Mit dem Latein am Ende

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Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Oedipus » Do 18. Dez 2014, 15:04

https://www.youtube.com/watch?v=YcgAN9iuq10

Das Latinum galt einst als Eintrittskarte für viele Studiengänge. Mittlerweile reicht für Jura und Medizin der Besuch eines Kursus für lateinische Fachbegriffe aus. Für Geisteswissenschaften ist das Latinum im Bachelor gestrichen worden, und in Bremen kommen selbst angehende Lehrer ohne Latein-Nachweis aus. Trotzdem gibt es einen Lateinkurs an der Uni, in dem eine Handvoll Studierende unregelmäßige Verben paukt. Ein Besuch. Ein Beitrag von Anke Kültür.

Mittwoch, 17. Dezember 2014, buten un binnen, Radio Bremen TV


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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon marcus03 » Do 18. Dez 2014, 15:42

Oedipus hat geschrieben: Latein darf nicht (wieder) sterben


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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Luna » Do 18. Dez 2014, 21:14

Also hier in Hessen ist es für viele geisteswissenschaftliche Studiengänge Pflicht. :)
:hammer:
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Medicus domesticus » Do 18. Dez 2014, 21:28

Oedipus hat geschrieben:Mittlerweile reicht für Jura und Medizin der Besuch eines Kursus für lateinische Fachbegriffe aus...

Da du auch den medizinischen Fachbereich ansprichst: Das ist schon länger so in Deutschland: Latinum war bei mir auch keine Pflicht mehr, sondern der scheinpflichtige Kursus der Medizischen Terminologie. Den musste sogar ich machen, obwohl ich LK Latein in Bayern hatte mit Latinum und allem drum und dran. Man wurde da nicht befreit.
Die Überlegung ist eine ganz andere:
Müssen sich wirklich Leute durchs Latinum mit bestimmten Fächern an der Uni quälen ohne Interesse oder später irgendetwas mit Latein zu tun zu haben? Dasselbe Problem besteht ja schon bei Lateinstudenten mit Griechisch. Schnell ein Graecumskurs und das wars.. :-o Da müssen die Prioritäten anders gesetzt werden. Das ist sinnlos. Außerdem sind die Uni-Schnellkurse sowieso für die Katz..Wenn Latein, dann mit einer gewissen "praktischen" Konsequenz und entsprechenden guten Kursen.
Zuletzt geändert von Medicus domesticus am Do 18. Dez 2014, 21:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon SursumDeorsum » Do 18. Dez 2014, 21:47

Medicus domesticus hat geschrieben:Da du auch den medizinischen Fachbereich ansprichst: Das ist schon länger so in Deutschland: Latinum war bei mir auch keine Pflicht mehr, sondern der scheinpflichtige Kursus der Medizischen Terminologie. Den musste sogar ich machen, obwohl ich LK Latein in Bayern hatte mit Latinum und allem drum und dran. Man wurde da nicht befreit.


Man muss aber auch an dieser Stelle sagen, dass Mediziner und Juristen, nisi fallor, in ihrem Studium auch abseits des Latinum oder scheinpflichtiger Kurse für Terminologie mit Latein in Kontakt kommen - zumindest habe ich, der nie ich ein BGB oder ein Skalpell in der Hand gehalten habe, genug Vorträge in der juristischen und medizinischen Fakultät über Medizin- und Rechtsgeschichte gehört und bin mit Autoren wie Gaius und Celsus vertraut gemacht worden, v.a. bei Prof. Leven. Ohne Latein geht es meiner Meinung nach also nicht, sonst würde auch den Lehrstühlen für Medizin- und Rechtsgeschichte ein großer Teil ihres Fundaments wegbrechen.
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Medicus domesticus » Do 18. Dez 2014, 21:52

Das stimmt schon irgendwie aus deiner geisteswissenschaftlichen Sicht, aber es gibt genügend Mediziner, die ,ohne Latein in der Schule gehabt zu haben, auch sehr gut sind. Medizin ist ein praktisches Fach. Terminologie ja, aber man braucht deswegen nicht sich komplett bei Celsus auskennen. Dafür ist das Fach zu modern. Es ist nicht Grundvoraussetzung für den Beruf.
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon RM » Do 18. Dez 2014, 22:10

Medicus domesticus hat geschrieben:scheinpflichtige Kursus der Medizischen Terminologie

Naja, ich glaube, was die Medizin angeht, würde das Latinum einen solchen Kurs gar nicht ersetzen können.

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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Medicus domesticus » Do 18. Dez 2014, 22:14

Das ist ja klar, aber es geht mehr um die Überlegung für was ist Latein wirklich sinnvoll als "Hürde" für einen Studiengang. Wir als Mediziner sind wohl noch die einzigen die einigermassen breit Latein/Griechisch in der Terminologie anwenden. Aber das heißt auch nicht, dass jeder Mediziner Latein/Griechisch im Detail und komplett kennen muß. Bitte da mehr Realitätsdenken.
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Tiberis » Fr 19. Dez 2014, 12:04

SursumDeorsum hat geschrieben:Ohne Latein geht es meiner Meinung nach also nicht

natürlich geht es auch ohne latein. jedenfalls muß man sicher nicht Caesar oder Cicero übersetzen können, um ein guter jurist oder arzt zu sein. diejenigen, die behaupten, dass ein arzt lateinkenntnisse haben müsse, müssten dann konsequenterweise auch entsprechende griechischkenntnisse von den ärzten verlangen; von verpflichtenden griechischkursen für mediziner habe ich aber noch nie gehört.
freilich freut es mich als lateiner immer wieder, wenn mir ehemalige schüler, die jetzt ein jusstudium machen, sagen, wie sehr ihnen die im unterricht erworbenen kenntnisse des römischen rechts dabei nützen. aber in bezug auf ihre spätere berufliche qualifikation sagt das selbstverständlich gar nichts aus.
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon SursumDeorsum » Fr 19. Dez 2014, 12:31

Tiberis hat geschrieben:natürlich geht es auch ohne latein. jedenfalls muß man sicher nicht Caesar oder Cicero übersetzen können, um ein guter jurist oder arzt zu sein..


Der Erlanger Lehrstuhl für Bürgerliches Recht hat im Sommersemester dieses Jahres ein Proseminar "Cicero, de legibus" angeboten. Klar, man hat ja Übersetzungen und Sekundärliteratur, die einem die Lektüre erspart. Ich finde aber die Tatsache ziemlich erschreckend, dass ein angehender Jurist sich entweder nicht die Mühe macht oder gar nicht die Fähigkeiten hat, sich mit den Ursprüngen und historischen Grundlagen des europäischen Rechts auseinanderzusetzen. Eine ähnliche Meinung vertritt ein Erlanger Dozent auch über Vitruv und Architektur, ich zitere mal sinngemäß: "Diejenigen, die von Vitruv profitieren würden, also die Architekten, können ihn meistens nicht übersetzen, und diejenigen, die ihn übersetzen können, verstehen nichts von Architektur - würde man beide Gruppen zusammenbringen, könnte man die auch die heutige Architektur bereichern; noch schöner wäre es allerdings, wenn der Architekt selbst mit seinem Fachwissen sich von Vitruv, dessen Sprache er versteht, inspirieren lassen könnte".
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Tiberis » Fr 19. Dez 2014, 13:40

SursumDeorsum hat geschrieben: Ich finde aber die Tatsache ziemlich erschreckend, dass ein angehender Jurist sich entweder nicht die Mühe macht oder gar nicht die Fähigkeiten hat, sich mit den Ursprüngen und historischen Grundlagen des europäischen Rechts auseinanderzusetzen.

zu verlangen, dass jusstudenten über so gute lateinkenntnisse verfügen sollen, dass sie Ciceros "de legibus" im originaltext lesen können - eine auch für uns philologen durchaus anspruchsvolle lektüre - , halte ich für absolut unrealistisch.
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon RM » Fr 19. Dez 2014, 14:34

Darum geht's nicht, es gibt wichtigere juristische Texte als die von Cicero.
Es sollte aber bekannt sein, dass die Pandekten bis zur Veröffentlichung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 01.01.1900 in Deutschland größtenteils noch geltendes Recht waren. Die Pandekten sollte man also als Jurist in der Tat verstehen.

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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Prudentius » Fr 19. Dez 2014, 21:06

Wir müssen kämpfen!


Aber vorher müssen wir rechnen: haben wir genug Kämpfer, haben wir eine Arena, haben wir genug Publikum, das hereinströmt und uns zusieht und applaudiert?

In der langen Geschichte des "Humanismus" (wenn ich mal so sagen soll) konnten wir uns ja lange Zeit getragen fühlen von einer breiten allgemeinen Zustimmung; bis vor 100 Jahren gab es noch die Kaiserreiche, die sich immer noch als Fortsetzer des Imperium Romanum verstehen wollten (es gab ja die "translatio imperii" nach Aachen, mit dem Kaiser Karl); für die Kirche waren Gr. und L. heilige Sprachen, es war eine Ehre, in sie eingeweiht zu werden; die Neuzeit fing als "Renaissance" an, d.h. als Wiedergeburt des antiken Menschenbildes; die d. Klassik knüpfte an die antike Klassik an; all das verblasst.

Für viele Menschen ist die Evolutionslehre an die Stelle früherer Sinngebungsinstanzen wie Tradition getreten; aber sie hat anstelle von Sinngebung und Orientierung ein großes Loch; darin liegt für uns eine Chance (hoffentlich habe ich jetzt die Kurve richtig gekriegt :-D ),

lgr. P. :)
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Medicus domesticus » So 21. Dez 2014, 11:20

Ich bin da auf Tiberis´Linie. Man kann heutzutage nicht mehr verlangen, dass Mediziner und Juristen Latein in allen Varianten bis zur Übersetzung der Originale beherrschen sollten. Das war mal so als Latein noch Wissenschafts- und Universalsprache war und auch die wissenschaftlichen Werke auf lateinisch herausgegeben wurden. Das entspricht aber heute nicht mehr der Realität. Man hat sich auf das Erlernen der Fachtermini beschränkt. Um dies allen gleichberechtigt zu ermöglichen, mussten schon in meiner Zeit eben alle den Kursus der Medizinischen Terminologie machen. Außer in Fachbegriffen tauchte Latein/Griechisch dann nur noch in (freiwilligen) Vorlesungen des Instituts der Geschichte der Medizin auf oder wenn man, so wie ich, auch schon als Student im Institut arbeitete. Dort war auch eine Zusammenarbeit mit Philologen gegeben.
Ansonsten, denke ich, wird das Latinum als Zugangsvoraussetzung sicher weiter aufgeweicht werden, weil es als "Hürde" mit dieser schlechten Qualität der Unikurse für ganze Fächer oft nicht mehr verständlich gemacht werden kann. Latein wird sich eher auf seine echten Kernfächer als Zugangsvorraussetzung beschränken müssen, wie u.a. Archäologie, Alte Geschichte, die aber dann Latein auch wirklich anwenden.
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Re: Mit dem Latein am Ende

Beitragvon Luna » So 21. Dez 2014, 20:56

Ich denke in geisteswissenschaftlichen Fächern ist Latein auch ein sehr gutes
Mittel um die (schlechteren) Studenten auszusieben. :roll:
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