Soliloquia des Augustinus, Anfang

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon Prudentius » Sa 27. Jun 2015, 16:08

Augustinus hat Cicero als Vorbild


nicht nur in der Redefülle, sondern auf einem wenig beachteten Gebiet, Augustinus hat mehrere Bekehrungen erlebt, die erste war wohl die zur Philosophie, zu der ihn Ciceros Erweckungsschrift "Hortensius" (nicht erhalten) brachte, es ist eine besondere literarische Gattung, Protreptikos, geht auf Aristoteles zurück, ebenfalls nicht erhalten. Die Philosophie hatte einen ganz anderen Stellenwert als wir sie kennen, wir brauchen nur an Ciceros Hymnus aus den Tuskulanen (5:5) zu denken: "O vitae philosophia dux..."; Cicero verkündete die platonisch-stoische Kosmos- und Logos-Frömmigkeit, der Mensch empfand sich hineingestellt in eine Welt von universaler Harmonie; eine gewisse Vorstellung davon können wir uns vllt. aus dem "Somnium Scipionis" machen, dem Anhang zu De re publica.

Es wird höchste Zeit, ein Unterforum mit dem Titel "Philologie und Logik" einzurichten.


Hallo Marce,
du bist ja sehr großzügig, dass du mir gleich ein ganzes Unterforum einräumen möchtest, vllt. komme ich auch mal dazu, Sätze zu atomisieren :-D , gut, warum sollten die Philologen nicht über die Logiker lachen, aber du weißt vllt. nicht, dass auch das umgekehrte gilt: die Logiker lachen über die Philologen, wenn sie sehen, wie sie sich in Unkenntnis logischer Sachverhalte in ihren Formulierungen drehen und winden müssen; aber man kann ja übereinander lachen.

Was du mit "totaler Logik" meinst, ist mir nicht klar; die Logik ist eine Art Service-Betrieb für Sprache; wenn die Waschmaschine qualmt oder stehenbleibt, ist die Telefonnummer nützlich.

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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon RM » Sa 27. Jun 2015, 18:54

Prudentius hat geschrieben:warum sollten die Philologen nicht über die Logiker lachen, aber du weißt vllt. nicht, dass auch das umgekehrte gilt: die Logiker lachen über die Philologen

Wer oder was bitte sind "Logiker"?
Ganz davon abgesehen: In der Sprache werden gewisse logische Kategorien gelegentlich verwendet, wenn man z. B. eindeutige Aussagen formulieren will. Was dabei herauskommt, kann man in juristischen oder mathematischen Texten beobachten. Man kann aber auch andere Dinge mit Sprache tun. Wenn wir jedoch Augustinus und evtl. Cicero als Menschen verstehen wollen, sollten wir eher einen Psychologen fragen.

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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon Prudentius » Mo 29. Jun 2015, 10:05

Wer oder was bitte sind "Logiker"?


Es ist interessanter, sich zu fragen, was "Logik" hier heißen soll; das führt zu weit, aber ein Vergleich: Logik ist für den Philologen das, was die Werkstatt für den Autofahrer ist. Wenn einer die Toskana mit dem Auto erkunden will, dann kann er Keilriemen und Vergaser weit von sich weisen; aber ihr wisst schon, es kommen Situationen... Lieber RM, so eine Situation haben wir hier, der Fragesteller hatte mit dem nescio Schwierigkeiten, die Grammatiker machten mühsame Anläufe, aber so recht überzeugt haben sie nicht. Da habe ich den "logischen Code" herangezogen, und hatte dann wenigstens die Lacher auf meiner Seite :-D .

Schade, dass Sprache sich der totalen Logik entzieht. :(


Hallo Marce,
hier ist das Verhältnis von Sprache und Logik nicht richtig gesehen: Die Logik untersucht ja nur die Form von Sprache, die Strukturen von sprachlichen Äußerungen, die Gesetze, nach denen sprachliche Gebilde funktionieren. Die Logik beachtet den Inhalt von Sätzen gar nicht: wie sollte sie dann "total" sein? Die Logik produziert "Metasätze", d.h. Sätze über Sätze, wie so etwas: "Sätze haben einen Wahrheitswert". :-D

Zu den Schönheiten der juristischen Sprache: lieber RM, wenn es einmal dabei um dein Geld geht, dann siehst du sie gleich positiv! :)

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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon RM » Mo 29. Jun 2015, 19:06

Soso, Du erklärst also mir, was "Logik" ist ... - natürlich im philologischen Sinne - :shock:
Leider ist das generell mit den Philologen so eine Sache. Wir hatten hier z. B. schon einmal eine Diskussion über die Fasti von Ovid, in dem Ovid die Konstellationen erklärt. Wenn man sich nie intensiver mit Astronomie beschäftigt hat, könnte man auf die Idee kommen, dass sich Ovid vielleicht nicht so gut auskannte.
Daher wagen sich reine Philologen auch nicht oft an naturwissenschaftliche Werke und lassen gerne so wichtige Schriften wie Vitruvs De Architectura oder die Naturalis Historia des Plinius im Regal verstauben (wenn sie da überhaupt anzutreffen sind). Die juristischen Texte wären zwar etwas eingängiger, aber es gibt wohl auch nicht besonders viele Philologen, die sich intensiv mit den Digesten beschäftigen.
Ich lese gerne auch mal etwas Juristisches und kann auch unangenehm juristisch formulieren, wenn es mal um mein Geld geht ... :wink:

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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 29. Jun 2015, 19:42

Eigentlich hast du das ganz gut umrissen, RM. Ich sehe das Problem ähnlich ab Texten, die andere Fächer betreffen. Da ist die Zusammenarbeit dringend notwendig. Ein "reiner" Philologe bringt da nichts mehr, man braucht die fachliche Kompetenz dazu, um solche Texte einordnen zu können. Die Lat. Phil. muß sich dazu sicher mehr öffnen, eher noch ihre mittellateinische/neulateinische Forschung. Eine solche Zusammenarbeit geht ungemein gut, wenn alle Beteiligten sich dessen bewußt sind. Hab dies selbst schon geniessen dürfen in der Geschichte der Medizin. Da ich beide Kompetenzen habe, tue ich mir etwas leichter in der Vermittlung :-D
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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon Prudentius » Do 2. Jul 2015, 09:59

Hallo RM,

ich bin zwar schon lange raus aus dem Schulbetrieb, aber man kann wohl sagen, Vitruv und ähnliche Fachliteratur können wir nicht in die Schule bringen, wir haben ja in den L-Kursen ein gemischtes Publikum, es ist einfach ein zu geringer Teil, der sich dafür interessieren würde. Juristische Texte hatten wir einmal in Bayern im Programm, mit sehr großem Erfolg, aber sie mussten wieder raus, denn sonst hätten wir ohne Livius und Tacitus auskommen müssen, wegen der Stundenzahlen.

Normalerweise hat man als Lehrer gar keine solche Autorenauswahlmöglichkeit, wir hatten einen detailliert ausgearbeiten "curricularen Lehrplan", da hatten sich andere für uns den Kopf zerbrochen; es war aber auch nicht einfach von oben verordnet, sondern es gab eine Schülerbefragung nach erwünschten Themenbereichen; so kam ja auch das Semesterthema "Witz, Satire, Ironie" herein (ich glaube, so hieß es).

Eine solche Zusammenarbeit geht ungemein gut, wenn alle Beteiligten sich dessen bewußt sind. Hab dies selbst schon geniessen dürfen in der Geschichte der Medizin. Da ich beide Kompetenzen habe, tue ich mir etwas leichter in der Vermittlung :-D


Hallo Medice,
möchte das nur unterstreichen. Das Interessante an der antiken Medizin ist ja, dass sie gar kein abgetrenntes Sachgebiet war, wie es für uns selbstverständlich ist; sie war ein integraler Bestandteil der Wissenschaft, der Philosophie; man sieht es z.B. an dem platonischen Timaios: da wird eine Art Weltschöpfung vorgeführt, ein einheitliche Aufbau des Kosmos von den Gestirnen, den Elementen bis hin zu Seele und Leib der Lebewesen; es sind dieselben Grundprinzipien, die die Welt im großen wie im kleinen bestimmen; es ist eine Harmonielehre, die pythagoräische Tetraktys (4), vier Elemente in der Welt, vier Säfte im Körper, die Grundakkorde der Musiktheorie, Oktave, Quarte, Quinte benutzen die Zahlen 1 bis 4. Der Mensch kann sich also einbezogen fühlen in das Weltganze - was ist das für eine Vision!

An einschlägiger Zusammenarbeit fehlt es nicht ganz, es gibt da einen kleinen, aber auf Weltniveau tätigen Kreis von Hippokrates-Forschern, ich nenne Renate Wittern, mit Google auffindbar, habe sie einmal bei einem Vortrag gehört.

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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon ille ego qui » Do 2. Jul 2015, 10:13

sive quis ..., sive ... nescio

ich fürchte tatsächlich, diese Überlegung ist den Gepflogenheiten der lateinischen Sprache nicht gemäß ;-)
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon ille ego qui » Do 2. Jul 2015, 10:13

sive quis ..., sive ... nescio

ich fürchte tatsächlich, diese Überlegung ist den Gepflogenheiten der lateinischen Sprache nicht gemäß ;-)
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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon Prudentius » Fr 3. Jul 2015, 16:02

Das "cor inquietum" bringt ihn eben durcheinander.

Allerdings ist das "sive - sive - sive - nescio" ein ganz reguläres Trikolon, meinst du nicht?
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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon ille ego qui » Mo 6. Jul 2015, 01:08

mir liegt jedenfalls die Interpretation von Consus viel näher:
sei es ... sei es ... (ich weiß nicht, sc. was davon eher zutrifft)
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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon Zythophilus » Mo 6. Jul 2015, 08:26

Der ursprüngliche Satz wird erst kompliziert, wenn man ihn analysieren möchte. Übersetzt man die Worte der Reihe nach, erhält man den Sinn. Der Stil ist etwas kolloquial, was aber in diesem Werk nicht stören sollte. Die mit siue eingeleiteten Teile stehen für die drei möglichen Subjekte. Prinzipiell sollte schon klar sein, dass Augustinus nicht weiß, was zutrifft, aber er lässt das noch mit nescio zur Verstärkung ausklingen. Syntaktisch gehört nescio nicht dazu, auch wenn es etwas an Wendungen wie nescio quis erinnert. Es ist ein eigener kurzer Hauptsatz, der hier eingeschoben wird.

Lateinische Fachliteratur ist sicher ein lohnendes Gebiet. Für den normalen Philologen stellt sich freilich das Problem, dass solche Werke Kenntnisse des jeweiligen Faches voraussetzen, die mit den sprachlichen Aspekten nichts zu tun haben. Wer versteht mit Deutsch als Muttersprache einen echten wissenschaftlichen Fachtext aus einem Bereich, von dem er keine Ahnung hat? Antike Fachtexte sind für den Durchschnittsbürger doppelt unverständlich: Er kennt die Sprache nicht, und selbst wenn er die kennt, kann er mit dem Inhalt nicht viel anfangen. Wieso sollte gerade der Philologe auf einmal mit dem INhalt so viel anfangen können?
Von einem literarischen Standpunkt aus gesehen sind solche Fachtexte lediglich ein Randgebiet. Für Interessierte interessant, helfen sie natürlich auch die antike Welt besser zu verstehen, aber dafür reicht es m.E. dem normalen Philologen einen Überblick über den Stand der Medizin etc. zu kennen, ohne die Texte selber im Detail zu lesen.
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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon Prudentius » Mo 6. Jul 2015, 09:53

Syntaktisch gehört nescio nicht dazu, ... Es ist ein eigener kurzer Hauptsatz, der hier eingeschoben wird.


Hallo Zytophile,

du sagst genau das, was ich oben als "Kryptosatz" bezeichnen wollte, und ich glaube, mein "logischer Code" wirkt wie ein rotes Tuch :-D ; die von dir angeführten Gesichtspunkte erkenne ich wohl an, wir können uns nicht in alle Einzeldisziplinen einarbeiten. Trotzdem meine ich, dass man hier einen "Mehrwert" (Ausdruck Laptop) an Erkenntnis gewinnen kann: nach deiner Sicht handelt es sich hier um eine vereinzelte Erscheinung, während ich betonen möchte, dass eine generelle Regel zugrundeliegt: alle Indefinita, alle Pronomina enthalten so was wie einen Kryptosatz, oder wie man das nennen soll. Klassikerzitat: Ibam forte via sacra, ...nescio quid meditans nugarum ...
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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon ille ego qui » Di 7. Jul 2015, 10:50

alle Erfahrung mit lateinischen Texten spricht gegen quis ... nescio = nescioquis = aliquis
vielmehr steht hier quis für aliquis und das nescio lässt sich als parenthese recht leicht erklären
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Re: Soliloquia des Augustinus, Anfang

Beitragvon Prudentius » Di 7. Jul 2015, 17:59

Darüber besteht gar kein Dissens, aber wir steuern verschiedene Ziele an; ich möchte nicht nur wissen, wie es hier ist, sondern welche Gesetzlichkeit dahinter steht; wenn ich sie greifen kann, dann kann ich auch erklären, warum es so sein muss, nicht nur, dass es so ist.
Bei quis schwebt allerdings im Raume mit die mögliche Bedeutung als indir. Interrogativum zu nescio; aber da dreht man sich im Kreise: je nachdem man das nescio versteht, ist das quis das eine oder das andere.

Hier passt ein alter Spruch her, hoffentlich bekomme ich ihn zusammen:

"Ich bin, ich weiß nicht wer,
ich komme, ich weiß nicht woher,
ich gehe, ich weiß nicht wohin;
mich wunderts, dass ich so fröhlich bin".
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