Prädikativum oder Adverbial?

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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Zythophilus » Do 2. Okt 2014, 06:36

Eine deutsche Grammatik für Muttersprachler sieht auch anders aus für jemanden, der Englisch als Muttersprache, und die für Französischsprachige ist wiederum anders; das betrifft nicht nur die Sprache.
Eine Rücksichtnahme auf die Sprache des Lerners und ein Vergleich mit deren Grammatikphänomene können durchaus sinnvoll sein.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon iurisconsultus » Do 2. Okt 2014, 09:40

Herzlichen Dank für die vielen Antworten! Ich denke, ich habe es nun mehr oder weniger verstanden.

Häufig wird es aber schwierig sein (aus dem Zusammenhang) festzustellen, ob das Adjektiv (besser) als Attribut oder als Prädikativum (Adverb) zu übersetzen ist. Liberi laeti cantant kann heißen: Die fröhlichen Kinder (Attribut) singen oder die Kinder singen fröhlich (Prädikativum).

Bei Substantiven, die Alter, Amt oder Zustand angeben, scheint mir dieses semantische Problem aber nicht in diesem Ausmaß zu bestehen. ME kann Cicero consul coniurationem patefecit heißen: Der Konsul Cicero (Attribut) deckte eine Verschwörung auf oder Cicero deckte als Konsul (Prädikativum) eine Verschwörung auf. Beide Sätze lese ich dergestalt, dass Cicero die Verschwörung als (er) Konsul (war) aufdeckte, mag dies auch bei der prädikativen Übersetzung deutlicher zum Ausdruck kommen.

Valete!
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Re: Laptop, du schimpfst zuviel!

Beitragvon Prudentius » Do 2. Okt 2014, 10:29

Die Kinder sangen als fröhliche => sagt kein Mensch, solche Ausdrücke existieren nur in der Welt der Grammatiker


Im Gegenteil, wir verdienen hier ein Lob, weil wir versuchen, den Lernenden eine Verständnisbrücke zu bauen; du musst die didaktische Situation berücksichtigen; dass das kein Mensch sagt, ist uninteressant, es ist ja nicht zum alllgemeinen Gebrauch empfohlen. Positiv finde ich aber, dass du uns eine eigene Welt zubilligst :) .
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Re: Laptop, du schimpfst zuviel!

Beitragvon iurisconsultus » Do 2. Okt 2014, 13:14

Also ich finde, Laptop hat die Schwierigkeiten beim Übersetzen des Prädikativums didaktisch ausgesprochen gut und keineswegs de­s­pek­tier­lich erläuert und dabei nicht ("zu·viel" [zu = Steigerungspartikel]) "geschimpft". :D
Zuletzt geändert von iurisconsultus am Do 2. Okt 2014, 16:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Prudentius » Do 2. Okt 2014, 16:16

wird es aber schwierig sein (aus dem Zusammenhang) festzustellen, ob das Adjektiv (besser) als Attribut oder als Prädikativum (Adverb) zu übersetzen ist.


die Schwierigkeiten beim Übersetzen des Prädikativums


Hallo Iurisconsultus,

ich glaube, du bist noch nicht auf der richtigen Ebene angekommen, auf der man die Sache verstehen kann; es geht nicht darum, wie man das Prädikativum übersetzt, sondern was es ist; man braucht dazu Definitionen, damit man sich an etwas halten kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ich kann ja mal was vorschlagen.
Substantiv "die Kinder" bekommt ein Attribut: "die fröhlichen Kinder"; "die Kinder" ist ein Begriff; "fröhlich" ist ein Begriff"; "die fröhlichen Kinder" ist dann ein Unterbegriff von "die Kinder"; wem das zu theoretisch ist, der kann sich ja Dateien und Ordner vorstellen; "Kinder" ist ein Name eines Ordners, und innerhalb von dem wird ein Unterordner aufgemacht: "fröhliche Kinder".
Also unter "Attribut" können wir einen Unterbegriff oder einen Unterordner verstehen.

Nützlich ist auch zu erkennen: beim Attribut ergibt sich von selbst die Frage: Und was ist mit den Kindern, die nicht fröhlich sind?

Jetzt geben wir den Kindern ein Prädikativum; dazu bilden wir einen Oberbegriff; "fröhlich" soll jetzt alle Kinder umfassen; also mit den Ordnern: wir bilden außerhalb des Ordners "Kinder" einen neuen Ordner "fröhlich" und verschieben die "Kinder" in diesen hinein; dann haben wir das Prädikativum.

Es ist also ein Vorschlag, um die Sache zu veranschaulichen: Prädikat ist ein Oberbegriff (Oberordner) des Subjekts, Subjekt ist ein Unterbegriff (Unterordner) von Prädikat. (Präzise ausformuliert ist das ganze aber noch nicht, ich versuche eben, die Diskussion aus dieser Atmosphäre des Nebelhaften herauszubringen).

Wenn du also untersuchen willst, ob du attributiv oder prädikativ übersetzen sollst, dann musst du fragen, ob das Adjektiv Unter- oder Oberbegriffm zum Subjekt ist.

Im D. und Gr. ist diese Frage durch die Artikelklammer vorentschieden; nur im L. kommen wir in diese Verlegenheit: wir müssen uns selbst helfen.

Der Artikel hat also eine bedeutende logische Funktion; ich weiß nicht, ob das so in der Duden-Grammatik steht.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon romane » Do 2. Okt 2014, 16:54

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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon iurisconsultus » Do 2. Okt 2014, 16:59

Ebenfalls hallo Prudentius!

Zunächst einmal möchte ich danke sagen für das ausführliche Gleichnis. Wie sich aus meinem vorletzten Beitrag ergibt, bin ich mir aber durchaus bewusst, dass (zumindest*) bei Adjektiven ein semantischer Unterschied zwischen attributiver und prädikativer Verwendung besteht: Die fröhlichen Kinder sangen (die betrübten nicht) ≠ Die (alle) Kinder sangen und waren (dabei) fröhlich. Du schreibst: "Wenn du also untersuchen willst, ob du attributiv oder prädikativ übersetzen sollst, dann musst du fragen, ob das Adjektiv Unter- oder Oberbegriff zum Subjekt ist." Ich versetze: Eben das wird sich nicht immer zweifelsfrei aus dem (Text-)Zusammenhang ergeben, was die Übersetzung unsicher macht. (Zumindest) in dieser Hinsicht ist die deutsche Syntax klar im Vorteil; eine dünkelhafte Aussage in diesem Forum, ich weiß. :D

________________________________________
*s. den letzten Absatz des vorletzten Beitrags.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Laptop » Do 2. Okt 2014, 18:28

Bei der Wahl der richtigen Interpretation, ob Attribut oder Prädikativum, hilft keine Definition oder grammatikalische Schublade. Nur das Textverständnis, und, was je nach Kontext der Intention des Autors naheliegender erscheint.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Tiberis » Fr 3. Okt 2014, 00:37

Prudentius hat geschrieben:Jetzt geben wir den Kindern ein Prädikativum; dazu bilden wir einen Oberbegriff; "fröhlich" soll jetzt alle Kinder umfassen; also mit den Ordnern: wir bilden außerhalb des Ordners "Kinder" einen neuen Ordner "fröhlich" und verschieben die "Kinder" in diesen hinein; dann haben wir das Prädikativum.

also ich finde dieses hin- und hergeschiebe von irgendwelchen ober- und unterordnern nicht sehr erhellend. hätte man mir das einst so "erklärt", ich wüßte bis heute nicht, was ein prädikativum ist. :verwirrt:
wie auch immer... wir sollten jedenfalls nicht vergessen, dass es hier um spache geht und nicht um dateien.
außerdem fehlt in deiner "definition" etwas ganz entscheidendes, nämlich der bezug auf das prädikatsverb.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Zythophilus » Fr 3. Okt 2014, 07:18

Bezeichnungen sind sekundär und nicht unbedingt hilfreich.
Es ist schön, wenn ich in Pueri laeti cantant. das Adjektiv als Prädikativum bezeichnen kann, aber es ist besser, wenn ich generell weiß, dass ich so formulieren soll, auch wenn ich die Bezeichnung nicht kenne.
Ich würde freilich nicht ausschließen, dass es in ähnlich gelagerten Fällen ohne große Änderung der Aussage auch ein Adverb statt eines mit dem Subjekt überein gestimmten Adjektivs geben kann.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Prudentius » Fr 3. Okt 2014, 09:53

Hallo Tiberis, ich wollte das noch aufgreifen:

einfacher wäre: ein prädikativ bezeichnet den zustand des nomens (subjekt/ objekt) während der dauer der durch das prädikatsverb ausgedrückten handlung.


Nanu: "zustand des nomens"? Das Nomen bleibt ewig ein "deklinierbares Wort" oder so, es erleidet gar keine Zustände! Unterscheide: Begriffsnamen und -inhalt!

Noch einfacher mein Vorschlag: "Das Prädikativum bezeichnet einen Oberbegriff des Subjekts"; bei eurem Vorschlag gefällt mir auch nicht, dass ihr die Begriffe "Dauer" und "Handlung" hereinbringt: sie sind nicht relevant.

lgr. P.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon RM » Fr 3. Okt 2014, 10:00

Prudentius hat geschrieben:"Das Prädikativum bezeichnet einen Oberbegriff des Subjekts"

Wie soll man das denn verstehen? In Pueri laeti cantant ist "laeti" sicher kein Oberbegriff des Subjektes, sondern eine Eigenschaft, von mir aus auch Zustand (was hast Du dagegen?) desselben.

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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon iurisconsultus » Fr 3. Okt 2014, 10:19

Prudentius hat geschrieben:bei eurem Vorschlag gefällt mir auch nicht, dass ihr die Begriffe "Dauer" und "Handlung" hereinbringt: sie sind nicht relevant.

Ich rücke hier mal Menge, Lateinische Syntax § 277 ein:
Ein wichtiger Unterschied zwischen Attribut und Prädikativum besteht vor allem darin, dass das Attribut i.d.R. dauernde Eigenschaften ausdrückt, während das Prädikativum eine Eigenschaft benennt, die nur für die Dauer der Verbalhandlung wichtig ist (ob sie davor oder danach weiter besteht, ist gleichgültig).

Man vergleiche die beiden Sätze:
a) Max hat die Hemden sauber aus dem Schrank geholt.
b) Max hat saubere Hemden aus dem Schrank geholt.

Satz a) könnte fortgesetzt werden mit: 'sie danach aber schmutzig gemacht'; während vor der Äußerung von b) vielleicht gesagt wurde: 'In dem Schrank sind doch keine sauberen Hemden.' Geht es im Kontext von b) nur um die sauberen Hemden, ist bei a) außerdem von Bedeutung, dass die Hemden, als sie im Schrank lagen, noch sauber waren (Bezug auf den Zeitpunkt des Hervorholens).

Davon ist wiederum zu trennen der (umgangssprachliche) Satz c) Max hat die Hemden sauber (Adverb) aus dem Schrank geholt. Hier wird eine (lobende) Aussage über den Verbalvorgang getroffen.

Schließlich ist in dem Satz d) Die Hemden von Max sind sauber das Adjektiv 'sauber' das Prädikatsnomen und somit eine obligatorische Ergänzung, wenn das Verb 'ist' seine Funktion als Kopula behalten soll ('Die Hemden sind' wäre eine Existenzaussage.) Im Gegensatz zum Prädikatsnomen als einer notwendigen Ergänzung ist das Prädikativum eine freie Angabe.

Das scheint sich mit der deutschen Grammatik zu decken.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Tiberis » Fr 3. Okt 2014, 10:41

Prudentius hat geschrieben: "zustand des nomens"? Das Nomen bleibt ewig ein "deklinierbares Wort" oder so, es erleidet gar keine Zustände! Unterscheide: Begriffsnamen und -inhalt!


damit hast du natürlich recht, o Prudenti, zumindest formal. :D
der terminus "nomen" erleidet naturgemäß keine zustände :lol: ; selbstverständlich sind die "zustände" der person(en) gemeint, die durch das nomen bezeichnet ist/sind.
Prudentius hat geschrieben: bei eurem Vorschlag gefällt mir auch nicht, dass ihr die Begriffe "Dauer" und "Handlung" hereinbringt: sie sind nicht relevant.

doch, sind sie.
RHH schreibt z.b. (§ 111) : Ajektive (und appositionelle substantive) können...auch den zustand einer person und sache in ihrem verhältnis zur verbalhandlung bezeichnen (..): prädikatives zustandsattribut.
und bei Menge (277,3) ist zu lesen: " ein wichtiger unterschied zwischen attribut und praedikativum besteht also vor allem darin, dass das attribut v.a. dauernde eigenschaften ausdrückt, während das prädikativum eine eigenschaft benennt, die nur für die dauer der verbalhandlung wichtig ist."
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Prudentius » Fr 3. Okt 2014, 20:12

außerdem fehlt in deiner "definition" etwas ganz entscheidendes, nämlich der bezug auf das prädikatsverb.


Das wird leicht nachgeliefert: das Prädikatsverb ist ein Oberbegriff zum Subjektsbegriff: bei "Die Kinder sangen fröhlich" umschließt der Begriff "die sangen" alle Kinder (in dieser Situation).

Der Oberbegriff passt für Prädikat ebenso wie für Prädikativum.
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