Genetiv oder Dativus Finalis

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Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon GurkenPaule » Di 28. Jul 2015, 12:39

Hallo!
ich mache mich gerade daran ein paar Übungssätze zu machen und hinterfrage folgenden Satz

Täglich wurden mehr Baumstämme zum Schutze der Stadt hergebracht.
in dies plures trunci praesidio urbis allati sunt.

könnte man auch praesidio urbi schreiben?
und wie weit darf ich den Dativus finalis verwenden?

sachen wie copias praesidio navibus relinquere oder obtemperatio legibus sind ja auch belegt.

lg
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon marcus03 » Di 28. Jul 2015, 13:32

Ich bezweifle, ob man nach Verben, die Bewegung ausdrücken, den dat. fin. überhaupt verwenden kann.

Üblich wäre hier wohl: ad urbem protegendam/ urbem protegendi causa/ urbis protegendae causa/praesidi(i) urbis causa

cf:
..." qui eo praesidii causa missi erant..."
http://latin.packhum.org/loc/448/2/80/626-643#80
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon medicus » Di 28. Jul 2015, 15:11

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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon marcus03 » Di 28. Jul 2015, 15:19

medicus hat geschrieben:und noch ein Link


Immer diese "link(en)-Typen" ! ;-)
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon Prudentius » Di 28. Jul 2015, 15:46

Jetzt fehlen noch die Grammatik§§ :-D .

könnte man auch praesidio urbi schreiben?


Das ist eine zu enge Fragestellung, du sollst fragen, was das für ein Satzteil ist, und antworten, dass es Attribut zu praesidio ist: Genitiv-Attribut.
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon romane » Di 28. Jul 2015, 16:04

ob "urbi" logisches Subjekt oder Objekt ist.
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon GurkenPaule » Di 28. Jul 2015, 16:23

Erstmal danke für eure Antworten.

Sowohl RH als auch Gaar-Schuster zitieren folgenden Satz "Caesar copias praesidio navibus reliquit". (RH §128; GS §123). Menge zitiert BG 7.60.2 "Caesar quinque cohortes castris praesidio relinquit".
Wieso, frage ich, soll man es dann nicht analog auch bei afferre verwenden können?

Menge § 332: Leges omnibus civibus usui sunt.
Bei esse kann man stets doppelten Dativ anwenden.

Kühner Stegmann §75: Dativ bezeichnet eine nähere Bestimmung der Satzsubstanz; beteiligter Gegenstand; persönlich gedachtes Objekt (logisches zB).; §77 Zweckdativ gibt den Zweck an und das Objekt dem die Handlung gilt.
Wieso lasse es sich dann nicht ausweiten?

Kühner-Stegmann § 82: Genetiv dient dazu ein Substantiv näher zu bestimmen.
Ja, leuchtet mir ein, dass man praesidio urbis sagen kann, aber muss??


Wieso habe ich die Frage zu eng gestellt? Linguistische Terminologie finde ich zum Teil zu hinderlich, wenn man doch von der Bedeutung (engl notion, wie Newby in seinen Grammtikwerken die Bedeutung nennt) sprechen kann.
Will ich also ausdrücken, dass die Baumstämme für die Stadt hergebracht werden, sollte doch urbi legitim sein, oder? Will ich jedoch den Schutz näher bestimmen, also welche Art von Schutz nun hergestellt werden soll, so kann auch der Genitiv stehen als Attribut zu praesidio.

Dass Gerundium/Gerundiv hier auch möglich ist, ist mir einleuchtend, mir geht es aber hier nun um diese beiden Fälle.
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon Prudentius » Mi 29. Jul 2015, 10:02

Hallo Paul (Gurken mag ich nicht :sad: ),

willst du denn zwei finale Dative einbauen?

Also "auxilio venire, praesidio relinquere" sind ganz alltägliche Verbindungen, stehen in jeder Schulgrammatik, die ausgedehnten Suchgänge hättest du dir ersparen können.

In der Übrrschrift hast du zwei Kasus, und in der Frage geht es um den Sinn des Satzes, daher meinte ich, dass die Fragestellung zu eng ist, also nicht auf das Satzganze bezogen; denn Kasus haben nicht direkt etwas mit dem Satzaufbau zu tun, sie gehören in die Formenlehre (Deklination), nicht in die Syntax.

Kühner-Stegmann § 82: Genetiv dient dazu ein Substantiv näher zu bestimmen.


Einwand: Substantive werden durch KNG näher bestimmt, also die drei Deklinationskategorien, dann auch noch durch Suf- und Präfixe, und vllt. auch noch durch die Wortbildung; aber nicht durch einen Genitiv. Er muss sich aber wohl so ausdrücken, da die Grammatik ja den "Begriff" nicht kennt :roll:

Es ist hier auch mal interessant zu beobachten, wie man solche grammatischen Anfragen beantworten kann; über die Links und die §§ haben wir ja schon gelacht; ich möchte es aber mal sagen: auf eine Frage sollte man verbal antworten: "Warum ist das so?", Antwort: "Darum ist das so", aber nicht einen Link oder einen § hersetzen; das wäre so, wie wenn ich nach dem Weg gefragt werde und antworte: Schau mal im Stadtplan nach!
Das Interessante bei diesen Anfragen ist aber, wie hier auch, dass man oft gar nicht direkt antworten kann, weil die Frage schief oder falsch gestellt ist, d.h. eine unausgesprochene falsche Voraussetzung enthält; man muss also erst die Frage korrigieren; und dann ist sie leicht zu beantworten.

lgr. P. :)
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon medicus » Mi 29. Jul 2015, 12:19

GurkenPaule hat geschrieben:Täglich wurden mehr Baumstämme zum Schutze der Stadt hergebracht.
in dies plures trunci praesidio urbis allati sunt.


Sind meine Gedanken zu dem Thema richtg oder verkehrt:?

Im Deutschen macht es doch einen Unterschied, ob man sagt:
Täglich wurden mehr Baumstämme zum Schutze der Stadt hergebracht.
oder.
Täglich wurden mehr Baumstämme der Stadt zum Schutz hergebracht.

Also wären die beiden alternativen Vorschläge von GurkenPaule doch möglich, wobei der Sinn leicht unterschiedlich ist.
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon GurkenPaule » Mi 29. Jul 2015, 12:55

@Prudentius

meiner Ansicht nach, und Panhuis stimmt mir da halbwegs zu, gehören Fälle ebenso zur Syntax wie auch zur Formenlehre. die Endungen sind morphologische Aspekte, die Bedeutung aber sowohl syntakitsch als auch semantisch. Das Verb dare verlangt sowohl einem Dativ als auch Akkusativ; ohne einen der beiden Fälle wäre der Satz sinnfrei; Fälle sind also Teil der Syntax. werde aber gerne ausgebessert, da ich dieses Thema sehr interessant und spannend finde.

das heißt also, ich hätte eher fragen sollen, inwiefern sich urbi oder urbis in den Satz integriert?
Dann bitte hierauf eine Antwort.

@medicus
also deiner Meinung nach könnte man urbi setzen? und worin liegt der feine Unterschied? kann auf deutsch selber keinen großartigem erkennen.
Was ich mir nich gedacht habe ist, dass urbis vielleicht deswegen mehr Sinn macht, da das Subjekt, die Baumstämme, ja nichts Lebendiges sind und deswegen nicht so in Wechselwirkung mit urbi stehen können wie es sonst bei einem Dat fin der Fall ist (Caesari militibus suis honori sunt; caesar copias suas castris praesidio reliquit).
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon marcus03 » Mi 29. Jul 2015, 13:23

Nebenbei gefragt:

An welche Art von Schutz hast du dabei gedacht ? Wozu die Baumstämme ? Etwa um sie von Mauer auf die Angreifer zu werfen ? :?
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon iurisconsultus » Mi 29. Jul 2015, 13:48

medicus hat geschrieben:Täglich wurden mehr Baumstämme der Stadt zum Schutz hergebracht.

Der deutschgeprägte Leser wird in dem Satz "der Stadt" als Genetivattribut von "Baumstämme" ansehen (müssen) und nicht als Dativobjekt. Damit ist der Sinn aber ein völlig anderer. Oder war das ohnehin so gedacht :?
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon marcus03 » Mi 29. Jul 2015, 13:55

medicus meinte vermutlich:

Der Stadt wurden Baumstämme zum Schutz gebracht/geliefert.
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon iurisconsultus » Mi 29. Jul 2015, 14:02

marcus03 hat geschrieben:medicus meinte vermutlich:

Der Stadt wurden Baumstämme zum Schutz gebracht/geliefert.

Ob der unbefangene Leser dem Satz diesen Sinn beilegt, getraue ich mich anzuzweifeln?
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Re: Genetiv oder Dativus Finalis

Beitragvon marcus03 » Mi 29. Jul 2015, 14:24

medicus geht es darum, so den dat. fin. zu "legitimieren", um den es "CucuminumPaulus" geht.
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