Placet

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Re: Placet

Beitragvon marcus03 » Di 7. Dez 2021, 19:23

Sapientius hat geschrieben:Was ich hier an Logik hereinbringe, ist nicht mehr als was Mittelstufenschüler wissen.

Das glaube ich nicht. Du scheinst diese Schüler m.E. zu überschätzen.
Deine Erklärweise dürfte sie weit überfordern, weil oft zu abstrakt, ungewohnt, eigenwillig/-artig
und daher sehr gewöhnungsbedürftig. Ich denke dabei v.a. an deine Vergleiche aus der
Computerwelt. Formale Logik mögen viele nicht. Ihr fehlt das Lebendige, das für Sprache typisch ist.
Dass sie notwendig und sinnvoll ist, sei unbestritten, schön ist sie nicht.
Sie passt in eine immer kältere Welt, in der Sprache den Kommunikationscharakter immer
mehr verliert und nur noch der nüchteren Informationsweitergabe dient.
Kein Wunder, dass die lockere, zweckfreie zwischenmenschliche Begegnung immer
schwieriger wird.
Horrorszenarien von Gehirnen, die mit Chips interagieren, gibt es ja schon.
Die De-emotiionalisierung des homo sapiens ist in vollem Gange mit unvorhersehbaren
Folgen für das Zusammenleben. Der Mensch der Zukunft wird ein Cyborg sein oder er wird
nicht mehr sein. Rahners Mystiker-These wird von der Cyborg-These abgelöst.
Brave new world, aus der uns auch "kein Gott mehr retten kann" (vgl. Heidegger).
Der letzte diesbezügliche Versuch endete am Holz (des Kreuzes). :(
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Re: Placet

Beitragvon Medicus domesticus » Di 7. Dez 2021, 19:52

Sapienti, wir hatten auch mal Auseinandersetzungen zwischen Logik und Sprache. Ich kann mich noch erinnern.. :wink:
Einerseits finde ich deine „Schalter an…aus“ Erklärungen interessant, aber oft nicht ganz angemessen für eine Sprache. Latein ist zwar relativ gesehen logisch, aber wenn man sich mehr und mehr damit beschäftigt, kommen ständig Ausnahmen und Ungereimtheiten auf einen zu, die mit Logik und Mathematik nichts zu tun haben. Mir ist das damals schon im Gymnasium aufgefallen, als die Mitschüler immer zu mir und einer Mitschülerin und guter Freundin sagten: „ Ihr habt ja die Traum-Leistungskurs-Kombination Latein und Mathematik“. Wenn man ehrlich war , war einfach der Lernaufwand fürs Abitur viel geringer. :wink:
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Re: Placet

Beitragvon ille ego qui » Di 7. Dez 2021, 20:16

Latein ist zwar relativ gesehen logisch


Oft wird ja mittlerweile sogar gesagt, selbst das sei eine optische Täuschung :)
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Re: Placet

Beitragvon ClaudiaK » Mi 8. Dez 2021, 12:07

Medicus domesticus hat geschrieben:Latein ist zwar relativ gesehen logisch, aber wenn man sich mehr und mehr damit beschäftigt, kommen ständig Ausnahmen und Ungereimtheiten auf einen zu, die mit Logik und Mathematik nichts zu tun haben. Mir ist das damals schon im Gymnasium aufgefallen, als die Mitschüler immer zu mir und einer Mitschülerin und guter Freundin sagten: „ Ihr habt ja die Traum-Leistungskurs-Kombination Latein und Mathematik“. Wenn man ehrlich war , war einfach der Lernaufwand fürs Abitur viel geringer. :wink:
Nix für ungut, aber ich freue mich immer wieder, wenn du neue Ideen einbringst.


Ich habe irgendewann aufgehört, Aussagen formallogisch verstehen zu wollen.
Unsere Medicus hier ist ein gutes Beispiel dafür, dass man der Formallogik folgende nicht begreift, was er sagen will.

Medicus domesticus hat geschrieben: Latein ist zwar relativ gesehen logisch, aber wenn man sich mehr und mehr damit beschäftigt, kommen ständig Ausnahmen und Ungereimtheiten auf einen zu, die mit Logik und Mathematik nichts zu tun haben.

Diese Aussage interpretiere ich so: Da man mit Logik und Mathematik nicht weiter kommt, muss ich den Kram einfach auswendig lernen.

Medicus domesticus hat geschrieben: als die Mitschüler immer zu mir und einer Mitschülerin und guter Freundin sagten: „ Ihr habt ja die Traum-Leistungskurs-Kombination Latein und Mathematik“.

Diese Aussage interpretiere ich so: Die Mitschüler hingegen sind der Meinung, dass er Fächer hat, bei denen man nichts auswendig lernen muss sondern mit Logik und Mathematik weiter kommt.
Sie steht damit aber im der eigenen Erfahrung des Medicus Domesticus gegenüber.

Medicus domesticus hat geschrieben: Wenn man ehrlich war, war einfach der Lernaufwand fürs Abitur viel geringer. :wink:

Diese Aussage interpretiere ich so: Der Lernaufwand ist verbunden mit der Unlogik und Regellosigkeit der Sprache. Ein geringer Lernaufwand mit der Regelhaftigkeit und Logik der Sache.
Das Lob des geringen Lernaufwandes impliziert, dass Latein doch sehr regelgeleitet sei.
Dies widerspricht aber der ersten Aussage.

Und das ist bei den meisten Menschen so.
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Re: Placet

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 8. Dez 2021, 12:36

Das ist ja der Vorteil, dass man als Mensch kein Logikcomputer ist, sondern auch zwischen den Zeilen lesen kann. :wink:
Wer Leistungskurs Latein und Mathematik in Bayern hatte, weiß von was ich rede.
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Re: Placet

Beitragvon marcus03 » Mi 8. Dez 2021, 12:54

Medicus domesticus hat geschrieben:Das ist ja der Vorteil, dass man als Mensch kein Logikcomputer ist

Noch nicht! Es geht aber nMn genau in diese Richtung.
SWenn sie irgendwann Chips ins Gehirn einbauen, hat der homo sapiens "classicus" ausgedient.
Muss er wohl auch. Denn als solcher kann er den Weltraum nicht erobern.
vgl:
https://de.wikipedia.org/wiki/Von-Neumann-Sonde

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Re: Placet

Beitragvon Tiberis » Mi 8. Dez 2021, 13:10

Dass Latein eine "logische" Sprache sei, behaupten wohl nur Leute, die diese Sprache nur wenig kennen und sie ausschließlich als grammatikalisches Regelwerk sehen, wobei selbst dieses Regelwerk nur sehr eingeschränkt den Gesetzen der Logik entspricht. Außerdem: Grammatische Regeln gibt es bekanntlich auch in anderen Sprachen, ohne dass diese deshalb als "logisch" bezeichnet und in eine Nähe zur Mathematik gestellt würden. Mir soll einmal einer von diesen Halblateinern, die ständig von der "Logik" der lateinischen Sprache schwafeln, erklären, worin diese angebliche Logik besteht und weshalb ausgerechnet Latein logischer sein sollte als Deutsch oder Griechisch oder Ungarisch oder irgendeine andere Sprache. :roll:
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Re: Placet

Beitragvon mystica » Mi 8. Dez 2021, 13:37

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Zuletzt geändert von mystica am Do 14. Jul 2022, 16:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Placet

Beitragvon ille ego qui » Mi 8. Dez 2021, 14:39

Nur nebenbei: "finitus" heißt nicht in erster Linie "endlich", sondern "bestimmt/festgelegt". Dies entspricht der Bedeutungsfacette "festlegen/bestimmen" von "finire" (vgl. "de-finire") :-)

Bei "Substantiv" ist der Zwischenschritt über "substantia" zu berücksichtigen":
http://www.zeno.org/Georges-1913/A/subs ... substantia (philosophisch: das zugrunde ("darunter") liegende (unveränderliche) Wesen)
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Re: Placet

Beitragvon marcus03 » Mi 8. Dez 2021, 15:20

mystica hat geschrieben:Grammatik ist eine Metasprache und dient uns als ein theoretisches Konstrukt, um sprachliche Strukturen zu analysieren.

Genauso so ein Konstrukt ist der Gott realitätsblinder Theologen und Kirchenfunktionäre. ;-)

mystica hat geschrieben: Sprache ist immer auch etwas Lebendiges

Der Gott der Theologen dagegen eine Leiche, die man seit 3 Jahrtausenden seziert.
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Re: Placet

Beitragvon Sapientius » Do 9. Dez 2021, 08:52

Die Logik hat etwas Knöchernes, ja, aber wir wissen auch, ohne das Skelett wären wir Würmer! Wenn nötig, greifen wir auf die Logik zurück, aber wir müssen dazu ein Basiswissen haben. Wir sehen es ja bei den kniffligen Fragen.
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Re: Placet

Beitragvon Sapientius » Fr 10. Dez 2021, 10:28

Medicus domesticus hat geschrieben: Latein ist zwar relativ gesehen logisch, aber wenn man sich mehr und mehr damit beschäftigt, kommen ständig Ausnahmen und Ungereimtheiten auf einen zu, die mit Logik und Mathematik nichts zu tun haben.


Ausnahmen von Regeln gibt es nicht; zu "Der Winkel im Halbkreis ist ein rechter" hat noch niemand eine Ausnahme gefunden; wenn man von Ausnahmen spricht, ist etwas anderes gemeint, nämlich dass die Regel vage formuliert ist, dass ihr Geltungsbereich nicht genau festgelegt ist; wenn es heißt: "bei dem und dem Verb steht der Ablativ", und dann finden wir es mit Akkusativ, dann ist das keine Ausnahme, sondern es muss die Regel umformuliert werden.

"L. ist logisch" - das ist eine kuriose Aussage; aber wir können versuchen, die L-Grammatik etwas logischer zu machen! :-D
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Re: Placet

Beitragvon Zythophilus » Mo 13. Dez 2021, 19:14

Ich würde zunächst einmal zwischen Grammatik als einem System von Regeln etc., das hinter einer Sprache steht, und Grammatik als der Beschreibung dieses Systems unterscheiden. Eine Grammatik im ersteren Sinn hat nämlich auch eine Sprache ohne Verschriftlichung ihrer Regeln, wenngleich eine solche Sprache offener für Veränderungen ist, während die schriftliche Grammatik konservierend wirkt.
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Re: Placet

Beitragvon Odinus Thorus » Fr 31. Dez 2021, 17:55

Sapientius hat geschrieben:"L. ist logisch" - das ist eine kuriose Aussage; aber wir können versuchen, die L-Grammatik etwas logischer zu machen! :-D


Sprache ist nicht logisch, sie funktioniert analogisch.
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Re: Placet

Beitragvon Sapientius » Sa 1. Jan 2022, 11:05

Sprache ... funktioniert analogisch.


Das obendrein.

Sprache ist nicht logisch, ...


Sie ist nicht logisch, aber sie basiert auf Logik. Ohne Logik gibt es keine Verständigung, Sprache wäre nur ein Geschnatter; Verständigung ist nur möglich, wenn die Teilnehmer über eine gemeinsame Basis verfügen, wenn sie kompatibel sind, wenn sie dasselbe Codierungssystem verwenden. Die Kinder müssen erst sprechen lernen, d.h. sie müssen ein Pflichtseminar "Grundlagen der Logik" absolvieren.

Als erstes müssen die Kinder wahr und falsch unterscheiden lernen; dann das Satzschema "A ist B" meistern, wobei (schematisch gesprochen) A ein Punkt und B ein Kreis ist, und "ist" bedeutet, dass A innerhalb von B liegt; und "nicht" müssen sie lernen bei "A ist nicht B", dass A außerhalb von B liegt.

Der Erwachsene braucht sich mit all dem nicht zu befassen, denn die Chefetage in seinem Kopf verlegt das ins Halbbewusste und beauftragt Subunternehmer mit der zuverlässigen Detailausführung. So können wir uns also leisten, die Nase zu rümpfen und das Unschöne, Mechanische, Primitive an der Logik zu verachten.
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