Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

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Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon Sinatra » So 3. Jan 2021, 12:06

Salve und Frohes Neues Jahr!!!

Für ein Seminar soll ich eine sprachlciche Analyse eines Vergil-Textes anfertigen, es handelt sich um Gesang 8, 416-423.

dabei sollen auf 3 Seiten folgende Kriterien untersicht werden:

Textsyntax: Durch welche sprachlichen Mittel entsteht ein Text (Auffälligkeiten im Bereich der Satzverbindung; Neigung zu Hypo-oder Parataxen...)?-
Satzsyntax (eigentliche Syntax): Beschreibung derjenigen Phänomene, die den Aufbau der einzelnen Sätze ausmachen, insbesondere Nominalsyntax (Kasusgebrauch), Verbalsyntax (Modus, Tempus usw.), Syntax des untergeordneten Satzes.
-Morphologie: Welche Wortformen und -bildungsweisen werden gebraucht?
-Phonologie: Bemerkungen zur Lautlehre-Lexik: Wortwahl, Lehn-und Fremdwörter, lexikalisches Register (prosaisch, poetisch, umgangssprachlich, fachsprachlich usw.), Archaismen


Hat jemand ein gutes Beispiel anhand anderer Textstellen, vorzugsweise Vergil, um exemplarisch zu sehen, was wir genau machen müssen??
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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon marcus03 » So 3. Jan 2021, 12:49

Wo genau liegt dein Problem?
Die Aufgabenstellung ist m.E. recht klar.

insula Sicanium iuxta latus Aeoliamque
erigitur Liparen fumantibus ardua saxis,

quam subter specus et Cyclopum exesa caminis
antra Aetnaea tonant, validique incudibus ictus
auditi referunt gemitus, striduntque cavernis
stricturae Chalybum et fornacibus ignis anhelat,
Volcani domus et Volcania nomine tellus.
hoc tunc ignipotens caelo descendit ab alto.

quam subter = subter quam
unterstrichen: HS
blau: Subjekt(e)
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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon Sinatra » So 3. Jan 2021, 12:55

Vielen Dank für die schnelle Antwort, also es muß ja nicht auf Schulniveau behandelt werden sondern wissenschaftlich:
Chalybum ist z. B eine Metonomie und die Wortwahl ( Feuer, Donner geschmolzenes Eisen, also eher negative konnotierte Natuerscheinungen) und Aliterationen und Hyperbata sind ja schon einfach zu finden, ich weiß halt nicht was man 3 Seiten darüber schreiben soll. Zur Metrik liesse sich sicher noch was sagen.
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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon marcus03 » So 3. Jan 2021, 13:01

Schreibe alles zusammen, was dir einfällt und auffällt (mindmap) und beginne dann zu strukturieren.
So würde ich vorgehen.
Eine möglichst wörtliche ÜS könnte helfen.
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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon Willimox » So 3. Jan 2021, 22:34

Salute, Sinatra

insula Sicanium iuxta latus Aeoliamque
erigitur Liparen fumantibus ardua saxis,
quam subter specus et Cyclopum exesa caminis
antra Aetnaea tonant, validique incudibus ictus
auditi referunt gemitus, striduntque cavernis
stricturae Chalybum et fornacibus ignis anhelat,
Volcani domus et Volcania nomine tellus.
hoc tunc Ignipotens caelo descendit ab alto.

In der Erzähltechnik dieses Abschnittes findet sich eine Art geographischer Supervision, ein Überblick, dann ein Zoom, in dem visuelle und akustische Details präsentiert werden: Insel, Höhle, Cyclopenwerkstatt .... Die Kulisse wird aufgebaut, damit dann das Ziel des feuermächtigen Gottes. Ein geogüraphisch-mythographisches Setting.

Dieser Kameraführung zugeordnet sind nun Mikroelemente wie die phonologischen Assonanzen, etwa das a und das u oder der Diphtong ae, das Tempusrelief mit dem überzeitlichen Präsens samt dem durativen Element in erigitur, tonant, anhelat... und das Agens-Perfekt oder das Agens-Präsens in "descendit". Durch das "tunc" aber iin die Vergangenheit und in die Ereignisfolge, die plotpoints, eingebaut, so dass nun nach dem "descendit" die singuläre Aktion des Waffenschmiedens in Nahaufnahme beginnen kann und damit die "eigentliche" Erzählung jenseits und nach der Beschreibung:
Vulkan in seinem Aktionsfeld. Die Landnahme des Aeneas als menschliches und übermenschliche Handlungsfeld. Soweit Ansätze einer⅞ Grobskizze....

Für Mikroanalysen deiner Aufgabenstellung - man mag sich über ihren Wert streiten - scheint mir Roman Jakobson (Poesie der Grammatik und Grammatik der Poesie, de Gruyter Berlin 2007, Bd 2) ein formidabler Zugang zu sein, da J. exhaustiv und auch ein wenig abschreckend Textanalysen bietet, die sich in ihrer Methodik und ihrem Vokabular recht gut auf poetische Texte etwa von Vergil applizieren lassen. In der klassischen Philologie gibt es gewiss auch entsprechende Mikroanalysen. Aber ....

Man vergleiche etwa Jakobsons Analyse von Brechts "Wir sind sie" im genannten Band.

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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon Sinatra » Mo 4. Jan 2021, 09:17

Vielen Dank lieber Willimox!

Ich glaube so kriege ich die 3 Seiten irgendwie gefüllt, vielleicht kann man noch etwas zum Metrum sagen und sicher kann man über den Sinn streiten, ich muß als Lehrer den SuS die Unterschiede zwischen a- und o- Deklinationen vermitteln, das kriegen viele schon nicht hin....
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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon marcus03 » Mo 4. Jan 2021, 09:24

Mit diesem Programm kannst Verse überprüfen:

ī́nsŭlă Sī́cănĭū́m iūxtā́ lătŭs Ǣ́ŏlĭā́mque

ḗrĭgĭtū́r Lĭpărḗn fūmā́ntĭbŭs ā́rdŭă sā́xis,

quā́m sūbtḗr spĕcŭs ḗt Cȳclṓpum‿ēxḗsă cămī́nis

ā́ntra‿Ǣtnǣ́ă tŏnā́nt, vălĭdī́que‿īncū́dĭbŭs ī́ctus

ā́udītī́ rĕfĕrū́nt gĕmĭtū́s, strīdū́ntquĕ căvḗrnis

strī́ctūrǣ́ Chăly̆bum‿ḗt fōrnā́cĭbŭs ī́gnĭs ănhḗlat,

Vṓlcānī́ dŏmŭs ḗt Vōlcā́nĭă nṓmĭnĕ tḗllus.

hṓc tūnc Ī́gnĭpŏtḗns cǣlṓ dēscḗndĭt ăb ā́lto.

http://www.pedecerto.eu/public/scansioni/query
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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon Willimox » Mo 4. Jan 2021, 09:26

Salute, Sinatra

Was ist das für ein Seminar?

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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon Sinatra » Mo 4. Jan 2021, 10:44

Hallo, Proseminar Poesie Vergil, 8.Buch
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Re: Sprachliche Analyse eines Vergil Textabschnittes

Beitragvon Willimox » Mo 4. Jan 2021, 12:19

P.S.
Es ist natürlich richtig, dass man als Lateinlehrer nicht das Spezial Mikroanalyse dem Schüler beibringen muss. Delination und Konjugation fressen schon genug Energie auf. :

Aber ein guter Dozent mit didaktischer Kompetenz hat die Aufgabe und die Möglichkeit, die Mikroanalyse zu trainieren.

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