeinander. Wir Grammatiker machen uns was vor, wenn wir meinen, die Schwierigkeiten lösen zu können, indem wir das Dreierschema "Gegenwart - Vergangenheit - Zukunft" an die Zeit herantragen.

Man kann es ja mit anderen Einteilungen versuchen, z.B. so:
Wir unterscheiden drei Situationen:

(1) eine Situation, in der man weder erkennen noch handeln kann (sonst Zukunft oder Futur genannt),
(2) eine Situation, in der man erkennen, aber nicht handeln kann (sonst Vergangenheit oder Perfekt genannt),
(3) eine Situation, in der man sowohl erkennen als auch handeln kann, sonst Gegenwart oder Präsens genannt.

Vllt. kommt euch das komisch vor, aber damit kann man erklären, warum der Irrealis der Gegenwart in einem Tempus der Vergangenheit erscheint: man sieht ein, es ist eine Situation, in der man erkennen kann: ich erkenne ja, dass du nicht da bist und ich nicht froh bin; aber handeln kann man nicht: ich kann dich nicht herbeibringen und mich auch nicht froh machen; es ist also Fall (2), Vergangenheit.

Ist euch schon mal die Frage gekommen, warum es keinen Irrealis der Zukunft gibt? Das beantwortet sich nach Fall (1): das Irreale ist etwas, was man weiß, die Zukunft aber etwas, was man nicht weiß; das schließt sich also aus.
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Re: Frage zu Consecutio Temporum

Beitragvon ille ego qui » Fr 6. Jul 2018, 20:58

Sprache strukturiert die Wirklichkeit nun einmal mitunter anders oder vielleicht auch einfacher, als es Philosophen tun würden. Und es erweisen sich in der Sprache oft Kategorien oder Prinzipien, die man von philosophischer Warte anzweifeln mag, doch als relevant und entscheidend.

Zur Frage des Irrealis Futur: Da gibt es in der Tat etwas, was mich immer wieder beschäftigt. Das Deutsche sieht neben einem Konjunktiv II Präteritum (a) (ich benutze die Begrifflichkeiten der germanistischen Linguistik) auch einen Konjunktiv II Futur (b) auf:

(a) ich käme
(b) ich würde kommen (heute als semantisch gleichwertige "würde-Umschreibung" bekannt).

Weiterhin findet sich - zumal in älteren Texten - neben dem Konjunktiv II Plusquamperfekt (c) auch einen Konjunktiv II Futur II (d):

(c) ich wäre gekommen
(d) ich würde gekommen sein.

Beim Lesen älterer Texte beschleicht mich bisweilen der Verdacht, dass es hier (also zwischen a und b und zwischen c und d) zumindest früher einmal einen semantischen Unterschied gegeben haben muss - vielleicht doch etwas Futurisches bei (b) bzw. (d) ... :roll:

Vos quid censetis?
Valete!
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
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