der Psychiater

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Re: der Psychiater

Beitragvon marcus03 » So 25. Okt 2020, 10:28

Interessant.
Ich wusste nicht, dass der mir ansonsten wegen seiner hochaggressiven Art als Moderator
völlig unsympathische Friedman sich mit solchen Themen befasst hat.
Narzissmusfrei ist Friedman gewiss nicht. Expertus dicere videtur. ;-)
https://www.welt.de/print-welt/article4 ... -Mann.html

In Internet gibt es dazu eine Vorlesungsreihe von Prof. Brachtendorf:
https://timms.uni-tuebingen.de/tp/UT_20 ... heitb_0001
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Re: der Psychiater

Beitragvon iurisconsultus » So 25. Okt 2020, 10:49

Salve mystica,

ich kenne als Richter natürlich die entsprechende Diskussion, die vor einigen Jahren auch in Österreich lebendig war. Letztlich hat sie jedoch in keiner entwickelten Rechtsordnung zu irgendeiner Reform geführt, weil selbst die ernstzunehmenden Proponenten dieser neurobiologischen Schule (und die ernstzunehmenden Juristen) nicht bestreiten, dass der geistig gesunde Mensch schuldfähig ist.

Liebe Grüße!
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Re: der Psychiater

Beitragvon mystica » So 25. Okt 2020, 11:39

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Re: der Psychiater

Beitragvon Sapientius » Mo 26. Okt 2020, 11:25

... in Wahrheit hätte schon unser neuronales Netzwerk über unsere Handlungen längst entschieden


Das stimmt, und auch wieder nicht. Das neuronale Netzwerk entscheidet, aber nicht über meinen Kopf hinweg, sondern ich mische mit.
Die Formulierung "das neuronale Netzwerk" ist irreführend, es sieht aus wie eine feststehende Substanz, eine Art Seelenteil, und das ist noch die traditionelle platonische Denkweise; wir gehen aber heute von dynamischen Prozessen aus; die Funktion steht im Fokus, nicht die Substanz. Das neuronale Netzwerk läuft nicht blind, sondern es hat eine Chefetage; da sitze ich drin und erteile Aufträge: einige Synapsenkombinationen übernehmen jetzt die Rolle einer Moralinstanz, eines Gewissens, und sie haben das letzte Wort bei Handlungsentschlüssen! Ich glaube, damit können die Juristen zufrieden sein, und die Gesellschaft, die eine Rechtsordnung zum Leben braucht.

Eine neue Ethik brauchen wir nicht, es gibt seit langem ganz einfache Grundregeln.
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Re: der Psychiater

Beitragvon mystica » Mo 26. Okt 2020, 13:10

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Re: der Psychiater

Beitragvon iurisconsultus » Mo 26. Okt 2020, 13:44

Liebe mystica, lieber Sapientius,

ich stimme dir, lieber Sapientius, im Ergebnis uneingeschränkt zu. Ohne Schuldbewusstsein /-fähigkeit bliebe wohl auch von der christlichen Lehre nicht mehr als ein Torso übrig („mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa“ etc pp).
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Re: der Psychiater

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 26. Okt 2020, 13:49

Ich finde es immer faszinierend, wenn über unser Gehirn und dessen Leistungen gesprochen wird. Wenn man aber so ein Gehirn im Kursus der Makroskopischen Anatomie und im Hirnmorphologischen Kurs in der Hand hatte, bekommt man erst Erfurcht. Auch wenn vieles in der Neuro erforscht wurde, bleibt doch vieles ein Rätsel. Manchmal ist das gar nicht so schlecht...
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Re: der Psychiater

Beitragvon marcus03 » Mo 26. Okt 2020, 14:03

Medicus domesticus hat geschrieben: bleibt doch vieles ein Rätsel.

noch ein Rätsel!
Die Forschung schreitet auch hier unaufhaltsam fort.
Die 5. Kränkung ist nur eine Frage der Zeit.
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Re: der Psychiater

Beitragvon mystica » Mo 26. Okt 2020, 14:17

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Re: der Psychiater

Beitragvon marcus03 » Mo 26. Okt 2020, 15:36

mystica hat geschrieben:zu bedenken, dass die Erkenntnisse der Naturwissenschaften grundsätzlich fallibel sind.

Das gilt auch für vieles, was als geoffenbart angesehen wurde und wird.
Da wird einiges noch revidiert werden müssen.
Die grausame Evolution und der gute Gott sind nicht so einfach kompatibel.
Zudem wäre zu klären, was Offenbarung meint. Wer legt das fest, wer trifft die Auswahl
Wie ist diese motiviert? Von welchen (Macht)Interessen geleitet? Um welchen Preis der
Ignorierung historischer Fakten?
Der Offenabrungsglaube ist auch Teil eines raffinierten Geschäftsmodells.
Was man nicht rational begründen kann, gilt zuletzt als offenbart, uch wenn es bessere
Vernunftargumente gäbe.
Der Gläubige hat das hinzunehmen unter Androhung der Höllenstrafe (Anathema sit!), wenn
er weiter hinterfragt oder gar rational und beweisbar widerlegt.
Man nehme nur die vielen Offenbarungen des AT, die historischer Unsinn sind, und sich
meist mühelos psychoanalytisch erklären lassen, wie das z.B. Drewermann exzellent getan hat.
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Re: der Psychiater

Beitragvon mystica » Mo 26. Okt 2020, 19:50

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Re: der Psychiater

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 26. Okt 2020, 20:14

Ein interessantes Statement, mystica, das mich nicht überzeugt und zunehmend auch viele nicht.
mystica hat geschrieben:Vor allem gilt es, strikt zwischen den Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften zu differenzieren. Denn die Naturwissenschaften bieten uns Erklärungsmodelle, die nur so lange Gültigkeit beanspruchen, bis sie widerlegt wurden. Aus diesem Grund sind die Erkenntnisse der Naturwissenschaften grundsätzlich fallibel. Hingegen geht es bei den Geisteswissenschaften, um eine Hermeneutik des Verstehens, die einen offenen Interpretationsspielraum eröffnet, der nicht einfach mit den logischen Kategorien von wahr oder falsch beurteilt werden kann.

In Geisteswissenschaften kann man vieles einfach nur behaupten, in der Naturwissenschaft ist das viel schwieriger. Eine Behauptung muß nachvollziehbar sein. Wenn nicht, wird man relativ schnell zerlegt. In der Theologie dauert so etwas mehrere hundert Jahre. Die Theologie hat vieles lange nicht akzeptiert aus Glaubensgründen. Galileo Galilei und nicht wenige andere haben darunter gelitten. In meinem Fach hat die Wissenschaft einiges klar gestellt: Oder ist der schwarze Tod eine Bestrafung Gottes? Es war aber das Bazillus Yersinia pestis. Wie wurde die Tuberkulose von Robert Koch entdeckt? Mycobacterium tuberculosis...
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Re: der Psychiater

Beitragvon marcus03 » Mo 26. Okt 2020, 21:01

mystica hat geschrieben: Denn die Naturwissenschaften bieten uns Erklärungsmodelle, die nur so lange Gültigkeit beanspruchen, bis sie widerlegt wurden.

Das tut die Theologie auch und hat sich dabei oft geirrt und ihre Gegner oft brutal bekämpft.

mystica hat geschrieben:Der Glaube an die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift

Die Schrift ist nicht vom Himmel gefallen, sondern das Produkt eines historischen Prozesses.
Offenbarung ist ein vager Begriff, der hinterfragt werden muss. Dabei ergeben sich Widersprüche
mit historisch belegbaren oder plausiblen Fakten. (Gott ist nie einer fiktiven Gestalt namens
Moses im Dornbusch begegnet. Die 10 Gebote sind nicht so entstanden, wie die Bibel glauben
machen will, um nur ein Beispiel zu nennen. Solche Stories sind Theologoumena, die zu hinterfragen sind.)

Theologie tut oft so, als stünde sie über Gott, kenne seine Gedanken besser als er selbst
und rationalisiert mit ihrer menschlichen Rationalität das Wesen Gottes und seine Absichten.
Es ist viel menschliches (Wunsch)Denken, Gott wird in ein Schema gepresst, das alles und zugleich
nichts erklärt.
Schon die banale Frage, warum die Welt vor 14 Milliarden Jahren begann und nicht früher oder später,
kann sie nicht beantworten. Zugleich macht sie Aussagen über den Gott vor der Schöpfung,
über innertrinitarische Vorgänge u.ä. unter Berufung auf die menschliche Vernunft, die natürlich
von Gott stamme. Das alles ist rein menschliches Denken, das mit dem wahren Wesen Gottes
nicht zwangsläufig zutun haben muss.
Ferner beansprucht Theologie die Deutehoheit über die Geschichte, die sie Heilsgeschichte nennt,
obwohl diese schon rein quantitativ eine Unheilsgeschichte ist, zu der auch ihre starrsinnigen
Vertreter beigetragen haben und immer noch beitragen. Die Kirche war nie wirklich als ganze
glaubwürdig, sie hat das Evamgelium oft genug pervertiert in ihrem Streben nach weltlicher Macht
und persönlichen Vorteilen ihrer Funktionäre.
Viele Heilige sind nach heutigen Maßstäben Verbrecher gewesen (Zwangmissionierung z.B.).
Die Kirche hat unendliche Schuld auf sich geladen. Das psychische Leid, das sie mit ihrer Drohbot-
schaft bis ins 20. Jahrhundert angerichtet hat, harrt immer noch seiner Aufarbeitung.
Es ist m.E. mindestens genausos schlimm wie die Missbrauchsproblematik, wenn nicht schlimmer.
Die Kirche hat mit Angst regiert und die Psyche unzähliger Menschen dauerhaft geschädigt (ekklesio-
gene Neurosen, vgl. Drewermann, Kleriker).

mystica hat geschrieben:sondern auch ein geistliches Leben des Gebetes, eine Theologia orans

Was soll das nützen? Gott hat nur unsere Hände zum Zupacken und Ändern. Beten tun die,
die gerne andere die "Dreckarbeit" machen lassen ("Wir beten schon für euch", wenns dann
nix wird, war es halt nicht Gottes (unerforschlicher) Wille.
Was soll ein Beter schon bewirken? Gott beenflussen, der ohnehin alles vorausweiß?
Das führt nur in unauflösbare Dilemmas.
Longum est ...
vgl.
https://www.youtube.com/watch?v=oW21zwXejvY
Interessant, aber auch hier bleiben Fragen offen.

Je mehr wir über die Welt, ihre Entstehung, die Geschichte der Menschheit wissen, desto
fragwürdiger erscheint die ganze "Schöpfung", auch wenn sie interessant, intellektuell anspruchsvoll,
amüsant etc. ist. Nicht zuletzt Corona ist ein weiterer Beleg für das absurde Theater,
genannt WELT.
Während die Kirche betet, geht der Planet vor die Hunde. Gebete beseitigen keinen Müll,
ändern kein falsches Denken (Wachstumswahn), verringern kein CO2 usw.
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Re: der Psychiater

Beitragvon mystica » Mo 26. Okt 2020, 21:12

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Re: der Psychiater

Beitragvon mystica » Di 27. Okt 2020, 09:23

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