non omnes / omnes non.

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non omnes / omnes non.

Beitragvon Laptop » Mi 25. Mär 2015, 14:52

Ganz kurze Frage. Das Wort non ist in der Wortstellung kritisch und verneint immer das direkt folgende Wort, richtig? Bspw.
non omnes sciunt, ut ...
omnes non sciunt, ut ...
Je nachdem wo das non steht bedeutet es “keiner” oder aber “nicht alle”
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon romane » Mi 25. Mär 2015, 17:07

non, Adv. (entst. aus dem altlat. noenum bzw. der elidierten Form *noen), I) nicht, A) im allg., als Negation, die bei Verneinung eines ganzen Satzes vor dem Verbum, bei Verneinung eines einzelnen Begriffes vor diesem ihren Platz hat, .....
[Lateinisch-deutsches Handwörterbuch: non, S. 1. Digitale Bibliothek Band 69: Georges: Lateinisch-deutsches Wörterbuch, S. 37518 (vgl. Georges-LDHW Bd. 2, S. 1185)]
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon Laptop » Mi 25. Mär 2015, 20:54

Gut, ich denke dann verstehe ich es richtig.
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon ille ego qui » Mi 25. Mär 2015, 21:04

"scire, ut" heißt aber nicht "wissen, dass" ;-)
die frage der verneinung und ihrer stellung scheint mir ein sehr problematisches feld. die bekannte regel sollte man wohl allenfalls als grobe richtlinie verstehen.
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon Laptop » Do 26. Mär 2015, 00:26

ille ego qui hat geschrieben:"scire, ut" heißt aber nicht "wissen, dass" ;-)
die frage der verneinung und ihrer stellung scheint mir ein sehr problematisches feld. die bekannte regel sollte man wohl allenfalls als grobe richtlinie verstehen.

Du meinst der korrekte Ausdruck für “wissen, daß ...” ist “scire, quod ...”?
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Re: Feuerwehr

Beitragvon Prudentius » Do 26. Mär 2015, 11:07

Da muss ja wieder mal die logische Feuerwehr ausrücken; ihr wollt ja nichts von Logik wissen, und doch stolpert ihr immer wieder über die logischen Fußangeln, und dann muss man euch unter die Arme greifen :-D .

Das Wort non ist in der Wortstellung kritisch


Das ist in ganz anderer Hinsicht kritisch, es hat eine Schalterfunktion für den Gesamtsatz, es vertauscht den Wahrheitswert eines Satzes, w/f oder 0/1, wie man es sehen will.

verneint immer das direkt folgende Wort


"verneinen" kann man nur Sätze, nicht Wörter; denn Wahrheitswerte kommen bei Sätzen vor, nicht bei Wörtern; "un-gerecht" ist das Gegenteil von "gerecht", nicht die Verneinung.

non, Adv


"Non cantat", sie singt nicht; wie singt sie? Nicht; da stimmt was nicht. Die alte Grammatik kannte noch nicht Wörter, die den Gesamtsatz modifizieren; "Negation" ist eine logische Satz-Prozedur, ihr Symbol "non" fügt sich nicht in die herkömmlichen Wortarten.

non omnes sciunt, ut ...
omnes non sciunt, ut ...


Der Schlüssel hierzu liegt weniger bei non als bei omnes; vllt. kann ich die Sache so einsichtig machen: "omnes" gehört zu den Quantoren; die Logik erklärt uns, dass hier eine Schachtelung von zwei Sätzen vorliegt; "omnes sciunt + ACI" = "Für alle x gilt: x weiß, dass..."; also
Satz 1: "Für alle x gilt",
Satz 2: "x weiß, dass...";
wenn man so aufteilt, kann man leicht die beiden Bedeutungen unterscheiden: entweder ist Satz 1 negiert:
"Nicht für alle x gilt: x weiß, dass ...",
oder es ist Satz 2 negiert: "Für alle x gilt: x weiß nicht, dass..."; also "niemand weiß, dass...".

Diese Aufteilung eines Quantorensatzes in zwei Teilsätze ist uns nicht so fremd wie ihr vllt. denkt; Horaz sagt, woran er beim Spazierengehen auf der via sacra denkt: "... nescio quid meditans nugarum", an irgendeinen Unsinn; da ist der Quantor durch ein eigenes Verbum finitum ausgedrückt: nescio.

Die logischen Quantoren lassen wir ja gewöhnlich unbeachtet, aber wie man sieht, gibt es immer wieder Probleme mit ihnen, typische Fehler, teilweise auch lustige; einer davon ist der "Quantorendreher", hier zwei Beispiele:
- "Für alle Krankheiten gibt es ein Heilmittel" => "Es gibt ein Heimittel für alle Krankheiten", das berühmte "Allheimittel", panakes, gr.;

- oder theologisch: "Alle Menschen glauben an einen Gott" => "Es gibt einen Gott, an den alle Menschen glauben"; das erste ist Polytheismus, das zweite Monotheismus.
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon Laptop » Do 26. Mär 2015, 16:16

@Prudentius Letztere Mehrdeutigkeit liegt bloß daran, daß wir meist nicht explizit machen, ob wir Alternativen inkludieren oder exkludieren:
Alle Einwohner glauben an jeweils irgendeinen Gott. => alternative Götter explizit eingeschlossen
Alle Einwohner glauben an einen Gott allein. => alternative Götter explizit ausgeschlossen
Ungenaue Ausdrucksweise erzeugt Mehrdeutigkeit und Mehrdeutigkeit kann zu Mißverständnissen führen.
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon ille ego qui » Fr 27. Mär 2015, 12:20

MBS bemerken z.B., dass eine satznegation - zumal vor pronomina - auch am satzanfang (also nicht vor dem finitum) stehen könne.
ein anderes beispiel: wenn man schlichtweg verneinen will, 'gestern viele menschen gesehen zu haben' (z.B. als Antwort auf eine entsprechende Frage), liegt es wohl nicht nahe zu sagen: Heri multos homines non vidi, allenfalls: non vidi multos homines, vielleich auch: non multos homines vidi (wobei man hier natürlich fragen darf, ob sich non hier enger mit multos verbindet).
Ein überaus vertracktes Feld ... ;-)

"scire" steht für gewöhnlich mit AcI.

valete :)
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon consus » Fr 27. Mär 2015, 13:27

Salvete!
Oro vos consideretis haec exempla:
a) "Heri multos homines non vidi, sed odore (!) cognovi".
b) "Heri non multos homines vidi, idque praeter exspectationem; speraveram enim ingentem affore vim hominum."
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon ille ego qui » Fr 27. Mär 2015, 16:50

gratias tibi ago, mi Conse! :-)
In etwa so schwebte mir das vor. Das bedeutet wohl, dass in dem Satz Multos homines vidi eine Verneinung vor dem Finitum kaum die Lesart einer Satznegation erlaubt, sondern die Lesart einer Wortnegation (des finiten Verbs!) erzwingt oder doch nahelegt - Wortnegation im Sinne einer Opposition zu positiven Alternativen ;-)
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon Tiberis » Fr 27. Mär 2015, 19:28

Prudentius hat geschrieben:"verneinen" kann man nur Sätze, nicht Wörter

so?
dann sehen wir uns bitte einmal dieses beispiel an (Hor.1,37,30ff):
saevis Liburnis scilicet invidens
privata deduci superbo
non humilis mulier triumpho.

hier ist selbstverständlich nicht der satz verneint, sondern ausschließlich das wort humilis.
ego sum medio quem flumine cernis,
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon Laptop » Sa 28. Mär 2015, 01:16

Ich glaube Prudentius will darauf hinaus, daß “verneinen” ein t.t. der Logik ist, wonach man Sätze verneint, einzelne Wörter aber bloß “umkehrt”, oder wie das heißen mag. Jedenfalls denke ich auch, daß man im allgemeinen Sprachgebrauch “verneinen” weitgefaßter verwenden kann als nur zur Satzverneinung.
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon ille ego qui » Sa 28. Mär 2015, 11:25

es gibt wohl auch verschiedene arten der enger bezogenen Negation. z.B. ist für "non liber" denkbar "nicht ein Buch (sondern etwas anderes)", aber auch "ein nicht-Buch" (im Lateinischen bei Substantiven sehr selten).
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon Laptop » Sa 28. Mär 2015, 16:17

@ille Darüber hinaus kann eine Verneinung auch bei Eigenschaftswörtern verschiedenes bedeuten:
nicht rauh(, sondern glatt)
nicht rauh(, sondern irgendetwas zw. rauh und glatt)
nicht rauh(, sondern die Eigenschaften ausblendend, d. h. eine andere Oberflächen-Beschaffenheit wie glitschig, oder gar keine Oberfläche, oder eine nicht empfundene Oberfläche)
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Re: non omnes / omnes non.

Beitragvon ille ego qui » Sa 28. Mär 2015, 16:38

Negationen können auch (in verschiedener Weise) metatextuell funktionieren:

Sie ist nicht (den anderen nachäffend:) "hübch", sondern hübsch!
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