Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon RM » Di 2. Jun 2015, 08:42

Zythophilus hat geschrieben:Gibt es jemanden, der alle griechischen Namen im Deutschen konsequent nach griechischen oder lateinischen Regeln ausspricht?

Welche griechischen Regeln?

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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon consus » Di 2. Jun 2015, 11:23

Zythophilus hat geschrieben:... Gerade die häufigeren haben sich mit einer gewissen Betonung eingebürgert, und die ist i.d.R. die aus dem Lateinischen stammende: Wer betont "Sokrátes" oder "Penelópe"? Die Zauberin Kirke wird sogar zumeist zur "Zirze" mit dem zugehörigen Verb "bezirzen". Blöd klänge "bekirken".
Für überzeugend halte ich immer noch, was der große Wiener Byzantinist Herbert Hunger 1953 im Vorwort zur 1. Aufl. seines Lexikons der griech. u. röm. Mythologie schrieb:
Wenn auch die Tendenz … dahin geht, immer mehr griech. Namen griechisch zu schreiben und zu betonen, so ist der Grundsatz „Graeca Graece“, besonders bei den auch über Fachkreise hinaus bekannten Namen, noch lange nicht restlos durchgedrungen. Es widerstrebt einem aus psychologischen Gründen, diese Namen anders auszusprechen, als sie das Durchschnittspublikum aus der Schultradition kennt. Man würde sich dadurch von den wohlvertrauten Gestalten unnötig distanzieren, etwa wenn man statt Homér Hómeros … betonen wollte.
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon RM » Di 2. Jun 2015, 18:24

"das Durchschnittspublikum aus der Schultradition" kennt das meiste davon gar nicht, es sei denn, wir setzen als Durchschnitt das Durchschnittsmitglied des sogenannten Bildungsbürgertums an.
Ihr wisst, wie die Griechen (die Altgriechisch lernen, ohne Latein in der Schule gehabt zu haben) das Altgriechische aussprechen? Davon kann man zwar halten, was man will, aber eigentlich wäre das die einzige von Muttersprachlern autorisierte Aussprache, allerdings eine sehr spätbyzantinische.
Das Grundproblem ist jedoch, dass es weltweit keine anerkannte einheitliche Aussprache des Altgriechischen gibt.

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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon Laptop » Di 2. Jun 2015, 18:31

Aber die im Wörterbuch angegebenen Quantitäten erkennst du schon als Standard an, RM, oder?
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon RM » Di 2. Jun 2015, 18:35

Laptop hat geschrieben:Aber die im Wörterbuch angegebenen Quantitäten erkennst du schon als Standard an, RM, oder?

In welchem Wörterbuch? I.d.R. prüfe ich sie nach, bevor ich sie glaube. :)

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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon Zythophilus » Di 2. Jun 2015, 20:21

Wenn es um die Aussprache griechischer oder lateinischer Namen geht, so betrifft das natürlich nur die, die mit diesen Namen auch etwas anfangen können. Wer "Homer" nur als die gelbhäutige amerikanische Comic-Figur kennt, mag per Zufall die griechische Betonung auf der ersten Silbe verwenden, weil der Amerikaner eben auch "Hómer" sagt.
Reste eines Bildungsbürgertums verwenden zumeist die lateinische Betonung - dein Hinweis, o Conse, trifft einen kleiner werdenden Kreis, der mit solchen Namen wenigstens noch mit lateinischer Betonung etwas anzufangen weiß -, einige Spezialisten verwirren mit der griechischen Aussprache die anderen, denen die Namen etwas sagen, und der große Rest hält z.B. "Dido" ohnedies nur für eine Ferienanlage oder - mit eng. Aussprache - eine Sängerin.
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Di 2. Jun 2015, 20:29

Zythophilus hat geschrieben:und der große Rest hält z.B. "Dido" ohnedies nur für eine Ferienanlage oder - mit eng. Aussprache - eine Sängerin.


Da schätze ich mich glücklich, bis gerade eben nur Dido als Königin Karthagos gekannt zu haben, und nicht als Sängerin.
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon Zythophilus » Di 2. Jun 2015, 21:10

Nicht einmal die Ferienanlage?
Erg. Offenbar heißen die Ferienanlagen nicht mehr "Club Dido". Es gab auch einen in Tunesien.
Zuletzt geändert von Zythophilus am Di 2. Jun 2015, 22:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Di 2. Jun 2015, 21:22

Zythophilus hat geschrieben:Nicht einmal die Ferienanlage?

Nein. Ich finde auch bei der Gockel-Suche nichts dazu.
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon consus » Di 2. Jun 2015, 22:26

Am Rande:
Wer englische und amerikanische klass. Philologen trifft, gewöhnt sich schnell an solche Namen wie /´sæləst/, /Өju:´sididi:z/, /´i:skiləs/, /Өiə´fræstəs/, /´və:dʒil/, /prə´pə:ʃjəs/, /´naiki:/ (so auch der Name der berühmten Klamotten), /zju:s/ usw. Es gibt keine Scheu, muttersprachliche Ausspracheregeln anzuwenden… Beneidenswert!
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon Zythophilus » Di 2. Jun 2015, 22:31

Italiener machen das i.d.R. auch so; sie sind halt der Meinung, dass sie als Nachfahren der Römer das Recht dazu hätten.
Auch biblische Namen, speziell aus dem NT, kommen nicht in ihrer griech., sondern lat. Form zu uns. Bei Paulus, also einem usprünglich lateinischen Wort, passt es ja, aber auch Petrus, nicht Petros hat sich eingebürgert, Christus, nicht Christos etc.
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon Prudentius » Do 4. Jun 2015, 10:13

Es gibt keine Scheu, muttersprachliche Ausspracheregeln anzuwenden… Beneidenswert!


Man kann das verstehen, wenn man die Hintergründe in Betracht zieht: die Vereinigten Staaten sind ja durch und durch von der Aufklärungstradition geprägt, die sie vom 18. Jh. her bewahrt haben; die "Vernunft", ratio, ist der oberste Begriff, das Allgemeine ist die Zielvorstellung, die Einzelnationen sind alte Zöpfe, sie gehen in den "Schmelztiegel" ein; wozu sich mit ihren speziellen Sprechvorschriften belasten? New Orleans, Montreal also ohne Akzent auf dem e, "Mecico City", nicht Ciudad; die Straßenzüge im Schachbrettmuster angelegt, ohne Rüksicht auf das Terrain; und so dann auch die L-Aussprache. Nun ja, wir können sie beneiden, aber bei uns ist die Entwicklung anders gelaufen, die Aufklärung im 18. Jh. (Kant...) haben wir auch rezipiert, aber bei uns gab es gleichzeitig eine starke Gegenbewegung, die "Romantik", die zum Erwachen des "historischen Bewusstseins" führte (Herder...). Damit ist die Einsicht gemeint, dass der Weltverlauf historisch geprägt ist, dass jede Epoche als System mit eigenen Gesetzen erkennbar wird; dabei entstand überhaupt erst die Philologie als Wissenschaft im modernen Sinn.

Der langen Rede kurzer Sinn: die Amerikaner heben Grenzen auf, wir setzen, betonen sie; die Amerikaner, Italiener, Griechen sprechen das L. wie ihre eigene Sprache aus, wir steigen zurück und richten unser Mundwerk nach den antiken Regeln aus (aber Laptop, so genau wie du nehmen wir es meistens nicht :-D ),

lgr. P. :)
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon Zythophilus » Do 4. Jun 2015, 10:45

Offensichtlich sind wir bereit, die mangelnde Akzeptanz der Amerikaner gegenüber dem eigentlichen Namen der mexikanischen Hauptstadt anzuerkennen. Offiziell heißt sie "Ciudad de México", nicht "Mexico City".
Für viele Amerikaner endet eben leider der Horizont spätestens an der Staatsgrenze, und dass jemand eine andere Sprache haben könnte, ist nicht so selbstverständlich. Daher wird fast alles auch so betont, wie man es bei einem englischen Wort betonen müsste, wobei auch in der eigenen Sprache eher ungewöhnliche Schreibweisen einfacheren zum Opfer fallen ("thru" statt "through", "nite" statt "night" etc.).
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Re: Konsequente Aussprache gr-lt. Namen?

Beitragvon consus » Do 4. Jun 2015, 12:10

Zythophilus hat geschrieben:Offensichtlich sind wir bereit, die mangelnde Akzeptanz der Amerikaner gegenüber dem eigentlichen Namen der mexikanischen Hauptstadt anzuerkennen. Offiziell heißt sie "Ciudad de México", nicht "Mexico City"...
Mit der Akzeptanz ist das so eine Sache; denn es kommt wohl auch bei uns niemand auf die Idee z. B. zu sagen, dass er heuer schon einmal nach Roma geflogen sei oder Praha besucht habe.
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