appropinquare - nahe vs. näher kommen

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appropinquare - nahe vs. näher kommen

Beitragvon Ioscius » Fr 3. Feb 2017, 12:57

Hallo,

wenn ich in einer Stilklausur "animi militum affirmabantur" (Der Mut der Soldaten wuchs) geschrieben habe, kann ich dieses Kompositum irgendwie rechtfertigen?

http://www.zeno.org/Georges-1913/A/affirmo?hl=affirmo

Es scheint, dass dieses Kompositum bei Cicero und Cäsar nur im übertragenen Sinne gebraucht wird ("eine Tatsache als wahr erweisen"), und ich confirmare hätte verwenden sollen..

Bin gespannt auf eure Einfälle!
Viele Grüße
Zuletzt geändert von Ioscius am Fr 10. Feb 2017, 14:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon Prudentius » Sa 4. Feb 2017, 16:30

Über die Vorsilbe fällt mir nichts ein, aber ich würde lieber anders übersetzen: "Die Soldaten wurden ermutigt, angefeuert, in ihrem Kampfeseifer bestärkt ...", denn die Römer zerlegen gern den Menschen so, während wir lieber den ganzen Menschen ansprechen.
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon medicus » Sa 4. Feb 2017, 17:16

Prudentius hat geschrieben:ich würde lieber anders übersetzen: "Die Soldaten wurden ermutigt


Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich um eine Übersetzung von Deutsch in Latein handelt?
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon marcus03 » Sa 4. Feb 2017, 17:29

Ioscius hat geschrieben:und ich confirmare hätte verwenden sollen..

Das sehe ich leider auch so.
Dieser (halbe?) Fehler macht das Kraut sicher nicht fett. :)
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon Ioscius » So 5. Feb 2017, 03:15

medicus hat geschrieben:
Prudentius hat geschrieben:ich würde lieber anders übersetzen: "Die Soldaten wurden ermutigt


Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich um eine Übersetzung von Deutsch in Latein handelt?


Richtig !

Ja, möge er es nicht fett machen, mi marce ^^
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon Medicus domesticus » So 5. Feb 2017, 10:07

Cic.Phil.5,4 scripsit/ hat geschrieben:Utrum hoc est confirmare militum animos an debilitare virtutem?

Möglich wären auch einfach gewesen:
Animi militum augebantur..
Animi miltum crescebant..
Solche Ausdrucksweisen findet man bei Meissner/Meckelnborg, S.118.
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon Ioscius » Do 9. Feb 2017, 17:51

Ich hatte Glück, mein affirmare wurde nicht als Fehler gewertet.

Stattdessen wurde inkriminiert, dass ich bei meiner Übersetzung "Er rückte täglich näher an das Lager heran", die lautet: "In dies castris appropinquabat," kein "propius" gesetzt habe. Meines Erachtens aber redundant ("Er näherte sich näher heran"), ich werde ihn fragen.
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon marcus03 » Do 9. Feb 2017, 18:19

propius accedebat ist wohl die beste Lösung.

https://books.google.de/books?id=NKAoBw ... at&f=false
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon medicus » Do 9. Feb 2017, 19:33

Das feindliche Heranrücken wird auch bei Georges mit propius acceder wiedergegeben
http://www.zeno.org/Georges-1913/A/accedo?hl=accedo
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon Medicus domesticus » Do 9. Feb 2017, 20:40

Ioscius hat geschrieben:Ich hatte Glück, mein affirmare wurde nicht als Fehler gewertet.

Stattdessen wurde inkriminiert, dass ich bei meiner Übersetzung "Er rückte täglich näher an das Lager heran", die lautet: "In dies castris appropinquabat," kein "propius" gesetzt habe. Meines Erachtens aber redundant ("Er näherte sich näher heran"), ich werde ihn fragen.

Ja, da hast du Glück gehabt... :D
Ich habe immer mal und schaue auch heute noch in die Lateinische Phraseologie von Meissner/Meckelnborg (WBG-Ausgabe). Das gibt Anregungen zur Diskussion in der Uni:

Unter 7. Bewegung im Allgemeinen (S.14):
appropinquare urbi (selten ad urbem)... sich der Stadt nähern
propius accedere (ad) urbem...näher an die Stadt heranrücken

Vielleicht zeigst du das mal deinem Dozenten... ;-) :book:
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon Tiberis » Fr 10. Feb 2017, 01:29

Ioscius hat geschrieben:Stattdessen wurde inkriminiert, dass ich bei meiner Übersetzung "Er rückte täglich näher an das Lager heran", die lautet: "In dies castris appropinquabat," kein "propius" gesetzt habe. Meines Erachtens aber redundant

m.w. steht "in dies" nur mit komparativ , daher ist propius hier nötig.
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 10. Feb 2017, 09:35

Tiberis hat geschrieben:m.w. steht "in dies" nur mit komparativ , daher ist propius hier nötig.

Auch ein Argument. Übersetzung der Wahl wäre hier sowieso propius accedere gewesen.
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Re: animi militum affirmabantur

Beitragvon Ioscius » Fr 10. Feb 2017, 14:24

Mir kommt gerade Folgendes in den Sinn: Es kommt vielleicht gar nicht auf "in dies" an, sondern darauf, dass "appropinquare" nicht "näher kommen", sondern "nahe kommen" bedeutet, also ein bloßer Positiv ist. Aus "sich nähern" wird das natürlich nicht ersichtlich. Das heißt, ich habe das "näher" einfach nicht ausgedrückt. Ärgerlich, dass es wohl kein komparativer Begriff ist wie "augere" oder "crescere"...
Aber wer weiß schon, ob "vermehren" und "wachsen" im Sinne von "größer machen/ werden" oder "groß machen/ werden" werden zu verstehen ist.
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Re: appropinquare - nahe vs. näher kommen

Beitragvon Sokrates » Fr 10. Feb 2017, 17:20

Salvete,

Tiberis hat Recht, habe im Kopf, dass irgendwo im Menge bei "in dies" meist der Komp. steht.
Iosci, das ist eine berechtigte Frage:
Die von Adjektiven derivierten Verba drücken das Ziel der Handlung aus, als:
adaequari = aequum fieri

Ebenso bei (ap-)propinquare. Diese Möglichkeit der Wortbildung erweitert auf lexikalischer Ebene sicher die Ausdrucksfähigkeit, ist aber doch nur zur begrenzten Informationsverdichtung geeignet. Es wird ein Ursprungszustand (da Adjektive!) und ein bewirkter (erstrebter) Endzustand impliziert, eine komparative Statik. Anfangs ist x dem y fern (wie weit, ist irrelevant, da man hier nur in den absoluten Kategorien der Zustände der x ist bei y oder ist nicht bei y denkt), dann mache ich x dem y nahe, also bewirke, dass x dem y nahe ist. Dass diese beiden Zustande natürlich unendlich viele Übergänge haben, mit anderen Worten, dass das erste Nahebringen dazu führt, dass x dem y auf dieser zweiten Position noch nicht nahe i.e.S. ist, aber näher als am Startpunkt, also eine Dynamisierung, eine An-näherung beschrieben wird, wird mit der Derivation nicht ausgedrückt.
Verba wie das deutsche annähern ist aber genau dieser Dynamisierung geschuldet, sofern es sich als näh-er-n zusammensetzt und damit die "Änderungsrate" im Nahesein bzw. Nahebringen betont.
Bei der Retroversion ist hierauf zu achten.
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Re: appropinquare - nahe vs. näher kommen

Beitragvon Tiberis » So 12. Feb 2017, 00:27

Ioscius hat geschrieben: Es kommt vielleicht gar nicht auf "in dies" an, sondern darauf, dass "appropinquare" nicht "näher kommen", sondern "nahe kommen" bedeutet


also ich sehe hier schon die gefahr, dass wir uns in haarspaltereien verlieren. die sache ist doch ganz klar: appropinquare = sich nähern,was aber naturgemäß so zu verstehen ist (und auch so verstanden wird), dass der ort, dem man sich nähert, eben schon ziemlich nahe ist. wenn ich von Wien nach Rom fahre, bin ich an der staatsgrenze Rom zwar näher als ich es noch in Wien war, aber es wäre unsinnig , dort schon zu sagen "ich nähere mich Rom".
propius appropinquabat ist nicht gut (pleonasmus), besser jedenfalls, wie Medicus domesticus schon bemerkt hat: propius accedebat.
"er rückte jeden tag näher.. heran" = in dies propius accedebat
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