Psalm 32,5

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Psalm 32,5

Beitragvon sinemetu » So 17. Mai 2015, 08:32

misericordia Domini plena est terra.

Wieso steht hier misericordia nicht im Genitiv?

oder soll man so lesen:

diligit iustitiam et iudicium misericordia

Er erwählt Recht und Gerechtigkeit durch Erbarmen und voll ist die Erde des Herrn?
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon marcus03 » So 17. Mai 2015, 09:31

Plenus gibt es auch mit Abl.:

plēnus, a, um (v. pleo, vgl. griech. πίμπλημι, πλήρης, voll, I) eig.: A) im allg. (Ggstz. inanis), a) eig., m. Genet., auri, Plaut.: argenti, Cic.: vini, Cic. – m. Abl., plena domus ornamentis fanorum, Cic.: urbs omni bellico apparatu plena,
(Georges)
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon sinemetu » So 17. Mai 2015, 09:37

marcus03 hat geschrieben:Plenus gibt es auch mit Abl.:
m. Abl., plena domus ornamentis fanorum, Cic.: urbs omni bellico apparatu plena,
(Georges)


Ja, ich entsinne mich:

maxima domus servis est plena superbis

demzufolge kein Nominativ, sondern Ablativ - und wohin würdest Du es ziehen? Dann wäre "voll des Herrn" und "Gerechtigkeit durch Erbarmen" ja wohl auch möglich? Welche Gründe sprechen gegen diese Übersetzung?
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon Zythophilus » So 17. Mai 2015, 09:52

Bei einem Psalm, also einem Bibeltext, ist es sinnvoll, in Zweifelsfällen das Original heranzuziehen, im konkreten Fall ist wahrscheinlich die LXX die Grundlage der Übersetzung.
Andererseits macht hier der Sinn schon sehr deutlich, dass der Abl. misericordia von plena abhängt.
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon marcus03 » So 17. Mai 2015, 09:53

sinemetu hat geschrieben:Welche Gründe sprechen gegen diese Übersetzung?


Die Erde ist voll des Herrn: Das macht wenig Sinn, meine ich (außer für Pantheisten/Spinozisten ;-) ).

vgl:
http://www.bibleserver.com/text/EU/Psalm33

ἀγαπᾷ ἐλεημοσύνην καὶ κρίσιν τοῦ ἐλέους κυρίου πλήρης ἡ γῆ
Im Griechischen steht der Genitiv.

http://www.bibleserver.com/text/LXX/Psalmen32
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon sinemetu » So 17. Mai 2015, 10:07

Ja, LXX hilft weiter, obwohl ich meine Version noch fast besser, weil difficilior finde.

5 ἀγαπᾷ ἐλεημοσύνην καὶ κρίσιν,
τοῦ ἐλέους κυρίου πλήρης ἡ γῆ.


"diligit iustitiam et iudicium misericordia

Warum aber Hagio Girolamo ἐλεημοσύνη mit iustitia übersetzt hat?


Heute halten sich Mitleid und Erbarmen in Grenzen, während zu Kriegszeiten diese Werte zumindest verbal Hochkonjunktur haben.

Look: http://tinyurl.com/ol7ss6s
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon marcus03 » So 17. Mai 2015, 10:16

Vllt. hat er bei Gerechtigkeit vor allem an die soziale Gerechtigkeit gedacht,die in diesen Kontext ganz gut hineinpasst. Almosen (ἐλεημοσύνη) zu geben gehört ja in diesen Bereich.
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon marcus03 » So 17. Mai 2015, 10:18

PS:

Was drücken die Prozentwerte in der Graphik genau aus ? :?
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon sinemetu » So 17. Mai 2015, 10:21

marcus03 hat geschrieben:Vllt. hat er bei Gerechtigkeit vor allem an die soziale Gerechtigkeit gedacht,die in diesen Kontext ganz gut hineinpasst. Almosen (ἐλεημοσύνη) zu geben gehört ja in diesen Bereich.


Also, die Kombination "soziale Gerechtigkeit" halte ich, genau, wie den Gedanken, für jung, weil es keine unsoziale Gerechtigkeit gibt. Justitia umfasst alles. Kuck hier: http://tinyurl.com/ol5ek9h

Viele denken ja, wenn keiner klagt, ist alles okay. Dem scheint aber nicht zu so sein, denn sonst hätte es die Erweiterung soz. Ger. nicht gegeben. Man hat sie gebildet, weil man Gerechtigkeit nicht mehr verstand, oder glaubte, Gerichte und Richter sind es, die Gerechtigkeit herstellen, und merkte dann irgendwann, das allein reiche nicht. In Wirklichkeit ist das Schlagwort soziale Gerechtigkeit der Schutzschild, mit dem die Regierenden sich die Regierten vom Leibe halten. Aber, wir schweifen ab.
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon sinemetu » So 17. Mai 2015, 10:33

Die übrigens starken und ursprünglichen Worte sind ius und Recht. Gerechtigkeit und iustitia sind schon schwächere illegitime Ableitungen, Abstraktionen eben, von denen ich mir gar nicht erklären kann, wozu sie nötig sind, außer man schreibt einen Psalm, und ist an den Parallelismus membrorum gebunden, und muß zweimal dasselbe sagen. Echtes Laberwerk eben!
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon marcus03 » So 17. Mai 2015, 10:47

Im AT waren u.a. die Propheten die ersten Kämpfer für eine gewisse soziale Gerechtigkeit, haben sich deswegen auch mit der Obrigkeit angelegt (z.B. Jeremia) und waren der Überzeugung, damit auch und letztlich im Auftrag Gottes zu handeln.
Die Aufforderung zur Gabe von Almosen lässt sich wohl in allen Weltreligionen nachweisen und ist damit Ausdruck der Forderung einer "Mindesthumanität". Physisches Überleben zu ermöglichen ist mit die Basis aller Mitmenschlichkeit. Dass das nicht einfach ist, zeigt u.a. die momentane Flüchtlingsproblematik. :(
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon sinemetu » So 17. Mai 2015, 10:52

Ich hab ein Problem damit, Marcus ... ich habe es zu oft gehört. Es klingt mir alles, übrigens auch meine Version, zu modern, zu glatt, zu einfach. Die Antike ist weit weg!
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon marcus03 » So 17. Mai 2015, 10:58

sinemetu hat geschrieben:Er erwählt Recht und Gerechtigkeit


PS:
diligere = schätzen , lieben
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon Zythophilus » So 17. Mai 2015, 11:12

So abwegig ist diese Vorstellung nun auch wieder nicht, obwohl sie zu der konkreten Stelle nicht passt.
Als Beispiel kann Vergil dienen
Ecl. III 60 hat geschrieben:Ab Ioue principium Musae, Iouis omnia plena.
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Re: Psalm 32,5

Beitragvon sinemetu » So 17. Mai 2015, 11:16

Zythophilus hat geschrieben:Als Beispiel kann Vergil dienen
Ecl. III 60 hat geschrieben:Ab Ioue principium Musae, Iouis omnia plena.


Ob sich ius und iove angezogen haben? Das Recht als das Himmlische per se? Dichte nebeneinander parken sie jedenfalls.
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