Metrik: o im Auslaut

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Metrik: o im Auslaut

Beitragvon Penthesilea » So 12. Okt 2014, 20:17

Cari sodales

Ich bin ziemlich verwirrt und wäre froh, wenn Ihr weiterhelfen könnt. Wir lernen doch in der lateinischen Metrik, dass o im Auslaut lang ist (ausser modo). Gut. Aber in diesem elegischen Distichon Martials scheint mir das o in vispillo kurz zu sein. :shock: Ansonsten gehen der Hexameter und Pentameter ja nicht auf. Wie ist das möglich?

Núper erát medicús, nunc ést vispíllo Diáulus.
Quód vispíllo facít, fécerat ét medicús.

Herzlichen Dank für Eure Hilfe im Voraus.
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon marcus03 » So 12. Okt 2014, 20:28

Das o ist ein Nominativ-o. Warum sollte das lang sein ? :?

cf: homo, tiro, pugio, ...
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon Zythophilus » So 12. Okt 2014, 20:48

Der Nominativ -o der kons. Dekl. ist ursprünglich wie auch die 1.P.Sg. von Verben lang. Im Laufe der Zeit wird diese Silbe aber kurz, und bei Martial ist sie das schon in der Mehrzahl der Fälle so.
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon SursumDeorsum » So 12. Okt 2014, 20:50

Es handelt sich um eine Endsilbenkürzung, die seit der neronischen Zeit immer mehr gebräuchlich ist, vgl. folgenden programmatischen Juvenalvers:

Si natura negat, facit indignatio versum, wo das -o von indignatio kurz ist.

Mitunter wird auch munter variiert, beispielsweise ebenfalls in einem Juvenalvers:

Hoc volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas, wo das erste -o bei 'volo' kurz, aber bei 'iubeo' lang gemessen wird.
Pangere non potuit nisi potus scurra Cratinus;
sunt mihi fata eadem: Pierides madeant!


Mox Melitam multo mala murmure maltha migrabit.

Iuppiter est, quodcumque vides, quodcumque moveris.
Sortilegis egeant dubii semperque futuris
Casibus ancipites: me non oracula certum,
Sed mors certa facit. Pavido fortique cadendum est:
Hoc satis est dixisse Iovem.
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon Zythophilus » So 12. Okt 2014, 21:02

Auch bei Ovid kommt diese Kürzung schon gelegentlich vor.
Amores II 5,54 hat geschrieben:et volo non ex hac
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon Penthesilea » So 12. Okt 2014, 21:26

Herzlichen Dank für die Antworten. Und ja, lieber Marce, in Friedrich Crusius' Römische Metrik sowie in Stephan Flachers Lateinische Metrik steht klipp und klar: "o im Auslaut ist lang, kurz ist es in der klassischen Dichtung in dem Adv. modo und in quomodo". So sind zB auch bei ago und video die -o eindeutig lang. Da gibts eigentlich nichts zu rütteln und es ist glasklar (Ausnahme wäre wohl das Iambenkürzungsgesetz). Deshalb verwirrt mich der vispillo hier nach wie vor. Das Ganze hat hier natürlich nichts mit dem Iambenkürzungsgesetz zu tun, sondern halt mit sonst einer Silbenkürzung, einer Endsilbenkürzung, so wie es SursumDeorsum schreibt, richtig? Okay, dann muss ich mir das einfach so merken. Herzlichen Dank!
Zuletzt geändert von Penthesilea am So 12. Okt 2014, 21:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon Penthesilea » So 12. Okt 2014, 21:32

PS: Nochmals vielen Dank für den Hinweis, SursumDeorsum! Ich lese gerade bei Crusius den Paragraphen zur Endsilbenkürzung: "... dass viele von den ursprünglich meist langen Quantitäten der Endsilben im Lauf der Zeit sich verkürzt haben. Diese Endsilbenkürzung ist von der Iambenkürzung zu unterscheiden, obwohl sie von der Iambenkürzung ihren Ausgang nimmt. Deutlich lässt sich das bei den Wörtern auf -o beobachten. Kurzmessung von -o im Nom.Sg. der 3. Dekl. und der 1. Ps. Sg. von Verbalformen findet sich in der älteren Sprache nur in jambischen Wörtern, zB duo (...). :klatsch:
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon Laptop » So 12. Okt 2014, 21:35

Die Endsilbe -i hat sich aber auch nachklass. nicht verkürzt, die Endsilbe -o durften schon klass. Dichter kürzen. Die Aussage
o im Auslaut ist lang, kurz ist es in der klassischen Dichtung in dem Adv. modo und in quomodo
entspricht nicht den Tatsachen, da gibt es auch nichts dran zu rütteln :-)
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon Penthesilea » So 12. Okt 2014, 21:43

Doch, doch, Laptop, oder denkst Du, Friedrich Crusius lag falsch? o im Auslaut ist lang, das steht bei ihm klipp und klar. Aber eben: man muss das Iambenkürzungsgesetz und die Endsilbenkürzung beachten. Und dann kann o im Auslaut schon auch kurz sein. Jetzt ist alles klar und es passt. Nochmals herzlichen Dank an alle für die Hilfe!
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon Zythophilus » So 12. Okt 2014, 21:48

Wenn man Vergil heranzieht, dann wird man feststellen, dass die Kürzung nur bei scio und nescio vorkommt, wobei letzteres vor allem in formelhaften Wendungen wie nescio quod steht.
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon ille ego qui » Di 14. Okt 2014, 08:12

marcus03 hat geschrieben:Das o ist ein Nominativ-o. Warum sollte das lang sein ? :?

cf: homo, tiro, pugio, ...


was für ein wörterbuch benutzt du denn? die o's sind alle klassisch lang.
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon marcus03 » Di 14. Okt 2014, 09:05

ille ego qui hat geschrieben:die o's sind alle klassisch lang.


Warum zeigt der Georges das nicht an ? :? Soweit ich weiß, gilt im Georges alles als kurz, was nicht anders gekennzeichnet ist. Fallor ?
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon ille ego qui » Di 14. Okt 2014, 11:24

salve,

in der tat. da erinnere ich mich, dass mir das im georges bei den endvokalen schon häufiger aufgefallen ist - in eben solchen fällen. und wir konnten hier im forum ja beispielsweise nachweisen - wenn auch mit mühe -, dass in wörtern wie veru, gelu etc. (nom.) das -u lang ist (was nicht nur im georges, sondern auch sonst oft nicht angezeigt wird).
für homo mit kurzem -o ein beleg aus klassischer poesie:
Q. Horatius Flaccus. Sermones (Q. Horati Flacci Opera, ed. F.
Klingner, 1959). (0893: 004)

book 1, poem 2, verse 31

quidam notus homo cum exiret fornice, 'macte


nebenbei: im gegensatz etwa zu tiro ist homo ja nicht nur ein kandidat für endsilbenkürzung, sondern für echte jambenkürzung.

vale(te).
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon ille ego qui » Di 14. Okt 2014, 11:27

an solchen stellen frage ich mich, wie georges nun wirklich mit den quantitäten verfährt. wird bisweilen bei fällen, wo sich sowohl länge als auch kürze findet (bzw. in zweifelsfällen), der längenstrich einfach weggelassen? :?
(denn wie schon gesagt: bei wörtern wie den besprochenen ist der lange vokal als primär anzusehen, abweichungen davon häufen sich aber mit der zeit).
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Re: Metrik: o im Auslaut

Beitragvon RM » Di 14. Okt 2014, 20:38

marcus03 hat geschrieben:Soweit ich weiß, gilt im Georges alles als kurz, was nicht anders gekennzeichnet ist. Fallor ?

Davon steht im Georges nichts. Klotz machte es aber fast genauso. So, wie ich das sehe, ist dort das als lang bzw. im Klotz auch als kurz gekennzeichnet, was zweifelsfrei lang bzw. kurz ist. Ich denke aber nicht, dass die Bearbeiter von damals alle Stellen zur Verfügung hatten.

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