von cometes » So 27. Okt 2019, 13:47
Man darf in der Diskussion nicht übersehen, dass es so gut wie keine Sprache gibt, in der es bloß einen Neosemantismus oder einen Neologismus für besagte Sache gibt, es sind immer mehrere, die verschiedene Bedeutungsfunktionen haben und Sprachebenen bedienen (es heißt eben Auto[mobil]industrie und nicht Wagenindustrie, wer eine Geschichte dieses Dings verfasst, wird sie Geschichte des Automobils nennen, kaum des Wagens, der Gesetzgeber spricht u.a. von Personenkraftwagen und nicht Autos usf. ), und deren Zusammenspiel eine Entwicklungsgeschichte besitzt, die in der Imitation im Lateinischen durch eine defiziente Sprachgemeinschaft zu überspringen, problematisch erscheint.
Ob es sozusagen allgemeinere semantische Ordnungsprinzipien gibt, wie Tiberis andeutet, die regulieren, unter welchen Bedingungen überhaupt eine Neubedeutung einer bestehenden lexikalischen Einheit zuwachsen kann (wie das bei Wagen der Fall ist), ist eine gute Frage. Es könnte sich zeigen, dass ein solcher Prozess ohne parallele Neologismen prinzipiell nicht auskommt, insbesondere wenn der Kandidat für den Neosemantismus im Bedeutungsfeld in der nächsthöheren Hierarchiestufe liegt, ohne die spezifische Differenz, die die Neuheit der Sache ausmacht, einfangen zu können. Um Wagen als Automobil oder Kraftwagen (dessen Verkürzung es dann wäre) zu begreifen, kommt man eben nicht ohne diese Bezeichnungen aus. Selbst da, wo so ein Hierarchiekonflikt nicht vorliegt, weil das Bedeutungsfeld gewechselt wird (wie bei der Maus als Eingabegerät), fehlt es an parallelen Bildungen nicht, die unmissverständlich deutlich machen, worum es sich handelt (Computermaus).
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