Donatus vs. Menge

Für alle Fragen rund um Latein in der Schule und im Alltag

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Donatus vs. Menge

Beitragvon iurisconsultus » Mi 22. Okt 2014, 15:11

Salvete Sodales!

Donatus führt in seiner Ars Minor (darauf gestoßen durch den großartigen Ørberg) die Konjunktion enim als coniunctio rationalis und nicht als coniunctio causalis an (cf. http://www.intratext.com/IXT/LAT0192/_P6.HTM); demgegenüber steht sie bei Menge et al., 4. Auflage, soweit ich sehe, (nur) als kausale und nicht (auch) als konsekutive Konjunktion (cf. § 404 [1] [b] und [c]; ebenso RHH, 12. Auflage § 224d und § 224e). Dorthin hätte auch ich sie gesetzt. Aber wohin gehört sie denn nun wirklich? :lol:

Maximas Gratias!
Qui statuit aliquid parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
(Sen. Med. 199-200)
Benutzeravatar
iurisconsultus
Dictator
 
Beiträge: 1238
Registriert: Di 31. Dez 2013, 15:37
Wohnort: Lentiae, in capite provinciae Austriae Superioris

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Zythophilus » Mi 22. Okt 2014, 15:46

Wohl zu beiden.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 16924
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon iurisconsultus » Mi 22. Okt 2014, 15:55

Danke Zythophilus, aber dann müsste man wohl alle drei genannten Grammatiken überarbeiten. :D
Qui statuit aliquid parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
(Sen. Med. 199-200)
Benutzeravatar
iurisconsultus
Dictator
 
Beiträge: 1238
Registriert: Di 31. Dez 2013, 15:37
Wohnort: Lentiae, in capite provinciae Austriae Superioris

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Prudentius » Mi 22. Okt 2014, 16:41

aber dann...


...und nicht nur dann... :-D

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen causale und rationale? Realer und gedachter Grund? Aber auch der reale Grund ist ein gedachter Grund, denn jedes Kausalgesetz ist ein von Menschen gedachtes Gesetz.

Von konsekutiv ist nicht die Rede.
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon iurisconsultus » Mi 22. Okt 2014, 17:42

Prudentius hat geschrieben:Was ist eigentlich der Unterschied zwischen causale und rationale? Realer und gedachter Grund? Aber auch der reale Grund ist ein gedachter Grund, denn jedes Kausalgesetz ist ein von Menschen gedachtes Gesetz. Von konsekutiv ist nicht die Rede.

Ich denke Donatus versteht unter coniunctiones rationales sehr wohl konsekutive (schlussfolgernde) Konjunktionen, was auch die Beispiele zeigen. Wie du richtig sagst, hätten zwei Kategorien kausaler Konjunktionen auch keinen Sinn.
Qui statuit aliquid parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
(Sen. Med. 199-200)
Benutzeravatar
iurisconsultus
Dictator
 
Beiträge: 1238
Registriert: Di 31. Dez 2013, 15:37
Wohnort: Lentiae, in capite provinciae Austriae Superioris

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Laptop » So 26. Okt 2014, 00:11

Wo bitte kann enim konsekutivem Sinn haben? Ich glaube nicht, daß Donat “rationalis” allein i. S. v. “ratiocinalis” (was sich mit unserer modernen Bezeichnung “konsekutiv” deckt) meint. Das ergäbe wenig Sinn, da der Sinn von “enim” komplementär zu konsekutivem Sinn steht. Mit nam bzw. enim wird eine begründende Erläuterung eingeleitet, was man _ungefähr_ zum kausalen Funktionskomplex zugehörig sehen kann. _Ungefähr_, weil eine Erläuterung oft nebensächlicher ist, und nicht eine vollständige Begründung ergeben muß.

Konsekutiver Sinn steht komplementär zu kausalem Sinn, d. h. es geht in die andere Richtung:
“Wolken weg, somit erscheint Sonne” ist dasselbe wie “Sonne erscheint, weil Wolken weg”

Ich denke Donat meint mit “rationalis” den Mischbegriff aus beidem, sozusagen das übergeordnete Prinzip “Grund und Wirkung” ohne sich festzulegen auf kausale oder konsekutive Richtung. Nicht, weil er sich nicht auf eine Richtung festlegen will, sondern weil es damals unüblich war die Dinge so differenziert zu betrachten wie man es heute tut. Wir betrachten schließlich auch heute die Dinge undifferenzierter als irgendwann in 100 Jahren.

Donat unterteilt die Konjunktionen in fünf Schubladen:
copulativas (et, que, at, atque, ac, ast)
disiunctivas (aut, ve, vel, ne, nec, neque)
expletivas (quidem, equidem, saltim, videlicet, quamquam, quamvis, quoque, autem, porro, porro autem, tamen)
causales (si, etsi, etiamsi, si quidem, quando, quando quidem; quin, quin etiam, quatinus, sin, seu, sive, nam, namque, ni, nisi, nisi si, si enim, etenim, ne, sed, interea, licet, quamobrem, praesertim item, itemque, ceterum, alioquin, praeterea)
rationales (ita, itaque, enim, enimvero, quia, quapropter, quoniam, quoniam qui. dem, quippe, ergo, ideo, igitur, scilicet, propterea, idcirco)


In vielen Punkten erscheint mir diese Einteilung Donats auch unsinnig und wirr, zumindest kann ich nicht nachvollziehen, warum die Konjunktionen “si”, “enim”, “sed” und “interea” alle unter “causales” aufgeführt werden ...
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
Benutzeravatar
Laptop
Augustus
 
Beiträge: 5737
Registriert: Sa 12. Mai 2007, 03:38

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Prudentius » Mo 27. Okt 2014, 21:04

kann ich nicht nachvollziehen, warum die Konjunktionen “si”, ... unter “causales” aufgeführt werden ...


Der Zusammenhang der Konditional- und Kausalsätze ist sehr eng, beide geben ja dasselbe Naturgesetz wieder; "wenn die Wolken weggehen, erscheint die Sonne" hat unbestimmte Teilsätze, und "weil..." bestimmte; die Grammatik kann diesen Zusammenhang nicht erkennen, da sie nur von der Verschiedenheit der Vokabeln si und cum ausgeht.

Man sollte auch im Auge haben, dass Kausalität in der Antike etwas anderes bedeutete als in der Moderne; man kannte nur die direkte Einwirkung, wie bei den Billardkugeln; dass Gravitation der Sonne und Fliehkraft auf die Erde wirken, konnte man noch nicht erkennen.
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Laptop » Mo 27. Okt 2014, 22:49

Sicherlich, bei dem was Donat “causales” nennt, überwiegen Konjunktionen mit konditionalem und konzessivem Sinn. Aber es ist ja nicht nur diese eine Seltsamkeit. Bei Donat geht alles drunter und drüber, Konjunktionen, die man heute zusammenfassen würde, führt er in verschiedenen Kategorien auf, und Konjunktionen, die man heute in verschiedenen Kategorien aufführen würde, fasst er zusammen:

at (copulativa) und sed (causalis)
etsi (causalis) und quamvis (expletiva)
nam (causalis) und enim (rationalis)
ideo (rationalis) und quia (rationalis)
quamobrem (causalis) und quia (rationalis)
usw.

Wie ist das alles zu erklären? Aber selbst wenn man nun bei Donat eine gewisse Logik findet, der Fehler ist schon der, eine Gleichung herzustellen zw. Konjunktion x mit der Funktion y. Denn die meisten Konjunktionen haben mehrere Funktionen. Ich kann es nicht anders sagen, Donat ist für mich mit die schlechteste lat. Literatur, die mir untergekommen ist.
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
Benutzeravatar
Laptop
Augustus
 
Beiträge: 5737
Registriert: Sa 12. Mai 2007, 03:38

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon RM » Di 28. Okt 2014, 20:22

Sag mal, Laptopi,

warst Du eigentlich schon im Colloquium Latinum Francofurtense? Das gibt's einmal im Monat im Adler in Ginnheim, das nächste findet am 1. November statt.
Da trifft man nämlich Herausgeber der Ars Minor und der Ars Maior und kann mit ihm besprechen, wie gut oder schlecht das alles war, was Donat geschrieben hat. :)

8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Laptop » Mi 29. Okt 2014, 04:18

Hallo RM, interessant zu hören, ist dort zufällig auch jemand von der Altphilologie der Goethe-Uni?

Übrigens, hast du meine letzte PM bekommen? Ich hatte versucht darauf hinzuweisen, daß beim Normalisieren auch Sinn und Intention des Textes leiden kann. Viele typographische Eigenheiten sind semantisch sicherlich überflüssig. Manche aber nicht, wenn der Autor bspw. mit einer Textauszeichnung wie bspw. Kursive oder Versalschreibung einen Textabschnitt hervorheben wollte. Und: wo hört man auf, wo zieht man die Grenze? Sollte man vielleicht auch alle Doppelpunkte, die zu der damaligen Zeit in etwa den Sinn eines Semikolons hatten, durch Semikola ersetzen? Da mir diese Grenzziehung in jedem Fall ziemlich wahllos und nicht so sorgfältig erscheint, verzichte ich ganz darauf, und richte mich soweit es geht nach der Originaltypographie. Vielleicht kann ich dich irgendwann auch mal für typographische Restauration begeistern? :-)
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
Benutzeravatar
Laptop
Augustus
 
Beiträge: 5737
Registriert: Sa 12. Mai 2007, 03:38

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon RM » Mi 29. Okt 2014, 19:39

Sagt Dir der Name Axel Schönberger etwas? Du solltest da nächsten Samstag auf jeden Fall hingehen.

Ja, ich habe Deine PM bekommen, Du meine Antwort nicht?

8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Oedipus » Do 30. Okt 2014, 00:43

Sagt dem Herrn Schönberger mal, dass er gerne seine Priscian-Übersetzung noch weiter fortsetzen darf :book:
Chima: Hodie erat heri iam cras!
Benutzeravatar
Oedipus
Censor
 
Beiträge: 699
Registriert: Sa 22. Mai 2010, 12:07

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Laptop » Do 30. Okt 2014, 02:52

Axel Schönberger habe während ich zu Gast an der Goethe-Uni war leider nicht getroffen, aber sieht interessant aus, was er veröffentlicht.
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
Benutzeravatar
Laptop
Augustus
 
Beiträge: 5737
Registriert: Sa 12. Mai 2007, 03:38

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon RM » Do 30. Okt 2014, 09:15

Im Colloquium Francofurtense wirst Du ihn bestimmt treffen. Bestell ihm dann mal einen schönen Gruß von mir!

8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Donatus vs. Menge

Beitragvon Prudentius » Do 30. Okt 2014, 11:03

Sicherlich, bei dem was Donat “causales” nennt, überwiegen Konjunktionen mit konditionalem und konzessivem Sinn. Aber es ist ja nicht nur diese eine Seltsamkeit.


Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, dass Kausalgesetze nie durch Kausalsätze ausgedrückt werden, sondern durch Konditionalsätze?
"Wenn die Wolkendecke aufreißt, erscheint die Sonne"; den Kausalsatz verwenden wir nur, wenn das allgemeine Gesetz auf einen Einzelfall angewendet wird: "Da jetzt die Wolken verzogen sind, ...".
Ist euch auch aufgefallen, dass dieser wissenschaftliche Grundbegriff, "Gesetz", bei uns in der Grammatik gar nicht vorkommt, obwohl wir ihn vielfältig benutzen?
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01


Zurück zu Lateinforum



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 17 Gäste