usque Rubri maris accolas

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usque Rubri maris accolas

Beitragvon Laptop » Mi 25. Mär 2015, 22:28

Salvete! Folgende Stelle bei Plinius erschließt sich mir nicht ganz. Plinius beschreibt Himmelskreise bzw. segmenta mundi:
Plinius, Nat. Hist. 6.211 & 212 hat geschrieben:plura sunt autem segmenta mundi, quae nostri circulos appellavere, Graeci parallelos. Principium habet Indiae pars versa ad austrum. patet usque Arabiam et Rubri maris accolas. continentur ............ columnae Herculis. (...) Sequens circulus incipit ab India vergente ad occasum, vadit per medios Parthos, (...)

Frage Nr. 1] Was ist das Subjekt von patet, pars Indiae oder circulus? Erstreckt sich der erste Himmelskreis bis zum Roten Meer, oder ist es Südindien, das sich bis zum Roten Meer erstreckt? Ich weiß letzteres wäre etwas seltsam, aber man liest schließlich oft, daß lat. India auch eine Bezeichnung für “Asien” als ganzes ist. Insofern: ernst gemeinte Frage!

Frage Nr. 2] Folgende Übersetzung impliziert, daß Südindien nicht nur bis zum Roten Meer reicht, sondern sogar bis zu den Säulen des Herakles, da der Übersetzer “Teil Indiens” als Subjekt aller Folgesätze nimmt. Das ist falsch, oder? Bitte um Bestätigung!
Tusculum-Ausgabe hat geschrieben:Den Anfang hat der nach Süden gewandte Teil Indiens inne. Er zieht sich bis nach Arabia und zu den Anwohnern des Roten Meeres hin. Dazu gehören die Gedroser, ... ... und die Säulen des Herakles.
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon RM » Do 26. Mär 2015, 01:11

Circulus. Du musst nur im Text weiterlesen, dann wird es klar, dass er damit eine Art Breiten(grade) meint, die er von Süden nach Norden auflistet. Alle Regionen, die innerhalb dieser Breiten liegen, gehören dazu. Als Maß dient die Schattenlänge des Gnomons, die nach Norden hin größer wird. Bis zum Äquator sind die Römer in Afrika wohl nicht vorgedrungen, es gab aber anscheinend Berichte von Seefahrern, dass die Schatten südlich des Äquators, also im südlichen Indischen Ozean (z. B. Malaysia), in die andere Richtung fallen.

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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Laptop » Do 26. Mär 2015, 02:06

@RM Ja, aber dann bestätigst du, daß die Tusculum-Übersetzung in diesem Detail irreführend und schlecht ist? Seine Übersetzung drückt eindeutig etwas anderes aus. Man darf ja als Übersetzer nicht voraussetzen, daß der Leser des dt. Textes den lat. Text mitliest! Zu erwarten wäre eine Übersetzung wie “Der erste Himmelskreis fängt bei Südindien an. Er reicht bis ...”.
Zuletzt geändert von Laptop am Do 26. Mär 2015, 15:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Tiberis » Do 26. Mär 2015, 14:50

in hoc caeli circumplexu aequinoctii die medio umbilicus, quem gnomonem vocant, VII pedes longus umbram non amplius IIII pedes longam reddit,

nach diesen angaben beträgt der winkel, in dem die sonne zu den äquinoktien über dem horizont steht,
60,26°, was einer geographischen breite von ca. 29°45' entspricht. zur orientierung: etwa auf diesem breitengrad liegen Kairo , Kuwait und : Lhasa (!). soviel zur zuverlässigkeit der angaben des Plinius. :hairy:
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Laptop » Do 26. Mär 2015, 16:04

Naja, wenn das so ist wie du sagst, Tiberis, dann sind die Angaben nach heutigen Maßstäben falsch. Nun gibt es daraus zwei alternative Rückschlüsse:
A) Plinius Angaben widersprechen sich selbst, und ergeben ein Gesamtbild der Erde, das auch in sich inkonsistent ist
B) Plinius Angaben mögen zwar nach heutigem Maßstab objektiv falsch sein, ergeben aber ein stimmiges Gesamtbild der Erde
Wenn man letzterer These eine Chance gibt, könnte man vielleicht Plinius objektiv falsche Angaben dazu nutzen, die antike Weltkarte zu rekonstruieren, sozusagen den “zu kleinen geratenen Maßstab durch Scharfsinn restaurieren”.
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Tiberis » Do 26. Mär 2015, 18:53

Laptop hat geschrieben:Naja, wenn das so ist wie du sagst,

ich denke schon, dass es so ist. :-D die katheten (länge des gnomons u. schattenlänge) sind bekannt, somit lässt sich der winkel α (die sog. mittagshöhe) ermitteln. der breitengrad ergibt sich dann aus der einfachen rechnung 90 - α. (gültig für 21.3.bzw. 22.9., also die äquinoktien).
was Plinius betrifft, so stellt sich die frage, wo derartige messungen vorgenommen wurden. da die angaben für Ägypten (Alexandria) annähernd zutreffen, nehme ich an, dass sich Plinius an Eratosthenes orientiert. allerdings ist mir nicht bekannt, ob auch außerhalb Ägyptens solche messungen der schattenlänge durchgeführt wurden. von Plinius vermutlich nicht.
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon RM » Do 26. Mär 2015, 21:19

Tiberis hat geschrieben:
Laptop hat geschrieben:die katheten (länge des gnomons u. schattenlänge) sind bekannt, ...

Ich glaube nicht, dass diese Daten Plinius - der sie von irgendwo abgeschrieben hat bzw. mitgeteilt bekam - präzise genug bekannt waren. Man hätte mit einem geeichten Messinstrument die Sonnenuhren ausmessen müssen, um genaue Daten zu haben. Solche werden Plinius sicher nicht von allen Orten zur Verfügung gestanden haben.

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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Laptop » Do 26. Mär 2015, 22:46

@Tiberis Dumme Frage, wie hoch war der Gnomon?
@Tiberis Ja, Eratosthenes war Primäquelle zu Buch VI von Plinius, jedenfalls nach folgendem Autor:
Olbrycht, Die Alexandergründungen in den nordiranischen Ländern im Lichte der Geographischen Tradition der Antike hat geschrieben:Zu seinen Primärquellen für Buch 6 rechnet Plinius Eratosthenes von Kyrene, der jedoch nicht über den Wissensstand der Bematisten und frühhellenistischer Autoren hinausgeht.
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon RM » Do 26. Mär 2015, 23:47

Laptop hat geschrieben:@Tiberis Dumme Frage, wie hoch war der Gnomon?

Steht das nicht alles bei Plinius?

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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Tiberis » Do 26. Mär 2015, 23:57

Laptop hat geschrieben:@Tiberis Dumme Frage, wie hoch war der Gnomon?

ich hab es eigentlich schon erwähnt :
Tiberis hat geschrieben: umbilicus, quem gnomonem vocant,VII pedes longus

;-)
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Laptop » Fr 27. Mär 2015, 00:39

Selbstverständlich ist der Gnomon 7 Fuß lang, das hatte ich übersehen! :roll:
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon RM » Fr 27. Mär 2015, 08:28

Vorsicht! Die "gnomones", die Plinius in diesen Abschnitten für den ersten bis siebten "circulus" erwähnt, waren nicht alle gleich lang!

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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Laptop » Sa 28. Mär 2015, 01:39

@Tiberis Deine Berechnungen finde ich interdisziplinär hervorragend. Hast du die anderen Circuli auch schon berechnet, vielleicht sind relativ zueinander stimmig, nur insgesamt alle zuweit nach Norden verschoben?
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Tiberis » Sa 28. Mär 2015, 02:22

der nächstfolgende, von Plinius genannte kreis wäre dann in einer breite von 34°26' zu erwarten. ähnlich wie schon beim ersten kreis liegen die östlichen gebiete (Indien, Persepolis..) viel zu weit südlich davon, die westlichen (Kreta, Sizilien)zu weit nördlich. für Zypern und den libanon stimmt die angabe annähernd.
ich habe allerdings wenig lust, jetzt alle Pliniuskreise nachzurechnen. wer das möchte, braucht ja nur aus den beiden katheten den tangens ermitteln und den entsprechenden winkel α von 90° abziehen. ;-)
mit hilfedieses umrechners geht das ganz einfach. 8)

der dritte kreis liegt übrigens in 37°36' n.br., d.h., die abstände zwischen diesen "breitenkreisen" sind keineswegs gleich.
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Re: usque Rubri maris accolas

Beitragvon Laptop » Sa 28. Mär 2015, 18:48

Gut, dann verstehe ich es wie eine Tischdecke, die in sich verzogen ist. Ich werde mal versuchen, das nachzurechnen.
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