Ringvers auf Latein - Meine Version

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Beitragvon consus » Mo 25. Jun 2007, 20:17

Servus, Barbara!
Ohe....
Ganz kurz mit ausdrücklichem Hinweis aus Plebeius’ Anmerkung noch etwas zum Gerundium bzw. Gerundivum nach der Präposition ad.
Man unterscheide
(a) liberare ohne Akk.-Obj. > paratus ad liberandum (Gerundium);

(b) liberare mit Akk.-Obj.:
patriam liberare > paratus ad patriam liberandam (Gerundivum).

HIER, also im Fall (b), muss das Gerundivum verwendet werden (es ist also NICHT üblich, paratus ad patriam liberandum - Gerundium mit Akk.-Obj. - zu sagen, wenn man den klassischen Sprachgebrauch zu Grunde legt).

Nicht vertretbar ist daher im Ringvers (von anderem abgesehen)
ad mittendum ... omnes ... (Gerundium mit Akk.-Obj.),
der Übersetzer hätte HIER formulieren müssen:
ad mittendos ... omnes (Gerundivum).

Liste (weiterer) Besonderheiten
(nach Menge § 517; Achtung! Hier Druckfehler im Menge [2000]: 4. und 5. Spalte auf S. 745f. falsch beschriftet: statt Gerundium müsste dort Gerundivum stehen):
(c) id (omnia) facere > cupiditas id (omnia) faciendi (Gerundium bei neutr. Pronomen oder neutr. Adj. notwendig);
(d) arma capere >
(α) occasio armorum capiendorum (Gerundivum, klingt nicht schön), daher häufiger
(β) occasio arma capiendi (Gerundium + Akk.Obj.);
(e) beim präpositionslosen Abl. und Genetiv Singular ist Gerundivum häufiger als das Gerundium:
criminibus inferendis häufiger als crimina inferendo;
consilium relinquendae Italiae; ars libri scribendi, aber auch ars librum scribendi.
(f) Gerundivum notwendig:
(α) nach Präpositionen: ad bella suscipienda [s.o. (b)];
(β) im Dativ: Vestae colendae praeesse;
(γ) in juristischen Formeln: lex pecuniarum repetundarum.

Sieht alles ein bisschen kompliziert aus, sed rem a te intellectum iri mihi persuasum est.

Iubeo te optime valere.
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Beitragvon barbara » Mi 27. Jun 2007, 14:58

salve, conse.
habe mir das gerade zu gemüte geführt und nehme es dankend zur kenntnis.
meine unterlagen werden diesbezügl. also ausgebessert bzw. um ein stück erweitert.

:)
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Matthaeus » Di 2. Feb 2021, 19:24

Hallo zusammen!
Ich greife diesen Thread einfach mal wieder auf (der Herr der Ringe ist ja schließlich zeitlos... :wink: )
Ich habe immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, das berühmte Ringgedicht im lateinischen Hexameter wiederzugeben, weil das epische Versmaß m.E. gut zum Charakter des Ringgedichts bzw. der Erzählung überhaupt passt. Jobbedingt komme ich aber nicht regelmäßig zum Übersetzen.
Ich gehe vom englischen Original aus. Der erste Vers lautet:

Three Rings for the Elven-kings under the sky, eqs.

Hier mein Vorschlag mit ein paar Anmerkungen:

Anuli erant olim fabricati regibus Alfum
Tres (genus hoc vitam sub caelo degit in aevum) oder: Tres (genus aeternum hoc sub caelo vivit in aevum)


anuli erant: Die Synaloephe ist in dieser Vokalkombination nicht gerade "schön", aber der Nom. Pl. von anulus sträubt sich (zumindest für meine bescheidenen Dichtungsfertigkeiten) natürlich gegen das daktylische Versmaß.
Alfus: der Elb; Alfum hier Gen. Pl.
Tres: als Enjambement an den Anfang der Folgeverses gestellt, um die Anzahl der Ringe an betonter Stelle wiederzugeben und die Form des Rings nachzuahmen.
genus hoc: gemeint ist das Geschlecht der Elben.

Fragen:
1. sub caelo: Tolkien drückt mit under the sky den Gegensatz zu den steinigen Hallen der Zwerge (Original Vers 2) aus. Ist der Ausdruck sub caelo hier passend? Scheint mir zumindest so. Etwas wie in aperto wäre, wenn ich die Lexikoneinträge richtig deute, eher auf eine offene, weite Fläche bezogen (aber eben flach).

2. Welche der beiden Varianten von Vers 2 würdet ihr bevorzugen? Die zweite scheint mir mit in aeternum aevum zu pleonastisch. Wobei sich bei Ovid (medicamina faciei 49) die Junktur in longum aevum findet.

Für konstruktive Kritik wäre ich euch dankbar. coeptis adspirate meis :wink:
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Tiberis » Di 2. Feb 2021, 22:36

salve Matthaee,

kein leichtes Vorhaben, das du dir da zutraust! Aber immerhin, die ersten zwei Verse hast du geschafft.
Zu deinen Fragen: wenn "under the sky" hier soviel bedeutet wie "unter freiem Himmel", würde ich es mit "sub divo" übersetzen, was übrigens genauso gut ins Metrum passt.
Und für den zweiten Vers bitte unbedingt Variante 1 !!
Übrigens: Sollte man "Elfen" im Lateinischen nicht eher Albi (-orum) nennen? Alfi klingt in meinen Ohren sehr unlateinisch...
Auch mit dem "fabricati regibus" habe ich ein gewisses Problem, da man regibus auch als dat.auct. auffassen könnte.
Weiters frage ich mich, ob der Hexameter hier wirklich das passende Versmaß ist.
Man könnte es vielleicht eher mit dem jamb. Trimeter versuchen , z.B.
tres anuli sunt regibus , qui Albos regunt,,
noch besser gefiele mir vom Rhythmus her für dieses Gedicht der Asklepiadeus minor (wie in Horaz c.1,1), aber ich habe momentan weder zeit noch Lust, auch dazu einen Vorschlag zu machen.

jedenfalls viel Erfolg beim Verse-Basteln :D
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Matthaeus » Mi 3. Feb 2021, 10:23

Salve Tiberis!

Ganz herzlichen Dank schon einmal für deine Rückmeldung!
sub divo hatte ich tatsächlich zuerst favorisiert, dann aber doch verworfen, weil ich die Ursprungsbedeutung des/unseres "Göttlichen" nicht in die Tolkien-Welt einbringen wollte :wink: Aber poetisch ist er natürlich viel schöner, werde ich also noch unterbringen.

Die Elben hatte ich vorher auch recherchiert und bin dann (über eine annotatio in der vicipaedia Latina) auf diese Quelle gestoßen: https://books.google.de/books?id=FnQTAA ... um&f=false
Manche Tolkien-Übersetzer haben anscheinend auch Dryades (Waldnymphen) verwendet. Ich frage mich aber, ob man diese mythologisch unterschiedlichen Begriffe gegeneinander austauschen kann.

Am Hexameter werde ich mich zunächst mal weiter versuchen. Einen jamb. Trimeter habe ich noch nie geschrieben, kommt irgendwann bestimmt auch einmal :D

PS: Der Einwand mit dem dat. auct. ist nachvollziehbar. Werde versuchen, etwas eindeutigeres zu formulieren.
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Matthaeus » Sa 6. Feb 2021, 18:18

Habe den ersten etwas verändert und dann die nächsten zwei Verse geschrieben:

Anuli erant olim donati regibus Alfum
Tres (genus hoc vitam sub divo degit in aevum),
principibus septem legulis auri Nanorum
(nulla mora est fodiuntque specus tunduntque metalla).


V. 1: Das Partizip donatisollte eigentlich verständlich machen, dass es sich bei den regibusum ein Dativobjekt handelt.
V. 3: Der versus spondiacus ist dem (griech.) Eigennamen geschuldet. Die Alternative pumilionum wollte ich wegen der Fünfsilbigkeit im 5. und 6. Fuß vermeiden.
Vielleicht lässt sich aber auch der spondiacus vermeiden, sodass im 6. Fuß nur Nanum stünde? Für Vorschläge und Anmerkungen, wie immer, offen!
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Tiberis » So 7. Feb 2021, 00:22

Matthaeus hat geschrieben:principibus septem legulis auri Nanorum


diesen Vers würde ich so nicht stehen lassen ( 3 Spondeen am Versende; keine Übereinstimmung von Vers- und Wortakzent im 5. Metrum).
Ein Vorschlag : Vermeide einfach den Genetiv nanorum bzw. pumilionum durch einen Relativsatz, z.B.:
septem sunt dominis, nanos qui .... coercent
statt "sunt dominis" geht natürlich genauso gut "principibus" . Was im 5. Metrum zu ergänzen ist, musst du selbst herausfinden, es sollte aber nicht schwer sein, ein passendes zweisilbiges trochäisches Wort zu finden.
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Zythophilus » So 7. Feb 2021, 00:49

Bei der Übertragung von Versen darf man nicht zu sklavisch am Original hängen. Wenn man es schafft, die Versanzahl gleich zu belassen, heißt das noch nicht, dass die Abfolge der Gedanken ganz gleich sein muss. Unübliche Elisionen lassen sich nicht immer vermeiden, doch bei anulus bietet sich m.E. triplex als Adj. an, womit man den Nom.Sg. hat. Um Verse zu erhalten, gilt es den Sinn neu in lateinischen Versen zu formulieren, also nicht Wort zu Wort zu übersetzen und dann daraus Verse zu basteln.
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Matthaeus » So 7. Feb 2021, 10:34

Vielen Dank, Tiberis und Zythophile, für die wertvolle und konstruktive Kritik! Ich finde es klasse, wenn man von den Profis hier so viel lernen kann :)

Übrigens: Habt ihr eine Metrik, die ihr empfehlen könnt? (wahrscheinlich ja... 8) )
Im Studium habe ich irgendwann mal die von Zgoll durchgelesen, weil die da gerade herauskam. Habe aber mal gehört, es soll bessere geben. Zu Hause habe ich die Grundzüge der römischen Metrik von Herbert Holtorf. Aber das sind wirklich eher Grundzüge.

Hat jemand Erfahrung mit Krebs' Praktischer Metrik der lateinischen Sprache? Habe nur in google Books nur mal durchgeblättert, ist ja eine Art Übungsbuch.

Beste Grüße!
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Zythophilus » So 7. Feb 2021, 12:06

Ich hatte eine digitalisierte Version eines ca. 100 Jahre alten englischen Büchleins, das etwa "How to write Latin Poetry" hieß, aber ich finde es nicht mehr; das beinhaltete auch Übungen.
Eine brauchbare Zusammenfassung, die auch praktische Tipps bietet hier https://www.reddit.com/r/latin/comments ... on_advice/
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Tiberis » So 7. Feb 2021, 13:30

ad Matthaeum:

uneingeschränkt empfehlenswert und sozusagen ein "Standardwerk" in Bezug auf die lateinische Metrik (auch wenn es nur ein kleines Büchlein ist) :
Friedrich Crusius: Römische Metrik. München Hueber 1967
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Matthaeus » So 7. Feb 2021, 16:18

Vielen Dank euch beiden! :klatsch:
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon Willimox » So 7. Feb 2021, 20:45

In Ergänzung zu Tiberis und Zythophilus:

Do-It-Yourself: How To Write Latin Verse
Harry C. Schnur
The Classical Journal, 52 (1957), 353-357

Poetical Latin Dictionaries

Gradus ad Parnassum, ou nouveau dictionnaire poétique Latin-Français ed. F. Noël, Paris.
Several editions in the 19th and beginning of the 20th century.
Thesaurus poeticus linguae Latinae, in quo universa vocabula a poetis Latinis usurpata ed. L. Quicherat, Paris. Several editions in the 19th century.

Pedagogical Materials for Latin Poetry Composition

Charles Anthon, A System of Latin Versification in a Series of Progressive Exercises, Including Specimens of Translation from English and German into Latin Verse for the Use of Schools and Colleges. New York: Harper and Brothers, ca. 1845.
H.Lee-Warner, Hints and Helps for Latin Elegiacs. Oxford: Clarendon Press, 1885.
J.H. Lupton, An Introduction to Latin Elegiac Verse Composition. London: Macmillan and Co., 1888
James Tate, Richmond Rules to Form the Ovidian Distich with Some Hints on the Transition to the Virgilian Hexameter. London: Bell and Daldy, 1861.

https://www.suberic.net/~marc/schnur.html
"alis nil gravius" (Nycticorax)
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Re: Ringvers auf Latein - Meine Version

Beitragvon consus » Mo 8. Feb 2021, 12:54

Willimox hat geschrieben:...
Pedagogical Materials for Latin Poetry Composition
Charles Anthon, A System of Latin Versification in a Series of Progressive Exercises, Including Specimens of Translation from English and German into Latin Verse for the Use of Schools and Colleges. New York: Harper and Brothers, ca. 1845.
H.Lee-Warner, Hints and Helps for Latin Elegiacs. Oxford: Clarendon Press, 1885.
J.H. Lupton, An Introduction to Latin Elegiac Verse Composition. London: Macmillan and Co., 1888
James Tate, Richmond Rules to Form the Ovidian Distich with Some Hints on the Transition to the Virgilian Hexameter. London: Bell and Daldy, 1861.
https://www.suberic.net/~marc/schnur.html

Quattuor illa opuscula, amici doctissimi, a William Brad Walton (Universitas Torontonensis, https://onesearch.library.utoronto.ca/library-staff/14252/william-brad-walton) multiplicata sunt. Quibus Walton addidit
W.H.D Roouse, Demonstrations in Latin Eligiac Verse, Oxford 1899, et
S. E. Winbolt, Latin Hexameter Verse: An Aid to Composition, London 1903.
Sex haec opuscula diligenter multiplicata inque unum volumen redacta veneunt. Ipse abhinc plurimos annos W. Brad Walton oravi ut illud mihi mitteret volumen.
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