Nondum omnium dierum solem occidisse

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Nondum omnium dierum solem occidisse

Beitragvon Fritz » Mo 6. Dez 2010, 10:25

Hallo Lateinfreunde

Das sagte Heiner Geissler zum Abschluss seiner Schlichtung. Auf gut
Deutsch: "Noch ist nicht aller Tage Abend".
Was mich interessiert ist "solem occidisse". Nach meinem Gefühl ist
das ein A.c.I., aber es fehlt das Verbum, das den A.c.I. nach sich zieht.
Ich vermute, dass das Sprichwort aus einem Zusammenhang gerissen
ist. Aber welcher Zusammenhang?
Wer kann hier helfen?
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Re: Nondum omnium dierum solem occidisse

Beitragvon Zythophilus » Mo 6. Dez 2010, 10:39

Livius XXXIX 26: Elatus deinde ira adiecit dann kommt der AcI. Philipp v. Makedonien soll es gsagt haben.
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Re: Nondum omnium dierum solem occidisse

Beitragvon Marcus » Mo 6. Dez 2010, 10:41

Der Satz ist Liv. 39, 26, 9 entnommen:
"elatus deinde ira adiecit nondum omnium dierum solem occidisse."
Dort steht also ein A.c.I. in der indirekten Rede.
M. E. müsste es eher sowas wie "Nondum omnium dierum sol occidit" heißen, wenn man sagen will "Noch ist die Sonne aller Tage nicht untergegangen".

Oder was meint ihr? :)
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Re: Nondum omnium dierum solem occidisse

Beitragvon Fritz » Mo 6. Dez 2010, 16:50

Vielen Dank an Marcus und Zythophilus
Inzwischen habe ich im Internet eine Diskussion zu obigem Spruch
gefunden. Ich bin jetzt etwas verunsichert. Es ist komplizierter als
ich anfangs annahm. Muss mich noch eingehender mit meiner lat.
Grammatik beschäftigen. Hier folgt der Text der Diskussion:

Re: Nondum omnium dierum solem occidisset.
(Autor: һ а n n e ѕ , 3.12.2010 19:57 Uhr )

Non salutans sis salutatus!
Quelle: Livius, Ab urbe condita, 39, 26,9,
wo es heißt:
"[...] adiecit nondum omnium dierum solem occidisse."
Das ist, abhängig von dem Prädikat "adiecit", Indirekte Rede, die im Lateinischen in der Form des AcI wiedergegeben wird.
Deutsch: "[...] setzte er hinzu, noch sei die Sonne aller Tage nicht untergegangen."
Als Sprichwort wird der Satz in die Wörtliche Rede umgeformt:
"Noch ist die Sonne aller Tage nicht untergegangen."
Auf Lateinisch: Nondum omnium dierum sol occidit.
In dem Zitat ist occidere = untergehen intransitiv, kann also
kein Akkusativobjekt bei sich haben. Der Satz muss lauten:
Nondum omnium dierum sol occidisset.
Wie schon gesagt: occidit.
Es gibt allerdings eine zweite Version von occidere und die
bedeutet "zu Boden schlagen". Hier ist nun das Akkusativobjekt
solem richtig und die wörtliche Übersetzung lautet: Es wurde
noch nicht die Sonne aller Tage zu Boden geschlagen. Eine sehr
merkwürdige Diktion!
Fürwahr! Denn wieso soll dieses occidit Nr. 2 nun plötzlich ein Passiv sein? So gesehen würde der Satz heißen:
"Er/sie/es hat noch nicht die Sonne aller Tage niedergemacht."
Auf Lateinisch hieße der Satz in wörtlicher Rede:
Nondum omnium dierum solem occidit.
Was wäre dazu zu sagen?
Dass im lateinischen Original, das ja als Indirekte Rede ein AcI ist, unbedingt im Akkusativ genannt sein müsste, wer das (noch nicht) getan hat: entweder als Name oder als Pronomen (z. B. se oder eum/eam/eos/eas).
Der einzige Akkusativ des Originalsatzes (solem) muss also das Subjekt zu "occidisse" sein, kann also nicht in diesem zweiten Sinn aufgefasst werden.
Es kann sich nur um occidere/untergehen handeln, will man nicht auf die Übersetzung hinaus: "... noch habe die Sonne aller Tage nicht niedergemacht."
Vale!
H.
Fritz
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Re: Nondum omnium dierum solem occidisse

Beitragvon Zythophilus » Mo 6. Dez 2010, 17:47

So kompliziert ist es nicht.
Die Übersetzung
Fritz hat geschrieben:Deutsch: "[...] setzte er hinzu, noch sei die Sonne aller Tage nicht untergegangen."
ist korrekt. Alles andere ist ein ein wenig sophistisch anmutendes Gedankenspiel, ob denn auch das gleich aussehende Verb occidere mit der Bedeutung "niederschlagen" passen würde. Es passt nicht.
Da der Spruch im Original ein AcI ist, wird er gelegentlich auch so zitiert; man kann natürlich zu ... sol ... occidit. umformen.
VALE
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Re: Nondum omnium dierum solem occidisse

Beitragvon Fritz » Mo 6. Dez 2010, 20:34

Ja, das ist richtig formuliert. Man sollte tatsächlich immer den Originaltext
zitieren, auch wenn er wegen seiner Kürze grammatikalisch "in der Luft
hängt".
Grüsse Fritz
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