Deklinationsklassen

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Beitragvon Apollonios » Mo 9. Apr 2007, 08:24

Darauf ein überzeugtes Jein!
Zunächst mal kann mir eine Grammatik anhand der Endungen erklären, ob der Hund den Mann beißt oder umgekehrt. Regeln kennen ist wichtig zum Übersetzen - und zum Verstehen, Sprechen und Schreiben einer Sprache. Regeln der Grammatik sind, wie ich meine, Konventionen der Verständigung. Wie alle Konventionen ändern sie sich - so ist das Dativ-e und das Akkusativ-n im Deutschen nicht mehr üblich, und in absehbarer Zeit wird der Genitiv vollständig durch die Präposition "von" ersetzt sein.
Wahr ist, daß man Grammatik nicht als Korsett mißbrauchen sollte. Im Deutschen gelten z.B. viele regionale Besonderheiten der Grammatik als "falsch"; dabei sind sie nur eben kein Hochdeutsch. "Laß mir mal machen" ist schlechtes Hochdeutsch, aber ausgezeichnetes Berlinerisch.
Schließlich ist die Grammatik nicht wirklich eine Regelung der Sprache, sondern eine Erklärung der Sprache. Es gab die einzelnen Fälle und Konjugationsarten lange bevor es Grammatikbücher gab, die den sprachlichen Konventionen Namen gaben.
וָאֹמַר מִי־יִתֶּן־לִּי אֵבֶר כַּיּוֹנָה אָעוּפָה וְאֶשְׁכֹּנָה ׃
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Beitragvon Cellus » Mo 9. Apr 2007, 09:51

Tiberis hat geschrieben:die regel bezieht sich nur auf jene wörter, bei denen sowohl der stamm auf 2 kons. endet als auch ein nominativ-s vorhanden ist.
z.b. urbs, urbis
arx, arcis (x = cs);
usw.


Tatsächlich. :) Die Sache mit dem s war mir neu. Das steht auch nicht mal - jedenfalls nicht leicht auffindbar :? - im Rubenbauer/Hofmann. In meiner Schulgrammatik ("Orbis Romanus") werden pater, mater etc. zusammen mit canis, sedes, iuvenis als Ausnahmen mit dem Merkwort (Familie) aufgeführt.

zur Grammatik:

Hier macht es aber gewiss schon einen Unterschied, ob es sich um eine Fremd- oder Muttersprache handelt. Bei erster wird man durch das "Bauchgefühl" diszipliniert, bei letzterer wohl nur duch die Analyse, was die Kenntnis grammatischer Normen notwendig macht. Im Englischen bin ich zwar schon soweit, dass ich die eine oder andere grammatische Entgleisung sofort heraushöre; im Lateinischen aber kaum. ("Romanes eunt domus" klingt nicht viel falscher als "Romani eunt domum".)
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Beitragvon Tiberis » Mo 9. Apr 2007, 13:09

ich bin - trotz meiner etwas provokanten formulierung von gestern - keineswegs für die abschaffung der grammatik :D , ABER auch hier gilt: dosis sola venenum facit . genauso wie ein übermaß an gesetzen und vorschriften den menschen eher schadet als nützt, kann auch eine quasi zum selbstzweck gewordene grammatik dem sprachverständnis hinderlich werden, was letztlich dazu führt, dass der lernende die sprache primär als grammatisches konstrukt kennen lernt, als einen synthetischen mechanismus, der bis ins kleinste detail "logischen" , weil von beflissenen sprachkonservierern gleichsam in erz gegossenen , gesetzen GEHORCHT und nach einem unübersehbaren regelwerk von paragraphen FUNKTIONIERT. dieses sprachsezierertum wurde und wird leider gerade bei der lateinischen sprache auf die spitze getrieben, sodass man sich nicht wundern braucht, wenn gerade lateinlehrer oft die übelsten pedanten und grammatischen paragraphenreiter sind und bei den schülern die angst vor einem regelverstoß die entwicklung des sprachgefühls und den unbefangenen aktiven gebrauch des lateinischen nachhaltig behindert.
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Beitragvon Simme » Mo 9. Apr 2007, 13:24

Das sehe ich eigentlich auch wie Tiberis. Ich meine, dass in manchen Situationen das Sprachverständnis SOGAR wichtiger sein könnte als die Grammatik. Man übersetzt ja schließlich ins Deutsche. Gute Übersetzungen für Ovid habe ich im Reclam gefunden. So ist es zb besser zu sagen. Er lässt die Mordlust an den Schaftsherden aus als er gebraucht die Mordlust gegen die Schafsherden. Oder: ich wollte ertragen zu können. Da sagt man auch besser. Ich wollte ich könnte es ertragen. obwohl der Satz heißt Posse pati volui. Trotzdem halte ich die Forderung des Lehrers für gerechtfertigt erst mal streng auf die Grammatik und dann auf gute Übersetzung zu achten.
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Beitragvon consus » Mo 9. Apr 2007, 13:30

dieses sprachsezierertum wurde und wird leider gerade bei der lateinischen sprache auf die spitze getrieben, sodass man sich nicht wundern braucht, wenn gerade lateinlehrer oft die übelsten pedanten und grammatischen paragraphenreiter sind und bei den schülern die angst vor einem regelverstoß die entwicklung des sprachgefühls und den unbefangenen aktiven gebrauch des lateinischen nachhaltig behindert.

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Beitragvon barbara » Mo 9. Apr 2007, 22:08

also ich persönlich finde grammatik zu allerest einmal verdammt nützlich und vorallem sehr, sehr interessant.
aber ja, von "abschaffung" redet ja niemand...gg

ansonsten gebe ich dir ganz recht, tiberis. selbst wenn man die grammatik einer sprache perfekt beherrscht, kann man sich oft trotzdem nicht in dieser sprache verständigen. entweder, weil man zu wenig übung im sprechen, schreiben etc. hat, oder aber auch, und das ist mit sicherheit ein bedeutender punkt, weil einem schlichtweg das gefühl dafür fehlt. man kann sich natürlich viel erlernen, aber irgendwann helfen einem grammatik und regel auch nicht mehr weiter....
abgesehen davon, kennt wahrscheinlich jeder das problem von irgendwelchen auszufüllenden lückentexten "sobald man zu denken anfängt, ist es mit sicherheit falsch"....

zu latein lässt sich hierzu noch sagen, dass es insgesamt schon eine sehr strukturierte sprache ist. man kann hier sicherlich mehr durch stures büffeln erreichen, als zb. in französisch...
allerdings hat das sicher nicht zuletzt den grund, dass man es in der schule eben hauptsächlich "passiv" behandelt, aber nichts selbst fabrizieren muss...

:)
lg
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