Dädalus' Verhalten

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Beitragvon ostfriese » Fr 28. Dez 2007, 15:15

Prodikos hat geschrieben:
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2. Mit welchen Wörtern und stilistischen Mitteln verdeutlicht der Dichter die Betroffenheit des Vaters eindrucksvoll?
3. Welches Urteil fällt Dädalus am Ende selbst über seine "Kunst"?




Die erste Frage: Mit Geminationes ( dem ständigen Nennen des Namens)

3. Frage: Schwer, sehr interessant und viele Deutungsmöglichkeinte.


Positiv übersetzt:

devovitque suas artes: und er weihte seine Künste den Göttern

Negativ:

und er verfluchte seine Künste

-------------------------------------

Aber wo ist da der Unterschied in Bezug auf seinen Charakter?
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Beitragvon romane » Fr 28. Dez 2007, 15:46

in der Antiuke wurde ein Toter 3x mit seinem Namen gerufen; also ist hier die Vorstellung des D, die, dass sein Sohn tot ist.

Beachte auch den Wechsel beim Tempus:

49. at pater infelix, nec iam pater, Icare, dixit,

50. Icare, dixit ubi es? qua te regione requiram?

51. Icare dicebat: pennas adspexit in undis
------
und pater infelix >>>> nec iam pater
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Beitragvon ostfriese » Fr 28. Dez 2007, 15:55

romane hat geschrieben:in der Antiuke wurde ein Toter 3x mit seinem Namen gerufen; also ist hier die Vorstellung des D, die, dass sein Sohn tot ist.

Beachte auch den Wechsel beim Tempus:

49. at pater infelix, nec iam pater, Icare, dixit,

50. Icare, dixit ubi es? qua te regione requiram?

51. Icare dicebat: pennas adspexit in undis
------
und pater infelix >>>> nec iam pater


die pater>pater stelle habe ich als paradoxon aufgefasst, stimmt das?
zur Totenanrufung: Danke, gibts dafür auch ein Stilmittel?
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Beitragvon Prodikos » Fr 28. Dez 2007, 15:58

Und schon wieder die Stilmittel :D
Also "Geminationes" sind es meiner Meinung nach nicht, da eine Geminatio die unmittelbar aufeinander folgende Dopplung des gleichen Begriffs bezeichnet.
Ich würde schlicht Repetitio sagen.

weitere Gedanken:
pater infelix nec iam pater
"Icare", dixit <-> "Icare" dicebat
zunächst der punktuelle Aspekt, dann der iterative (...er sprach (im Sinne von rief) immer wieder)
Vokativ, direkte Rede
regione requiram

ostfriese hat geschrieben:Positiv übersetzt:

devovitque suas artes: und er weihte seine Künste den Göttern


Ich würde diese Übersetzung allein schon aus inhaltlichen Gründen ausschließen, zumal die Götter dann elliptisch aufegefasst werden müssten. Nicht umsonst wird auch bereits in der Frage die Kunst in An- und Abführungszeichen präsentiert. Nichtsdestotrotz kann man in diesem Zusammenhang eine ambivalente Tendenz ausmachen, gerade wenn Bezug zu einer Stelle dieser Metamorphose, die dir aber nicht gegeben war, genommen wird.

Ov. met. VIII 188-189


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dixit et ignotas animum dimittit in artes
naturamque novat.


edit: zu langsam :(
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Beitragvon tami » Fr 28. Dez 2007, 16:14

Also "Geminationes" sind es meiner Meinung nach nicht, da eine Geminatio die unmittelbar aufeinander folgende Dopplung des gleichen Begriffs bezeichnet.


gero v. wilpert setzt geminatio = epanalapese
entweder werden wörter direkt hintereinander wiederholt oder nach zwischenschaltung eines wortes, zb: Hilf Gott, hilf! ; >Laß sausen durch den Hagedorn, laß sausen, Kind, laß sausen<

nicht um wieder eine diskussion zu starten, nur damit ostfriese nicht denkt, es sei falsch
ostfriese muss selbst wissen, wie er das genau nennen will


@prodikos: das mit den verdammten kasus hab ich schon verstanden, ich hab doch bereits gesagt substantiv war ein formulierungsfehler von mir: deshalb ersetze substantiv durch nomen...du hast ja selbst gesagt nomen im weiteren sinne, was ja dann heißt nomina = alle deklinierbaren wörter
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Beitragvon Prodikos » Fr 28. Dez 2007, 16:34

Mittlerweile glaube ich, dass es sich um psychologische Kriegsführung handelt. :D
Ja, ich habe verstanden, dass du verstanden hast, dass ich mich auf Nomina bezog. Aber so du ja selbst schreibst "alle deklinierbaren wörter", so sage ich eben, dass die für diesen Fachbereich relevanten Quellen eben nur von diesen schreiben und somit Verben nicht eingeschlossen sind. Wenn vom Kasus die Rede ist, können keine Verben gemeint sein. Finis.

Zur Geminatioproblematik: Ohne einen ausufernden Disput anzetteln zu wollen, begreife ich den Begriff der Geminatio insoweit, als dass es sich hier um eine Sonderform der Repetitio innerhalb desselben syntaktischen Zusammenhanges handelt. Von einer Zwischenschaltung einzelner Satz(glied)teile kann beim vorliegenden Beispiel m.E. keine Rede sein.
Die Aussage von ostfriese
ostfriese hat geschrieben:Die erste Frage: Mit Geminationes ( dem ständigen Nennen des Namens)

ist vielleicht ein wenig irreführend.
Die Aufeinanderfolge
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"Icare", dixit,
"Icare", dixit

halte ich auch für eine Geminatio, aber nicht die drei "Icare"s zusammen.
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Beitragvon ostfriese » Fr 28. Dez 2007, 17:18

Prodikos hat geschrieben:

devovitque suas artes: und er weihte seine Künste den Göttern


Ich würde diese Übersetzung allein schon aus inhaltlichen Gründen ausschließen, zumal die Götter dann elliptisch aufegefasst werden müssten. Nicht umsonst wird auch bereits in der Frage die Kunst in An- und Abführungszeichen präsentiert. Nichtsdestotrotz kann man in diesem Zusammenhang eine ambivalente Tendenz ausmachen, gerade wenn Bezug zu einer Stelle dieser Metamorphose, die dir aber nicht gegeben war, genommen wird.

Ov. met. VIII 188-189


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dixit et ignotas animum dimittit in artes
naturamque novat.

[/quote]

Ich zitiere von http://www.decemsys.de/ovid/daedtxt.htm:

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Wenn sich Ovid aber mit Daedalus identifiziert, sollte man den Ausdruck devovitque suas artes (Z.52) in seiner Doppeldeutigkeit sehen. In positiver Hinsicht heißt die Übersetzung: und er weihte seine Künste den Göttern. Von der Sicht des Dädalus würde dies bedeuten, daß er seine Flugapparate ohne demütige Übereinstimmung mit dem Willen der Götter angefertigt hat. Er hat eigenmächtig gehandelt, seine Künste seinen eigenen Fähigkeiten zugeschrieben und sie nicht dankbar als ein Geschenk der Götter ausgeübt. Er bereut sein Fehlverhalten und empfiehlt sich aufs neue den Göttern.
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Beitragvon Prodikos » Fr 28. Dez 2007, 17:44

Vollkommen richtig, ostfriese.

Ich meinte die rein inhaltliche Ebene des Mythos. Da erscheint es angesichts des wütenden Affekts, den man Dädalus im Moment des Todes seines Sohnes unterstellen könnte, unpassend.

Bezüglich der Identifikation Dädalus' mit dem Dichter ergibt sich da eine andere Deutungsnuance, was ich mit dem weiteren Zitat (Ov. met. VIII 188-189) in seiner Ambivalenz
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ignotas[...]artes
naturamque novat

<->
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devovitque suas artes

Ov. met. VIII 234

versucht habe anzudeuten.
Prodikos
 

Beitragvon romane » Fr 28. Dez 2007, 18:08

Meiner Meinung nach sollte man den PERDIX unbedingt hinzuziehen.
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Beitragvon Prodikos » Fr 28. Dez 2007, 18:40

Aber nicht, wenn man Daedalus an Hand der gegebenen Textstellen charakterisieren soll ;)
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Beitragvon ostfriese » Fr 28. Dez 2007, 18:45

Wie gesagt, ich bin flexibel :)
Habe mal ein Querverweis zu Ov. Met. VIII 236-259 (Perdix-Passage) gesetzt, um seinen Egoismus- wenn auch versfremd- zu zeigen.
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Beitragvon romane » Fr 28. Dez 2007, 19:33

Prodikos hat geschrieben:Aber nicht, wenn man Daedalus an Hand der gegebenen Textstellen charakterisieren soll ;)

:D
es bezog sich auf den Eintrag mit
http://www.decemsys.de/ovid/daedtxt.htm

wie soll es sonst gemeint sein? Wenn es sich auf die angegebenen Verse beziehen sollte, hätte ich das doch wohl schon vorher geschrieben.

und damit klinke ich mich aus - Weiteres nur über PN
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