Erfüllbarer/unerfüllbarer Wunsch der Gegenwart

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Erfüllbarer/unerfüllbarer Wunsch der Gegenwart

Beitragvon iurisconsultus » Fr 18. Nov 2016, 16:16

Salvete,

ich hätte erneut eine kurze Frage zu einen Satz aus Lhomonds Epitome, den zumindest ich als Optativsatz verstehe:

Stâbat intereâ David ad portam urbis, expectâns êventum pugnae, et maximê dê fîliî salûte sollicitus. Quum illî nûnciâtum esset prôflîgâtôs hostês et interfectum esse Absalônem, nôn modô nôn laetâtus est dê victôria quam reportâverat, sed maximum quoque dolôrem cêpit ex morte fîliî. Inambulâbat in coenâculô maerêns, et in hâs vocês identidem êrumpêns: "Fîlî mî, Absalon, Absalon, fîlî mî; utinam prô tê moriar, Absalon fîlî mî, fîlî mî, Absalon!"


Faktisch kann David nicht an Stelle von Abschalom sterben. Ich verstehe daher nicht, warum mori im Präs. Konj. statt im Imperf. Konj. steht. :?

Ist es vielleicht ein Deliberativus: Wenn ich doch an deiner Statt sterben würde :?

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Re: Erfüllbarer/unerfüllbarer Wunsch der Gegenwart

Beitragvon Tiberis » Fr 18. Nov 2016, 18:36

ein deliberativ ist etwas ganz anderes, optime iurisconsulte. (im dt.: soll ich ... ?)
aber deine übersetzung stimmt: stürbe ich doch an deiner stelle!
seltsamerweise jedoch als erfüllbarer wunsch formuliert, obwohl der sohn ja schon tot ist. eigentlich wäre morerer zu erwarten.
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Re: Erfüllbarer/unerfüllbarer Wunsch der Gegenwart

Beitragvon iurisconsultus » Fr 18. Nov 2016, 18:52

Danke optime Tiberis!

Ich bin wie gesagt zuerst auch von einem Optativsatz ausgegangen, wurde dann aber stutzig, weil mori im Konj. Präs. steht. Ich habe dann nach einer Erklärung für den Konjunktiv gesucht und dabei fiel mir leider nichts Besseres ein als der Deliberativus. :oops:
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Re: Erfüllbarer/unerfüllbarer Wunsch der Gegenwart

Beitragvon marcus03 » Fr 18. Nov 2016, 19:35

Tiberis hat geschrieben:obwohl der sohn ja schon tot ist.


--> Utinam pro te mortuus essem! (Er wünscht sich doch, dass lieber er gestorben wäre.) :?
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Re: Erfüllbarer/unerfüllbarer Wunsch der Gegenwart

Beitragvon Prudentius » Fr 18. Nov 2016, 20:54

Faktisch kann David nicht an Stelle von Abschalom sterben


Faktisch nicht, aber es ist ja eine affektgeladene Situation, das Unmögliche erscheint möglich.
Es gab in der Antike das Motiv des Opfertodes des einen für einen anderen, man nennt es ein Märchenmotiv; am bekanntesten ist die Gestalt der "Alkestis", Tragödie des Euripides, eine Ehefrau stirbt freiwillig anstelle ihres Mannes, es gab in der Barockzeit Bearbeitungen des Stoffes, auch eine Oper; in der römischen Frühgeschichte opferte sich Decius für die Gemeinschaft, meine ich mich zu erinnern; das Motiv kommt in Schillers Bürgschaft auch vor.
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Re: Erfüllbarer/unerfüllbarer Wunsch der Gegenwart

Beitragvon iurisconsultus » Fr 18. Nov 2016, 22:38

Prudentius hat geschrieben:aber es ist ja eine affektgeladene Situation, das Unmögliche erscheint möglich.

Danke Prudentius. Deine Erklärung leuchtet mir durchaus ein und gelernt habe ich nebenbei auch noch so manches. Ich nehme - und bitte korrigiert mich - aber einmal an, dass sich im klassischen Latein die Erfüllbarkeit ausschließlich nach objektiven Kriterien richten darf und daher hier eigentlich Imp. Konj. bzw. Plusquamperf. Konj. stehen müsste.
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