Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

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Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Sternenkind » Do 14. Feb 2019, 19:19

Guten Abend,

Folgende Frage stelle ich mir :

Sind Relativsätze im Konjunktiv, die kausal oder konzessiv sind, innerlich abhängig?

z.B.:

Parentes filium amabant qui non laboraret. (konzessiv)

Dei viro adfuerunt qui se (?) semper coleret. (kausal)

Dux inimicum interfecit qui se (? -> dux) interficere non posset. (final)

Cornelia tam pulchra est quae omnes viros vultu eius (?) delectet. (konsekutiv)
Konsekutivsätze sind nicht innerlich abhängig, oder?

Die Sätze habe ich frei erfunden.

Danke für eure Hilfe :)
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon marcus03 » Do 14. Feb 2019, 19:42

Sternenkind hat geschrieben:Cornelia tam pulchra est quae omnes viros vultu eius (?) delectet.

vultu suo

http://www.latein-imperium.de/include.p ... tentid=211
https://www.altphil.uni-freiburg.de/dow ... atkonj.pdf
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Sternenkind » Do 14. Feb 2019, 21:07

Ahja,klar. Du hast natürlich recht. Sind meine anderen Beispiele korrekt?
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Tiberis » Do 14. Feb 2019, 21:09

Sternenkind hat geschrieben:Dux inimicum interfecit qui se (? -> dux) interficere non posset. (final)

so geht das nicht, denn das Rel.Pron. steht im finalen Relativsatz immer für "ut is", "ut ea" u.dgl., nicht aber für "ne is", wie hier zu erwarten wäre. Der Satz muss also lauten: Dux inimicum interfecit, ne ab eo interficeretur.
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Zythophilus » Do 14. Feb 2019, 22:26

Die innerliche Abhängigkeit, die das indirektive Reflexivum erlaubt, gilt nur für finale ut-Sätze, nicht aber für konsekutive.
Beim Beispiel
Cornelia tam pulchra est quae omnes viros vultu eius (?) delectet.
bezieht sich das statt eius zu verwendende suo auf das Subjekt des Relativsatzes, abgesehen davon, dass der Relativsatz konsekutiven Nebensinn hat. Die Beziehung zum Subjekt des übergeordneten Satzes wird in Relativsätzen nicht durch ein indirektes Reflexivum ausgedrückt, sondern durch das Relativpronomen.
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Sternenkind » Do 14. Feb 2019, 22:55

Vielen Dank.

Wie wäre es in folgendem Satz:

Publius gibt Cornelia einen Kuss, weil sie ihm gefällt.

Publius Corneliae, quae se / eum delectet, osculum dat.

Wenn ich deine Erklärungen richtig verstanden habe, müsste dann ja eum richtig sein, oder?
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Zythophilus » Fr 15. Feb 2019, 07:41

Das Verb delectare würde ich zwar nicht wählen, aber wenn, dann gehört eum hierher, weil es ein kausaler Relativsatz ist. Andererseits verunsichert mich eine Stelle wie
BG IV 16,3 hat geschrieben:Ad quos cum Caesar nuntios misisset, qui postularent eos, qui sibi Galliaeque bellum intulissent, sibi dederent, responderunt:

Caesar setzt hier zweimal das indirekte Reflexivum sehr frei. qui postularent ist natürlich ein finaler Relativsatz, aber die Elemente mit sibi hängen davon ab, gehören nicht direkt dazu.
Zuletzt geändert von Zythophilus am Fr 15. Feb 2019, 07:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Zythophilus » Fr 15. Feb 2019, 07:47

[quote="BG IV 21,8]Huic imperat quas possit adeat civitates horteturque ut populi Romani fidem sequantur seque celeriter eo venturum nuntiet.[/quote]
Auch hier hängt der ut-Satz mit dem indir. Refl. nicht direkt von einem Satz mit Caesar als Subjekt ab, sondern von einem Finalsatz (ohne ut), in dem jemand anderer Subjekt ist.
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Tiberis » Fr 15. Feb 2019, 11:41

Zythophilus hat geschrieben:aber wenn, dann gehört eum hierher, weil es ein kausaler Relativsatz ist

:?
kausale, wie überhaupt konjunktivische RS, sind innerlich abhängig, daher steht grundsätzlich das Reflexivpronomen. Das Demonstrativpronomen kann jedoch stehen, wenn anderenfalls unklar wäre, auf wen sich das Refl.Pron. bezieht. Dies ist hier jedoch nicht der fall, daher:
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon ille ego qui » Sa 16. Feb 2019, 07:41

@Tiberis:

Unabhängig davon, ob ein innerer Beweggrund oder eine äußere Ursache angegeben wird? Oder sind kausale Relativsätze inneren Beweggründen vorbehalten?
Ferner ist vielleicht noch zu berücksichtigen, ob das Subjekt des Hauptsatzes sich veranlasst sieht (und also überhaupt erst eine innerliche Abh. eröffnen kann)oder ein anderes Satzglied.

Verständlich, was ich meine? Wäre für Aufklärung dankbar!

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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Prudentius » Sa 16. Feb 2019, 18:31

@ ille ego qui

"Unabhängig davon, ob ein innerer Beweggrund oder eine äußere Ursache angegeben wird? Oder sind kausale Relativsätze inneren Beweggründen vorbehalten?"

Was ist eigentlich mit "innerer" gemeint?
Ein wenig definitorische Klärung ist wohl nützlich; ich meine, es geht nicht um den Gegensatz "innerer Beweggrund" / "aüßerer Anlass", sondern um den Satz: Satzinneres gegen Satzäußeres; "innerlich abhängig" ist ein Satzglied, wenn es vom Satzinneren abhängt, d.h. von einem Satzglied, gewöhnlich dem Subjekt; und bilden wir ruhig den Gegensatz: "äußerlich abhängig": äußerlich abhängig ist ein Satzteil, wenn er vom Satzäußeren abhängt, und das ist gewöhnlich der Verfasser des Textes.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: bei "Er schlief ein, so dass er in den Graben fuhr" haben wir äußerliche Abhängigkeit, denn "Er" hat sich nicht den Zusammenhang Ursache-Wirkung klargemacht; der Kausalgedanke stammt also vom Verfasser des Protokolls.
Dagegen bei "Die Götter belohnten ihn, weil er sie immer verehrt hatte" ist innerliche Abhängigkeit gegeben, weil dem Subjekt der Kausalgedanke zugeschrieben wird.
Dann versteht man auch, warum Konsekutivsätze nicht innerlich abhängig sind: sie enthalten oft eine unerwünschte Folge.

Man sollte auch unterscheiden: Nebensinn und innerliche Abhängigkeit; alle konjunktivischen RS haben einen Nebensinn, aber nicht alle sind innerlich abhängig.
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Tiberis » Sa 16. Feb 2019, 20:03

ille ego qui hat geschrieben:Oder sind kausale Relativsätze inneren Beweggründen vorbehalten?

der Begriff "innerer Beweggrund" erscheint mir zu wenig präzise. Verständlicher ist es wohl, zu sagen, dass ein kausaler (und somit konjunktivischer) RS stets eine subjektive Begründung ausdrückt bzw. eine Begründung, die sich "aus dem Wesen und Charakter der Person oder Sache ergibt" (Kühner-St. II,2,§194,3).
vgl. Arch.24: Alexander, cum..ad Achillis tumulum adstitisset. "O fortunate", inquit, "adulescens, qui tuae virtutis Homerum praeconem inveneris!"
> subjektive Begründung, nämlich die des Alexander.
Gehen wir nochmals zum Ausgangsbeispiel zurück:

Publius Corneliae, quae se delectet, osculum dat.
Hier muss das Refl.pron. stehen, da die subjektive Begründung des Publius ausgedrückt wird. Genauso gut könnte der Sachverhalt auch mit quod + Konj.obliquus dargestellt werden (quod se delectet).
Stünde jedoch eum (statt se) , wäre an eine weitere (hier nicht genannte) Person zu denken, jedenfalls aber nicht an Publius.
Sehr wohl aber stünde eum in einem ganz normalen indikativischen Relativsatz bzw. Kausalsatz (quae bzw. quod eum delectat); es handelt sich dann eben um eine "objektive", also von der Person des Publius unabhängige Begründung.
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Zythophilus » Sa 16. Feb 2019, 23:23

Die subjektive Begründung mag ja bei dem Beispiel Arch. 24 gegeben sein, allein das Reflexivpronomen, dass sich auf ein außerhalb des Relativsatzes befindliches Subjekt bezieht fehlt. Bei tuus gibt es nicht das Problem, dass man bei suus bzw. eius hat, weiters ist mit inueneris auch das Subjekt in der 2.P.Sg. Mit dem Konjunktiv als Modus hat das Possessivpronomen nichts zu tun.
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Tiberis » So 17. Feb 2019, 00:33

Die ursprüngliche Frage war: Sind konjunktivische RS innerlich abhängig? Wenn ja, muss in unserem Fall das Reflexivpronomen stehen, vgl. Menge 232,3. Dort steht auch, dass "die konjunktivischen Relativsätze" innerlich abhängig sind (232,3c). Leider konnte ich bislang keine Belegstelle finden, aus der hervorginge, welche Art Pronomen im strittigen Satz nun tatsächlich zur Anwendung kommt.
Allerdings heißt es bei MBS 592,1a : "Der Relativsatz...erhält einen kausalen Nebensinn, wenn er durch einen Kausalsatz ersetzt werden könnte."
Der Konjunktiv selbst zeigt an, dass die Begründung eine subjektive ist.
Auf unseren Beispielsatz bezogen, heißt das aber nichts anderes, als dass man statt
Publius Corneliae, quae se delectet, osculum dat. eben auch schreiben könnte: ..quod se delectet,...
(Konj. obliquus)
Bis zum Beweis des Gegenteils bleibe ich daher bei meiner Ansicht, dass Refl.pron. stehen muss, aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen...
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Re: Relativsätze im Konjunktiv innerlich abhängig?

Beitragvon Zythophilus » So 17. Feb 2019, 11:18

Was genau ist die innere Abhängigkeit? Beim finalen ut-Satz (und damit auch bei einem konjunktivischen Relativsatz mit finalem Sinn) ist es sicher die Intention des Subjekts im übergeordneten Satz. Eine Abhängigkeit gibt es auch beim konsekutiven ut-Satz, der ja ebenso eine Folge, wenn auch eine unbeabsichtigte, darstellt, aber kein indirektes Reflexivum hat.
Bei Kausalsätzen ist die innere Abhängigkeit eher umgekehrt, denn der durch die Syntax untergeordnete Kausalsatz ist die Begründung bzw. Voraussetzung für den übergeordneten Satz.
Ein - wenn man so will - logisches Herangehen an das Phänomen setzt voraus, dass es im Lateinischen immer logisch zugeht, aber das ist eben leider nicht der Fall. Ich hoffe, dass noch ein paar kausale Relativsätze, die ein Reflexivpronomen aufweisen oder eben zeigen, dass es nicht verwendet wird, auftauchen.
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