Bestimmung von "quam"

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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon ille ego qui » Mo 1. Sep 2014, 10:03

eindeutigen adverbstatus hätte "quam" m.E. nur in Sätzen wie diesen evtl. etwas fragwürdigen:

quam gaudeo (vgl. multum/valde/nihil/maxime//semper//hodie ... gaudeo)
tam gaudeo, quam tu

in einem etwas weiteren Sinne modifizieren Adverbien auch Adjektive:

tam bonus sum, quam (bonus) tu (es)

die Einstufung als Adverb fällt mir hingegen schwer bei einem nur geringfügig veränderten Satz wie:

melior sum quam, quam tu (*bonus) (es)
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon ille ego qui » Mo 1. Sep 2014, 10:27

ein Pronominaladverb sind in der germanistischen Syntax:
- hiermit/damit, hiervon/davon, hiermit/damit, hierüber/darüber
gebildet immer: hier/da(r)+präp., sie können eintreten für 'präp. + subst.'

inwiefern "quam" mit Pronomina (die ja eintreten können für Adjektive und Substantiva, also für alle Nomina im älteren Sinne des Wortes) etwas zu tun haben soll, verstehe ich auch nicht ;-)
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon Prudentius » Mo 1. Sep 2014, 10:49

Ist "quam" (hier) damit Konjunktion oder (Pronominal-)Adverb oder beides? Was zeichnet im Lateinischen ein Pronominaladverb aus?


Die Einteilung der Wortarten ist keine "Parkettierung" (so sagen es Mathematiker); beim Parkett gibt es nämlich keine Lücken und keine Überlappungen; aber diese Wortarteneinteilungen überlappen sich vielfach, man denke nur, dass es bei den Pronomina Adjektive und Substantive gibt, dass Verben nominale Formen bilden. Es lohnt sich also nicht, sich den Kopf zu zerbrechen, um ein sauberes Entweder - Oder zu finden.

Im Hintergrund dieser Fragen stehen allerdings beachtliche Problembereiche - ich komme schon wieder bei der Logik an :-D , die Moderne Logik setzte gerade bei solchen Fragen nach dem Status von gewissen Wortarten an; traditionell dachte man ja, dass Wörter Begriffe bezeichnen, man merkte nun, dass manche Wörter stattdessen Funktionen bezeichnen, es kam der Terminus Funktionswort auf (die Konjunktionen gehören hierher, wie schon gesagt).
Für uns digital Eingeweihte kann man so sagen: man entdeckte den Unterschied zwischen Dateien und Befehlen; die Funktionswörter sind die Befehle.
Die Zahl der Funktionswörter ist sehr viel größer als wir uns bewusst sind: das bedeutendste davon ist das non / nicht, es geht in der Grammatik ganz unter; zu welcher Wortart gehört es?
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon Laptop » Mi 3. Sep 2014, 19:35

Ich denke schon, daß es eine “Parkettierung” gibt, nur haben verschiedene Grammatiker verschiedenes Parkett verlegt :-) Klassisch werden Wörter wie “non” zu den Partikeln gerechnet, einer Art Restmenge, ein Sammelsurium, das man nicht genau bestimmen kann. Ich würde es auch lieber “Funktionswörter” nennen, aber dann würde ich schon wieder ein neues Parkett verlegen.
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon marcus03 » Mi 3. Sep 2014, 19:39

Laptop hat geschrieben:aber dann würde ich schon wieder ein neues Parkett verlegen.


Ein Parkett mit Rutschgefahr ? ;-)
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon Laptop » Mi 3. Sep 2014, 19:59

Naja, sagen wir einfach “Restmenge”, das ist vielleicht am ehrlichsten :-)
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon Prudentius » Do 4. Sep 2014, 09:43

Klassisch werden Wörter wie “non” zu den Partikeln gerechnet, einer Art Restmenge, ein Sammelsurium, das man nicht genau bestimmen kann.


Lieber Laptop, das finde ich sehr enttäuschend! Meinst du nicht, dass man die Rolle von non in diesen Sätzen haargenau bestimmen kann?

(a) Antonius hostis populi Romani est,
(b) Antonius hostis populi R. non est.

(a) ist eine Wahrheitsbehauptung, der in (b) eine diametral entgegengesetzte Wahrheitsbehauptung gegenübersteht. :hammer:

Also so was an Klarheit kann doch überhaupt nicht überboten werden: dieses non ist ein ON/Off-Schalter der Wahrheit von Aussagen, darauf basiert doch der 0/1-Dualismus des digitalen Paradieses, in dem wir uns tummeln dürfen :-D .

Non ist ein Funktionswort. Es ist ähnlich dem "esse", bei dem ja selbst die Grammatik die Bezeichnung "copula" gebraucht, es hat die Funktion der Bindung von Subjekt und Prädikat.

Ihr seht also, so lustig ist unsere Grammatikdiskussion,

lgr. P. :)
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon ille ego qui » Do 4. Sep 2014, 12:05

hier eine kleine übersicht über die unflektierbaren wortarten, wie ich sie dieser Tage examinis causa gelernt habe (van der Elst / Habermann: Syntaktische Analyse, Erlangen u. Jena 1997), gültig zunächst mal für das Deutsche. Eine Parkettierung, mit der man zumindest schon mal recht weit kommt ;)
6
unflektierbar

mit satgliedwert (kann im Verbzweitsatz alleine vor dem Finitum stehen):
=> nicht satzmodifizierend: adverb (lange, schon)
=> satzmodifizierend: modalwort (glücklicherweise, hoffentlich)
(Modalwörter teilweise als Untergruppe zu den adverbien)

ohne satzgliedwert:
=> syntaktische realitionen realisierend
* mit Kaususforderung: Präpositon
* ohne Kasusforderung: Konjunktion
=> nicht syntaktische Relationen realisierend: Partikel

Partikeln:
- Modalpartikeln (Einstellung des Sprechers und Modifkation des Geltungsgrades): "das ist eben so"
(semantisch verwandt mit den Modalwörtern)
- Gradpartikeln (Grad der Eigenschaft eines Bezugswort): "ziemlich gut"
- Fokuspartikeln (Hervorhebung eines Bezugswort): "nur / sogar er"


Anm.:
- Negationswörter können verschiedenen Wortarten zugehören: "keineswegs" ist ein Adverb, "kein" ist ein Pronomen, "nicht" ist eine Partikel (wobei "nicht" Satz- oder Sondernegation sein kann)
- zu den Adverbien gehören unter anderem die "Konjunktionaladverbien", die zwar syntaktisch Satzgliedstatus haben, aber wie Konjunktionen eine Verbindung zwischen Sätzen/Satzgliedteilen darstellen (deshalb, trotzdem)


bene valete :-)
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon Prudentius » Fr 5. Sep 2014, 19:17

Negationswörter können verschiedenen Wortarten zugehören


Ihr bleibt bei der ganzen Diskussion bei bloßen Schubladenfragen stehen: "Welches Etikett bekommt quam?", ihr kommt gar nicht bei der Grammatik an; es geht zunächst nicht um Negationswörter, sondern um Negation! Was ist das? Wenn wir den Satz "Antonius hostis est" negieren, dann heißt das, dass wir ihn einem Bearbeitungsprozess, oder einer Prozedur, oder operation unterziehen; der Vorgang heißt: "Wechsel der Wahrheit einer Aussage"; und das wird durch das Wörtchen "non" ausgedrückt; ich habe letztes Mal den Vergleich mit einem Befehl in der Elektronik gezogen; also so etwas wie "Datei kopieren".
Wörter, die solche Bearbeitungsvorgänge bezeichnen, kann man "Funktionswörter" nennen, das hat was für sich; man muss es ja nicht generell gebrauchen, aber man sollte es im Hinterkopf behalten.
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Re: Bestimmung von "quam"

Beitragvon ille ego qui » Fr 5. Sep 2014, 20:21

salve Prudenti,

es gibt nun einmal verschiedene herangehensweisen bei der der Wortartenklassifikation: semantische, morphologische und syntaktische. Wörter, die syntaktisch analoges verhalten zeigen, können sich bisweilen formal gerade verschieden verhalten - und umgekehrt. keine dieser betrachtungsweisen ist irgendwie "näher an der grammatik" oder gar von vorherein den anderen überlegen, wie du zu meinen scheinst - es sind schlichtweg unterschiedliche seiten und ebenen des phänomens "sprache". dass es zunächst "darum geht, was Negation ist", muss nicht stimmen: man kann beginnen bei formalem verhalten, man kann beginnen bei logisch-semantischen gesichtspunkten.
"nicht" - als Satznegation! - lässt sich im deutschen semantisch wohl mit verschiedenen den geltungsgrad des satzes negierenden Adverbien in verbindung bringen (s.o.: "Modalwörter"), etwa "weitgehend" - natürlich würde es auch hier eine semantische Sonderposition einnehmen -, syntaktisch hingegen verhält es sich gerade nicht wie ein prototypisches adverb (die vorfeldposition von "nicht" ist überaus selten und stark markiert: "??Nicht habe ich dir gesagt, dass ...").
übrigens steht - aber das nur nebenbei - wohl nicht zwingend a priori fest, dass abstrakten kategorien, die es in logik und philosophie gibt und die sich jeweils u.U. mit einer bestimmten menge sprachlicher ausdrücke in verbindung bringen lassen mögen, jeweils auch eine gemeinsame sprachkonzeptionelle struktur aufseiten dieser ausdrücke entsprechen muss (von gemeinsamem formalen verhalten nun mal ganz abgesehen).

vale! :-)
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