haːbeːmus paːpam

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haːbeːmus paːpam

Beitragvon sinemetu » Mo 18. Mai 2020, 20:23

War eben anläßlich des 100 Geburtstagen von Giovanni Paolo II zu einer dt. polnischen Feierstunde.
Innerhalb derselben trug eine Polin in akzentfreiem Deutsch aus dem Lebenslauf des Geehrten vor. Ich denke, sie war aus dem dt.-pol. Gymnasium Löcknitz. Egal, sie las sehr gut, mit deutscher Aussprache, also mit den Langvokalen, die die Polen in ihrer Sprache nicht haben. Wirklich Akzentfrei!

Dann aber sagte Sie: [habbəmus pappam] statt [haːbeːmus paːpam], da wußte ich, daß sie polnische Muttersprachlerin ist.
Was ich aber nicht wußte: Wie sprachen es die Römer wirklich aus? Ist unser dt. Aussprache mit den langvokalen wirklich goldenes Latein? Vielleicht sind ja die Polen näher an der richtigen Aussprache?

Was sagen die Fachleute?

Wann kam das Habemus Papam eigentlich auf?
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon marcus03 » Di 19. Mai 2020, 05:57

Das erste Konklave zur Papstwahl gab es im Jahre 1241. Von den zwölf wahlberechtigten Kardinälen waren zwei Gefangene Kaiser Friedrichs II., und die verbliebenen waren zerstritten. Der mächtige römische Senator Matteo Rosso Orsini ließ sie im Septasolium auf dem Palatin unter sehr dürftigen Bedingungen einschließen. Nach 60 Tagen und nachdem einer der eingeschlossenen Kardinäle gestorben war, wurde Coelestin IV. von den verbliebenen neun gewählt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Konklave# ... _Papstwahl
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon ille ego qui » Do 21. Mai 2020, 13:01

habemus mit Geminate? Wohl eher nicht ;-)
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon ille ego qui » Do 21. Mai 2020, 13:02

habere hat im übrigen ein kurzes a.
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon sinemetu » Do 21. Mai 2020, 13:06

ille ego qui hat geschrieben:habemus mit Geminate? Wohl eher nicht ;-)

Es war ein polnisches kurzes a, kein deutsches offenes langes.
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon ille ego qui » Do 21. Mai 2020, 13:38

Dann solltest du vielleicht keine Geminate schreiben, sondern ein a ohne Doppelpunkt oder im Zweifel ein breve drüber.
Im übrigen wird auch kein deutscher in habemus das unbetonte a lang aussprechen.
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon sinemetu » Do 21. Mai 2020, 13:42

ille ego qui hat geschrieben:Im übrigen wird auch kein deutscher in habemus das unbetonte a lang aussprechen.

Nun ja, aber es ist deutlich länger und von anderer Qualität, als das polnische a.

Meine Frage, wie es bei Cicero war, ist damit immer noch nicht beantwortet. Gibt es ein Lat. WB mit IPA-Zeichensatz?
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon ille ego qui » Do 21. Mai 2020, 13:58

Ich glaube, das trifft auf jedes deutsche a zu.

Manche Linguisten unterscheiden im Deutschen gespanntes von ungespanntem a - eine sehr subtile Geschichte.
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon ille ego qui » Do 21. Mai 2020, 14:00

Um welchen Vokal und um welche Eigenschaft langer und kurzer Vokale geht es dir?
Fest steht, in Lateinischen gibt es lange und kurze Vokale und im Polnischen nicht.
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon sinemetu » Do 21. Mai 2020, 14:24

ille ego qui hat geschrieben:Um welchen Vokal und um welche Eigenschaft langer und kurzer Vokale geht es dir?
Fest steht, in Lateinischen gibt es lange und kurze Vokale und im Polnischen nicht.


An der Geschichte ist mir schlagartig deutlich geworden: Woher unsere Sicherheit, daß unsere Aussprache die dem Ursprung am nächsten stehende? Auch unsere lat. Aussprache ist deutsch gefärbt, was niemand bezweifeln wird, aber ist sie näher dran, als die eines polnischen Mädchens?
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon medicus » Do 21. Mai 2020, 15:06

sinemetu hat geschrieben: Aussprache ist deutsch gefärbt, was niemand bezweifeln wird, aber ist sie näher dran, als die eines polnischen Mädchens?

Dazu habe ich folgenden Beitrag:
https://www.youtube.com/watch?v=42QKBqeMctY
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon ille ego qui » Do 21. Mai 2020, 22:30

sinemetu hat geschrieben:
ille ego qui hat geschrieben:Um welchen Vokal und um welche Eigenschaft langer und kurzer Vokale geht es dir?
Fest steht, in Lateinischen gibt es lange und kurze Vokale und im Polnischen nicht.


An der Geschichte ist mir schlagartig deutlich geworden: Woher unsere Sicherheit, daß unsere Aussprache die dem Ursprung am nächsten stehende? Auch unsere lat. Aussprache ist deutsch gefärbt, was niemand bezweifeln wird, aber ist sie näher dran, als die eines polnischen Mädchens?



Was die Vokalqualitäten angeht, wage ich hier keine Aussage zu treffen. Aber fest steht doch: Fürs Lateinische ist essentiell die Länge oder Kürze von Vokalen. Hier haben wir als Deutsche einen Vorteil gegenüber den Polen, die hier keinerlei Differenzierungsmöglichkeiten haben. Das Deutsche "tickt" ja hier immer noch anders als das Lateinische insofern, als es keine Positionslängen gibt und auch die Größe Vokallänge eine eher flexible Angelegenheit ist (lange Vokale können ganz unterschiedlich lang ausfallen; entscheidender sind die potentielle (!) Dehnbarkeit sowie Öffnungsgrad des Mundes und Gespanntheit/Ungespanntheit). Und doch bleibt eben ein nennenswerter Vorteil in diesem ganz entscheidenden Bereich der lateinischen Aussprache. Wie letztlich ein langer Vokal geklungen haben mag - davon abgesehen, dass er auf jeden Fall (für den Polen kaum nachahmbar) lang war! - oder ein kurzer ... wer weiß das schon ... (Außer vielleicht Brakbekl, aber den können wir ja nicht mehr fragen ... ;-) )
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon Zythophilus » Sa 23. Mai 2020, 11:28

Auch wir haben die Tendenz lateinische Zitate, nicht nur Einzelwörter unseren Ausspracheregeln zu unterwerfen. Dass Polen das ebenso praktizieren, verwundert nicht. Jemand, der eine Fremdsprache beherrscht, versucht die Aussprache der Muttersprache nicht der Fremdsprache überzustülpen - daher auch der Witz über den Rabbi, der Englisch lernen möchte: "I want to polish up my Englisch." - "Your English is Polish enough." Für fremdsprachige Zitate gilt das offenbar nicht so; da wird die für Polen übliche Version, die ja für einen Polen immer noch erkennbar fremdsprachig ist, einfach übernommen, und nicht ggf. die von Deutschsprachigen übliche Aussprache angewendet.
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon Sapientius » So 24. Mai 2020, 08:22

... 100 Geburtstagen von Giovanni Paolo II


Bei uns kommt keine Begeisterung für den polnischen Papst auf, wenn wir daran denken, dass er die lateinamerikanische Befreiungstheologie auf dem Gewissen hat, Redeverbote, Publikationsverbote für Theologen, und seine Fehleinschätzung des Marxismus: für ihn kam der aus Moskau, und für uns kommt er aus Trier. Man erkennt, Polen hat die ganze Aufklärungsbewegung seit dem 18. Jh. in Westeuropa nicht mitgemacht.
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Re: haːbeːmus paːpam

Beitragvon marcus03 » So 24. Mai 2020, 09:25

Sapientius hat geschrieben:Bei uns kommt keine Begeisterung für den polnischen Papst auf

Bezeichnend ist seine schnelle Kanonisierung, die primär taktische Gründe hatte und auch
ablenken soll vom Morast in der Kirche.
Er war sehr publicity-orientiert, hat viele hehre Worte gesagt, aber defacto innerkirchlich
kaum etwas bewegt. Seine unzähligen Reisen waren wohl auch eine Flucht aus den vatikanischen
Verhältnissen.
Zum Fall des Kommunismus hat er wohl beigetragen bzw. diesen beschleunigt.
Auch ohne ihn wäre über kurz oder lang dasselbe passiert. Der Osten war am Ende.
Die Freiheit, die nun im Osten herrscht, ist zudem primär nur eine Konsumfreiheit
und Sieg des Kapitalismus.
Vielerorts herrschen noch diktatorische Verhältnisse und Korruption ohne Ende.(Weißrussland e.g.)
Woityla wird idealisiert und wohl auch z.T. gewaltig überschätzt.
Der Mensch braucht halt Leitfiguren, auch wenn sie in vielem fragwürdig sind.
Auch Ratzinger ist an der Realität gescheitert und sein Nachfolger wird es vermutlich auch.
Mit 84 dürfte er es ohnehin bald hinter sich haben - altera pulmonis parte iam amissa.
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