Mamurra und Klientelwesen

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Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon ille ego qui » Mi 15. Jul 2015, 17:32

Salvete,

ich habe zum Spaß und als Einstimmung auf mein bald anstehendes Referendariat zwei tage an meiner ehemaligen schule unterrichtet. für stunden mit schülern, die sich noch nicht an gesprochenes Latein gewöhnt haben, habe ich mir mittlerweile ein bilinguales verfahren angeeignet - ich sage vieles sowohl auf deutsch als auch auf Latein, teilweise satzweise, teilweise mit eingeschobener Übersetzung einzelner wörter -, das von den schülern sehr positiv aufgenommen wird und das ich daher nur empfehlen kann. das aber nur nebenbei. meine eigentliche frage:
ich behandelte mit schülern mamurra-gedichte von catull. mamurra war ein Offizier und Günstling und Werkzeug des Caesar, man spricht gern von einer "Kreatur Caesars". Ein Schüler frug mich, ob Mamurra dann ein Klient des Caesar und Caesar dessen Patron gewesen sei. Ich sagte - unter Vorbehalt -, dass man davon wohl ausgehen müsse. Würdet ihr dem zustimmen?

Lieben Dank einstweilen
ille

P.S.: Noch eine Frage an die juristisch beleckten Forumsnutzer. Wir haben uns kurz Gedanken gemacht, wie ein solcher Text heute (in Deutschland) juristisch zu beurteilen wäre. Ich hatte mich schon vorher soweit informiert, dass beleidigende Elemente in öffentlicher Politikerverspottung durch das Recht auf öffentliche Meinungsäußerung (bzw. durch die "Freiheit der Kunst") gedeckt sein können, dass lediglich falsche aussagen (mit Täuschungsabsicht) strafbar seien sowie "schmähkritik", also eine Überhäufung mit übelsten Beschimpfungen. ich vermute, dass dieses gedicht nicht unter letztere Kategorie fiele, bin aber nicht ganz sicher ...?
text und übersetzung:
http://www.lateinoase.de/autoren/catull ... tzung.html
(ob mit cinaede Romule Caesar gemeint ist oder Pompeius oder doch der Römer als solcher, ist ja in der Forschung umstritten. Vor Gericht hätte sich Catull tunlichst auf letzteres rausreden sollen :D)
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Mi 15. Jul 2015, 17:48

Zum Thema kann ich nicht viel sagen, aber ich möchte meine Bewunderung für Unterricht auf Latein aussprechen. Wirklich schade, dass so etwas nicht weiter verbreitet ist.
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 15. Jul 2015, 18:17

Dazu mal:
http://www.zeno.org/Georges-1913/A/Mamurra
Die Suetonstelle ist ganz interessant, da Caesar nach einer Entschuldigung Catulls das Ganze relativ locker nahm, ihn zum Essen einlud ...:lol:...und die Freundschaft mit dessen Vater aufrecht erhielt:
Sueton, Div.Iul.73 hat geschrieben:Valerium Catullum, a quo sibi versiculis de Mamurra perpetua stigmata imposita non dissimulaverat, satis facientem eadem die adhibuit cenae hospitioque patris eius, sicut consuerat, uti perseveravit.
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 15. Jul 2015, 18:42

cultor linguarum antiquarum hat geschrieben:..aber ich möchte meine Bewunderung für Unterricht auf Latein aussprechen. Wirklich schade, dass so etwas nicht weiter verbreitet ist.

Sehr schöner Ansatz von ille ego qui. Ich hoffe nur, dass die Motivation dazu als späterer Junglehrer nicht durch die vielen anderen Umstände des Lateinunterrichts abgewürgt werden.. :(
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon cultor linguarum antiquarum » Mi 15. Jul 2015, 19:01

Das ist leider auch meine Befürchtung. Aber wer weiß, vielleicht kann man mit solchen Methoden doch so manchen Schüler interessierter Lateinunterricht machen, und das schadet bestimmt nicht.
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon ille ego qui » Mi 15. Jul 2015, 19:42

genial, die sueton-stelle ist ja reinstes gold :klatsch:
fällt der austausch von begünstigung und gehorsam bereits unter das klientelwesen, oder was muss konstituierend noch hinzukommen?

sehr schön war, dass die lehrerin den schülern die möglichkeit gegeben hat, mir eine ganze stunde (so lang war gar nicht vorgesehen) noch fragen zum studium generell zu stellen - wobei sie natürlich ihre erfahrungen beigesteuert hat. dabei konnte ich ihnen auch einmal berichten über meine momentane perspektive, die sich aus der schwellenposition vor dem eigentlichen lehrberuf ergibt, z.B. wie man plötzlich angesichts erster eigener lehrerfahrungen darüber erschrickt (und von schlimmsten gewissensbissen angefochten wird), was man sich teilweise als schüler (ich jedenfalls :D) gerade gegenüber jungen und unsicheren lehrern geleistet hat. ohne dass das vorgesehen war, haben die schüler aber auch eine menge zum gesprochenen latein wissen wollen, zuletzt auch, warum das nicht flächendeckend betrieben wird ... (ähnliche fragen kamen übrigens zur exakteren aussprache, die ich im zuge der metrischen behandlung des gedichts hochgehalten hatte) ;-)

valete.
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 15. Jul 2015, 19:52

Man weiß über Mamurra nicht viel, aber er kam ja aus dem Ritterstand (Grundvermögen beachten!). Ich denke nur an die Rangordnung im Kolosseum..Er war durch die militärische Macht unter Caesar auch begünstigt..ein "Kleiner", der die Begünstigung Caesars brauchte, war er sicher nicht... ;-)
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon Zythophilus » Mi 15. Jul 2015, 20:38

Sind die beiden Male, wo Catull Mamurra namentlich erwähnt, schlimmer als das, was in der Tagespolitik üblich war?
Etwas früher dürften die von Naeuius beleidigten Metelli eher auf eine Art außergerichtliche Lösung vertraut haben Malum dabunt Metelli Naeuio poetae.
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon Prudentius » Do 16. Jul 2015, 17:00

Ich hoffe nur, dass die Motivation dazu als späterer Junglehrer nicht durch die vielen anderen Umstände des Lateinunterrichts abgewürgt werden..


Wenn ich mal vom anderen Ende der Lehrerlaufbahn her was an den Junglehrer sagen darf: ich glaube, du musst noch lernen, dass die L-Belange innerhalb des breiten Spektrums des Schulalltages doch einen sehr bescheidenen Platz einnehmen können. Als Lehrer geht man in die Klasse hinein und hat ganz lebendig die letzte L-Stunde vor Augen und schließt daran an; die Schüler aber haben etwas ganz anderes vor Augen, das Kaleidoskop der Fächerabfolge im Laufe des Vormittags, alles folgt völlig unvermittelt nacheinander.
Gefragt ist die Kunst, aus wenigen Chancen viel zu machen.
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Re: Mamurra und Klientelwesen

Beitragvon ille ego qui » Do 16. Jul 2015, 17:10

von wem sagst du, er müsse es noch lernen, optime Prudenti?
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