Hallo Ragna (und sonstige Mitleser - ich habe erst überlegt, es als PN an Ragna zu schicken, aber andererseits denke ich, dass es sicher noch andere Leute gibt, die den einen oder anderen Punkt interessant finden könnten)
Es ist in der Tat so, dass viele Sprachwissenschaftler meinen, Altirisch (was sozusagen das frühmittelalterliche Gälisch ist) sei die komplizierteste der alten indogermanischen Sprachen. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich kann mir vorstellen, dass die gälische Sprachgruppe für Außenstehende ziemlich merkwürdig ist
Wenn man natürlich mit heutigem Gälisch vertraut ist, ist Altirisch nicht ganz so abstrus, wobei es die Grammatik schon in sich hat, weil sich viele typische indogermanische Aspekte (wie z.B. Deklinationsendungen, Ablaut) auf ganz eigentümliche Weise darstellen. Zudem gibt es sogenannte Anlautmutationen, die ansonsten für indogermanische Sprachen eher untypisch sind. Da außerdem die Orthographie recht eigen ist, fällt es auf den ersten Blick sicherlich schwer, Parallelen zu anderen indogermanischen Sprachen zu ziehen.
Es gibt auch eine ganz interessante Lautveränderung, das indogermanische P ist in den keltischen Sprachen verschwunden, weshalb z.B. das Wort "Vater" (sehr beliebt ja bei den Indogermanisten) auf Gälisch "athair" heißt. Nun redet man allerdings von p- und q-keltischen Sprachen, was bedeutet, dass sich aus einem ursprünglich anderen Laut in einigen keltischen Sprachen (z.B. sieht man es im heutigen Walisisch) wieder ein P entwickelt hat. Das ist übrigens der Laut, der im Lateinischen als "qu" erscheint, und im Gälischen hat er sich über q -> k zu einem "ch" entwickelt. "E
quus" heißt auf Gälisch "ea
ch", die Gallier hingegen hatten eine Pferdegöttin namens "E
pona", woran man sieht, dass Gallisch eine p-keltische Sprache war.
Das ist jetzt natürlich alles sehr verkürzt dargestellt, weiter vertiefen möchte ich das hier aber nicht
Mit Grönländisch meinte ich Kalaallisut, ja
Ich beschäftige mich jetzt seit ca. einem Jahr richtig damit und habe auch Mail- und Chatkontakte zu Grönländern. Da ich Dänisch einigermaßen lesen kann, komme ich mit den dänischsprachigen Lehr- und Grammatikbüchern gut zurecht, den Sprachführer von Richard Kölbl habe ich aber auch, er ist sehr gelungen für den Einstieg und auch zum Nachschlagen. Es ist eine tolle Sprache
Was die Skandinavistik/Nordistik betrifft - üblicherweise ist es so, dass man an der Uni Altnordisch und ein oder zwei moderne skandinavische Sprachen lernt, wobei eine davon Isländisch sein sollte, man kann aber eine andere Sprache als Schwerpunkt wählen. Es wird aber ja momentan allerorten umstrukturiert, bei mir an der Uni ist im neuen BA-Studiengang Altnordisch nicht mehr notwendig (und wird auch nicht mehr angeboten).
Ich habe Isländisch als moderne Schwerpunktsprache und Norwegisch als zweite moderne Sprache und habe auch recht viel Altnordisch gemacht, da ich gern die Sagas im Original lesen wollte (und das jetzt auch nebenbei tue, soweit ich die Zeit dafür finde).
Schwedisch und Dänisch kann ich einigermaßen lesen, wenn ich muss (z.B. wie gesasgt für Grönländisch, oder sonstige Fachliteratur), und das genügt mir. Kulturell hat mich Isländisch und Norwegisch halt am meisten interessiert, und Norwegisch ist auch praktisch, da ich ja noch Samisch lerne, da gibt es viel Material auf Norwegisch. Deshalb werde ich die anderen skandinavischen Sprachen gar nicht vertiefen, zumal ich germanische Sprachen ingesamt eher zu langweilig finde
Zum Latein wollte ich noch was sagen - du meintest irgendwo, dass du gern vom Übersetzen oder "Entziffern" zum tatsächlichen Lesen kommen willst. Das halte ich in der Tat für sehr wichtig, und es macht eigentlich die antiken Sprachen überhaupt erst zu einem Genuss.
Bei allen alten Sprachen, die ich an der Uni und im Selbststudium gelernt habe, habe ich mir direkt angewöhnt, gar nicht bewusst zu übersetzen, sondern zu einem direkten Leseverständnis zu gelangen. Z.B. habe ich altgriechische Texte nie schriftlich übersetzt, sondern allerhöchstens den griechischen Text abgeschrieben (beim Schreiben kann ich mich besser konzentrieren als beim reinen Lesen) und dabei grammatisch analysiert, hinterher noch mal komplett gelesen um zu schauen, ob ich gedanklich folgen kann.
Gleiches bei Altnordisch, da habe ich höchstens einzelne Notizen an die Texte gemacht, nie Übersetzungen angefertigt. Und bei Altirisch mache ich meine Notizen auf Gälisch, da ich so der Schritt ins Leseverstehen des alten Textes für mich leichter ist
Hauptsächlich mache ich bei altirischen Texten auch nur grammatische Notizen zu den Verbformen, da man diese oft genau analysieren muss und nicht direkt intuitiv verstehen kann.
Meinen Latein-Nachhilfeschülern empfehle ich oft, sich einfache Lehrbuchtexte noch mal vorzunehmen und einfach zu lesen, um dabei zu schauen, wieviel man schon versteht, ohne einen Satz zu analysieren und zu übersetzen, einfach im normalen Lesefluss. Ich bin der Meinung, das würde ungemein helfen, um auch bei schwierigeren Texten ein besseres Sprachgefühl zu bekommen, außerdem festigt es Vokabelkenntnisse und wiederkehrende Satzmuster prägen sich ein. Leider beherzigen es die wenigsten Schüler
Wenn du regelmäßig viel Latein liest - egal was, man kann tatsächlich mit dem Lehrbuch noch mal bei Lektion 1 anfangen und dann jeden Abend eine halbe Lektion als Bettlektüre oder so
- wirst du mit der Zeit merken, dass dein Leseverständnis besser wird, und dass du von diesem lästigen Übersetzen wegkommst.
So, jetzt habe ich auch wieder einen ganzen Haufen geschrieben
Falls du noch Fragen zu den skandinavischen, keltischen oder anderen Sprachen hast, machen wir das wahrscheinlich besser per PN oder Mail.
Mona