Fremdsprachendidaktik.

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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon Prudentius » Mi 10. Dez 2014, 21:14

Wenn ich mir die Diskussion anschaue, habe ich den Eindruck, wir sind noch gar nicht bei dem Gegenstand "Satz" angekommen; wir verstehen ja darunter die Verteilung von Etiketten wie "Subjekt", "Prädikat" usw. an verstreute Wörter zwischern Punkten, und wir streiten darüber, wir wir schnell und richtig verteilen; und dann kommt Laptop und sagt, dass das richtige Verteilen gar nicht so wichtig ist ( :-D , hoffentlich gebe ich das richtig wieder!).
Aber ein Satz ist doch etwas ganz anderes, er trägt eine Behauptung, für die man manchmal auf die Barrikaden geht, im Extremfall zu sterben bereit ist; der Satz muss belastbar sein, er muss kritischer Überprüfung standhalten, muss bewiesen oder widerlegt werden können. Für diese übergreifende Bedeutung des Satzes spielen unsere Grammatikbegriffe gar keine Rolle; wir müssen uns also bei unserer Textarbeit bewusst sein, dass wir erst in einem Vorstadium des Verständnisses stecken und nach oben blicken müssen; diese Offenheit nach oben vermisse ich bei all unserer Schulaktivität an Texten.
Es ist eine Überlegung wert, wie man den eng abgezäunten Grammatikbereich ausweiten kann; ich hab oben schon von dem "schlagenden Herzen des Satzes" gesprochen, ein andermal auch von dem Satz als "Kraftfeld",als Gegensatz zum Sezieren der Satzleiche, wie wir es gewöhnlich machen; weiterdenken lohnt sich!
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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon Zythophilus » Mi 10. Dez 2014, 21:39

Wenn es etwas gibt, wovor sich der Schüler "fürchtet", dann soll man natürlich darauf eingehen, aber es wird nicht ausreichen, das zu vermeiden. Sich aus der lexikalischen Bedeutung der Wörter einen deutschen Satz zusammenzubasteln, kann bei einem Elementarlehrbuch in den Anfangskapiteln recht gut funktionieren. Später wird ohne genaue Formenkenntnis höchst selten etwas herauskommen, das dem Inhalt des Satzes entspricht. Es kommt nämlich schon darauf an, ob wir die 3.P.Pl. Plusquamperfekt aktiv oder die 1.P.Sg.passiv Futur vor uns haben. Ein sprachlich begabter Schüler mag ohne Angst vor den Formen und Vokabeln einen toll klingenden Satz zustande bringen. Was der Autor aussagen wollte, wird er leider nicht verstehen.
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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon Tiberis » Do 11. Dez 2014, 00:42

nochmals zu Birkenbihl und ihrer methode, die mir zugegebenermaßen bislang unbekannt war. bemerkenswert, dass sie sich - was Latein betrifft - explizit an wiedereinsteiger wendet (?!). wie effizient diese methode tatsächlich ist, sei einmal dahingestellt. aber schon der "trailer" verheißt nichts gutes: da fehlt gleich zu anfang beim finalen gerundium schon einmal das ad; der akkusativ von feles lautet interessanterweise felidem, und audimus bzw. sentimus werden ungeniert auf der drittletzten silbe betont.
wenn also schon in diesem kurzen vorspann , der ja nicht zuletzt der werbung dienen soll, solche mängel zutage treten, lässt das für den weiteren kurs schlimmes befürchten...
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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon ille ego qui » Do 11. Dez 2014, 04:05

zufälligerweise habe ich auf dieselben fehler schon vor einiger zeit beim entsprechenden youtube-video hingewiesen. die antwort ist mehr als skurril :D
https://www.youtube.com/watch?v=fqHo466qo8c#t=17
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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon Zythophilus » Do 11. Dez 2014, 07:51

Ich habe bis jetzt geglaubt, dass die letzten "native speaker", was Latein betrifft schon länger tot sind, auch wenn die Sprache selber nicht tot ist. Birkenbihl finde ich jedenfalls nicht unter den römischen Namen. Vielleicht war er aber in einer Region mit einem speziellen Dialekt üblich.
Vermutlich ist es die Standard-Antwort - ähnliche Werbe-Videos gibt's wohl auch für andere Sprachen - und der, der antwortete, merkte gar nicht, welchen Blödsinn er schrieb, weil er nach dem Muster vorging, dass eine Bemerkung zur Aussprache mit eben diesem Hinweis abzuspeisen sei.
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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon Laptop » Do 11. Dez 2014, 08:37

@Tiberis Daß Birkenbihl und auch ihre Mitarbeiter, die diese Beispieltexte erstellt haben, wenig Ahnung von Latein haben ist offensichtlich. Aber daß die Aussprache an vielen Stellen fehlerhaft ist, sollte nichts an der Beurteilung des Prinzips ändern was sie vorstellt. Und ebendas, nämlich ihre Methode, ist ja Gegenstand dieses Diskussionsfadens, nicht ihre mangelnde Sprachkenntnis.
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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon Tiberis » Do 11. Dez 2014, 10:39

Laptop hat geschrieben: Und ebendas, nämlich ihre Methode, ist ja Gegenstand dieses Diskussionsfadens

ist schon klar. nur: wie wollen wir die allfällige effizienz dieser methode beurteilen, ohne leute zu kennen, die nach ebendieser methode latein gelernt haben?
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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon Prudentius » Do 11. Dez 2014, 11:35

Prudentius, mit diesem Satz hast vielleicht unbeabsicht etwas interessantes gesagt: Der Schüler steht nicht im Mittelpunkt, auf ihn kommt es nicht an, sondern auf den Satz kommt es an! Ich halte das für bedenklich i. S. v. “denkwürdig” :-o


Hallo Laptop,

die Lehrersituation ist eine andere, man kann das nicht gegeneinander ausspielen, ob der Schüler oder der Stoff im Mittelpunkt steht, unsere Aufgabe ist ja ein Spagat, eine kunstvolle Figur, mit dem einen Bein in dieser Zeit, mit dem anderen in der römischen Antike; wir müssen als Lehrer eine Vermittlung leisten, wir müssen das antike Lernziel so kneten, dass es zwar noch erkennbar, aber einem heutigen jungen Menschen zugänglich wird; und wir müssen den jungen Menschen zu hinerziehen, dass er antike Signale aufnehmen und in seinen Gedankenkreis integrieren kann. Wie man das machen soll - da fühlt man sich als Lehrer manchmal alleingelassen; Kritikpunkte gibt es genug, Bewunderung fordern wir nicht ein :-D , auch wenn sie vllt. manchmal verdient wäre :-D .

"Die Ängste des Schülers" - ganz allgemein die Emotionen: darauf nehmen wir Rücksicht, wenn wir können: aber am Ende des Schuljahres muss eine objektive Leistungsbewertung erbracht werden, amtlich mit Stempel und Unterschrift, und verwaltungsgerichtlich absicherbar: so wird es ja auch vom Schüler selbst gewünscht.
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Re: Fremdsprachendidaktik.

Beitragvon ille ego qui » Do 11. Dez 2014, 12:14

Tiberis hat geschrieben:
Laptop hat geschrieben: Und ebendas, nämlich ihre Methode, ist ja Gegenstand dieses Diskussionsfadens

ist schon klar. nur: wie wollen wir die allfällige effizienz dieser methode beurteilen, ohne leute zu kennen, die nach ebendieser methode latein gelernt haben?


sehr berechtigter hinweis! das fragt man sich auch oft wenn auf aufsätze von fachdidaktiker liest (und das musste ich in letzter zeit häufiger sowohl für deutsch wie für latein), wo doch tatsächlich professoren vorschläge für den unterricht machen, die noch kein einziges mal praktisch getestet wurden. ein ziemlich verantwortungsloser umgang mit dem regenwald ... ;)
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