Frage zu einem Satz

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Frage zu einem Satz

Beitragvon iurisconsultus » Mi 15. Okt 2014, 16:32

Seid gegrüßt ihr Koryphäen!

Bei folgendem lateinischen Relativsatz sind mir grammatische Bedenken gekommen, die ihr aber sicher leicht ausräumen könnt ;):

Ergō nūlla spēs est mihi, quī nec ipse pecūniam habeō nec amīcum tam pecūniōsum, ...

Für mich also besteht keine Hoffnung, der ich selbst weder Geld habe noch ...

Irgendwie klingt qui hier "schief", zumindest bei einer wörtlichen deutschen Übersetzung. Jedenfalls hätte ich in dem Satz eher ein kausales quod gesetzt.

Vielen Dank für eure Hilfe!

Valete!
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Re: Frage zu einem Satz

Beitragvon marcus03 » Mi 15. Okt 2014, 16:56

Der Satz ist grammatisch nicht zu beanstanden. Ich hätte zwar ein HABEAM verwendet/erwartet, um den Relativsatz kausal einzufärben, aber zwingend notwendig ist das nicht, zumal klar ist, in welchem Sinn er zu verstehen ist.
Der Relativsatz ist hier nur "geschmacksneutral". Meist aber steht wohl ein Konjunktiv in solchen Fällen, um den Nebensinn explizit auszudrücken.

cf:
http://members.aon.at/latein/Relativsatz.htm#Kausale
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Re: Frage zu einem Satz

Beitragvon Zythophilus » Mi 15. Okt 2014, 16:59

Im heutigen Deutsch mag ein Relativsatz, der mit "der ich" beginnt, etwas ungewöhnlich klingen, aber im Lateinischen ist ein Relativsatz, in dem sich das Relativpronomen auf die 1.P. im übergeordneten Satz bezieht, kein Problem. Nehmen wir einmal Cicero (Cat. IV 3): Nec tamen ego sum ille ferreus, qui ... non movear.
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Re: Frage zu einem Satz

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 15. Okt 2014, 17:51

Salve iurisconsulte,
Auch später war das kein Problem, z.B. im Kirchenlatein, hier in der 2.Pers.Sg.:
Pater noster, qui es in caelis....
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Re: Frage zu einem Satz

Beitragvon marcus03 » Mi 15. Okt 2014, 18:09

Salve, med.dom.

Beatus es , qui in tam pulchra regione patriae nostrae habitas/habites. :)
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Re: Frage zu einem Satz

Beitragvon iurisconsultus » Mi 15. Okt 2014, 18:54

Alles klar! Vielen Dank euch allen für die lehrreichen Antworten und Nachweise.

Schöne Grüße aus Linz!
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Re: Frage zu einem Satz

Beitragvon Laptop » Do 16. Okt 2014, 23:39

Entweder man übersetzt wörtlich (gut für das Sprach-Verständnis!) mit einem dann oft altertümlichen/gestelzt/fingiert/unüblich klingendem Ausdruck (schlecht für den Lesefluß!). Oder aber man übersetzt modern und freier (gut für den Lesefluß, schlecht für das Text-Verständnis!). Das ist das Dilemma. Ich denke beides hat seine Berechtigung, solang man einen Übersetzungstil konsequent durchzieht.

Ähnlich zu dem hier besprochenen altertümlichen Ausdruck ist auch der altertümliche Ausdruck
..., ut sunt: ... (“..., als da sind: ...”).
Wenn man das mit “..., nämlich: ...” frei übersetzt, geht das tiefere Verständnis für diesen Ausdruck komplett verloren.
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Re: Frage zu einem Satz

Beitragvon Prudentius » Sa 18. Okt 2014, 08:21

Im heutigen Deutsch mag ein Relativsatz, der mit "der ich" beginnt, etwas ungewöhnlich klingen


Überhaupt kann man wohl sagen, wir haben im D. Relativsätze nur in der 3. Person.

Wir würden dann auch so beten: "Vater unser, der im Himmel ist", noch besser die modernere Fassung: "Vater unser im Himmel", noch moderner "Unser Vater im Himmel"; aber man muss jetzt auf die Fragen der Kinder gefasst sein.
Das Gebet heißt ja "...qui es in coelis", also der Himmel im Plural, die antike 7-Sphären-Kosmologie hat man wohl noch nie dem d. Beter zumuten können.
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Re: Frage zu einem Satz

Beitragvon consus » Sa 18. Okt 2014, 11:40

Prudentius hat geschrieben:... noch moderner "Unser Vater im Himmel"...
Servus, Prudentius! In der freudigen Erwartung eines schönen Herbsttages ist es heute Morgen vemutlich leichter, die noch modernere Fassung, die sich in einem schauerlichen Machwerk mit dem Titel Bibel in gerechter Sprache* (Mt 6, 9) findet, zu ertragen:
Du, Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel...

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* Denis Scheck würde wohl sagen: Ab in die Tonne!
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