Grabinschrift aus Carnuntum

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon Zythophilus » Do 25. Jun 2015, 13:55

SALVETE
Bei der folgenden Inschrift ist mir der Schluss unklar. Auf dem Bild erkennt man deutlich, dass der letzte Teil (ab Simplici) anders ist; es scheint, als wäre dort zuerst absichtlich Platz freigelassen und der weitere Text dann nachträglich ziemlich schlampig eingemeißelt worden. http://www.ubi-erat-lupa.org/monument.php?id=91
Felix Itala // D(is) M(anibus) // Augustianae Cassiae Marciae / coniugi incomparabili quae / vixit annos XXXIIII mens(es) XI dies / XIII quaequae dum explesset fa/ti sui laborem meliora sibi spe/rans vitam functa est et / M(arco) Ant(onio) Augustiano Phileto filio / innocentiss(imo) q(ui) v(ixit) ann(os) III mens(es) VIII / dies X cui dii nefandi parvulo contra / vot(um) genitor(um) vita privaverunt / M(arcus) Ant(onius) Basilides frum(entarius) leg(ionis) X Gem(inae) / coniugi et filio pientissimis / Simplici Urani vobi/s terra(m) leve(m)

Man scheint davon auszugehen, dass es sich um Eigennamen handelt. Ist Simplici hier ein Dat., Urani ein Gen.? Wer kann damit etwas anfangen? Gefunden habe ich bis jetzt noch nichts dazu.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 16914
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon consus » Do 25. Jun 2015, 14:12

Salve, Zythophile!
Ganz kurz am Ende der Mittagspause...
Kann es sich bei den Formen Simplici und Urani nicht auch um Vokative handeln (Simplicius Uranius)?
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon consus » Do 25. Jun 2015, 14:15

Nachtrag.
Es könnten wegen des folgenden vobis zwei Personen angeredet sein.
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon Zythophilus » Do 25. Jun 2015, 15:04

Gratias!
Das klingt sehr plausibel. Der spätere Zusatz ist offenbar nicht nur in seiner äußeren Form deutlich vom früheren Teil der Inschrift unterschieden.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 16914
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon Zythophilus » Do 25. Jun 2015, 15:26

Ich gehe einmal davon aus, dass ein frumentarius legionis schon für die Getreideversorgung zuständig war, und nicht als eine Art Geheimagent tätig; solche heißen ja auch frumentarii.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 16914
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon RM » Do 25. Jun 2015, 20:07

Zythophilus hat geschrieben:cui dii nefandi parvulo contra / vot(um) genitor(um) vita privaverunt

Ich bin immer über die Anklänge von Humor erstaunt, die man in solchen Inschriften finden kann.

8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon Zythophilus » Fr 26. Jun 2015, 15:04

Zunächst wirkt es tatsächlich ein wenig seltsam, dass da steht, der Sohn sei contra uotum genitorum gestorben. Welche Eltern würden ihrem Kind kein langes Leben wünschen?
Allerdings steht da wohl das, wenn man so sagen kann, legalistische Religionsverständnis der Römer dahinter. Ein uotum, der Sohn möge lange leben, war vermutlich mit einem Opfer an die Götter verbunden. Die Eltern haben also ihren Teil erfüllt, aber die Götter tun nicht das Ihrige. Hier tritt auch die urspr. Bedeutung von nefandus in den dii nefandi zu Tage: Sie sind als Unterweltsgötter natürlich "schrecklich", aber auch solche, die man nicht beim Namen nennt.
Es ist also nicht Humor, sondern Verzweiflung.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 16914
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon consus » Fr 26. Jun 2015, 19:04

Zythophilus hat geschrieben:...Es ist also nicht Humor, sondern Verzweiflung.
Dieser Inschrift, die zunächst unser philologisches Interesse weckt, liegt ein uns heute noch erschütterndes Schicksal einer jungen Familie zu Grunde. Ob es sich da mit dem nötigen Respekt diesen Menschen gegenüber vereinbaren lässt, dass man die Darstellung des Bootes „Felix Itala“ ohne Rücksicht auf eine allfällige nautische Symbolik heute vielfältig vermarktet, sei dahingestelllt.
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Grabinschrift aus Carnuntum

Beitragvon Zythophilus » Sa 27. Jun 2015, 09:32

Gerade Grabsteine geben uns einen Einblick in vergangene Zeiten und, auch wenn es ein wenig paradox klingt, das Leben der Menschen damals. Insofern werden sie immer instrumentalisiert und, wenn Wissenschaftler ihren Lebensunterhalt damit verdienen oder Besucher sie gegen Bezahlung im Museum betrachten, auch kommerzialisiert.
Der Erbauer wollte andere über seinen Verlust informieren, aber er sorgte auch für eine ästhetische Gestaltung, die Betrachter ansprechen sollte.
Daher empfinde ich die Produkte mit der Abbildung des Bootes von diesem Grabstein zwar als entbehrlich, andererseits aber nicht schlimm. Ein großer Absatz ist ihnen wohl außerdem nicht beschieden.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 16914
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam


Zurück zu Übersetzungsforum



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 27 Gäste