Gerundium im Ablativ.

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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon ille ego qui » Sa 3. Okt 2015, 13:34

@ in librum legendo

im mittelalterlichen und im Neulatein findet man das nicht selten, aber die sog. "boni scriptores" der antike machen es - wie bereits richtig gesagt wurde - nicht.
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Zythophilus » Sa 3. Okt 2015, 13:41

@ Laptop: Sind die drei Stellen alles, was es gibt?
Bei in tenendo quod ... ist ein Relativsatz das Objekt. Ob man hier sinngemäß eher ein id oder eo zu denken hat, kann ich nicht sagen.
An der Form se kann man bei in se tuendo nicht erkennen, ob sie Akk. oder Abl. ist.
Eindeutig ist natürlich in in suum cuique tribuendo der Akk., auch wenn es eine formelhafte Wendung ist. Die letzte Stelle lässt mich vermuten, dass der Römer den Akk. in diesem Fall zwar nicht als falsch ansah, aber als so unschön, dass er ihn nur in einem 'Notfall' nahm.
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Laptop » Sa 3. Okt 2015, 16:39

@Zythophilus Ja, das sind sehr genaue Beobachtungen von dir. Die drei Stellen sind wohl nicht alles was es gibt, aber zumindest sind sie alles, was der Autor (Allen) hier zusammengetragen hat:
http://www.jstor.org/stable/3286847?seq=1#page_scan_tab_contents

Ein genaues "Lesen" (= Interpretieren) der Tabelle läßt, wie ich finde, viele Erkenntnisse zu. Nämlich z. B. was Randphänomene sind, und was gang und gäbe ist.

@Ille Es wurden hier verschiedene "regelhafte Aussagen" gemacht, die alle ziemlich ungenau sind. Kann man es vielleicht so sagen: "Ablativ-Gerundien nehmen im guten Latein kein Objekt an"?
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon ille ego qui » Sa 3. Okt 2015, 17:39

ja, wenn eine Präposition vorliegt und ein akk.-objekt vorliegt, nimmt man im "guten Latein" das Gerundiv.

nebenbei: man sagt auch "rei utendae causa" (trotz uti + abl.)
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Laptop » Sa 3. Okt 2015, 20:29

@Ille Was andres als rei utendae empfänge ich auch als seltsam. Denn ein Gerundivum kongruiert ja mit seinem Bezugswort.
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Prudentius » So 4. Okt 2015, 10:49

"Ablativ-Gerundien nehmen im guten Latein kein Objekt an"


Doch, Horaz in der Ars poetica: "Lectorem delectando pariterque monendo".
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Prudentius » So 4. Okt 2015, 11:03

RM hat geschrieben:[Ziemlich oft bin ich dabei auf allzu wenig Gehör gestoßen, ...


Lieber RM, das kann ich von mir auch sagen :-D , das liegt einfach daran, dass wir zu unterschiedliche Zielvorstellungen haben, wohin wir uns bewegen wollen. Du hast ja völlig recht, aber die letzte Antwort kann dann die Statistik und ihre Auswertung auch nicht geben, das Unbelegte muss ja nicht unbedingt falsch sein, es kann ja systemkonform sein, es "könnte richtig" sein.

Bei der nötigen Erfassung der vielen Belegstellen können wir es uns glücklicherweise manchmal einfacher machen, indem wir einfach auf dich rechnen :klatsch: ,

lgr. P. :)
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Medicus domesticus » So 4. Okt 2015, 11:04

@Laptop:
Ernst Risch hat sich mit dem Gebrauch des Gerundiums und des Gerundivs mal eingehend beschäftigt. Da findest du sicher viele Infos:
http://tinyurl.com/nrybs96
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon ille ego qui » So 4. Okt 2015, 12:04

Laptop hat geschrieben:@Ille Was andres als rei utendae empfänge ich auch als seltsam. Denn ein Gerundivum kongruiert ja mit seinem Bezugswort.


nun ja, das Gerundivum hier überhaupt zu verwenden, widerspricht ja zunächst einmal jeder Logik. genauso wie im deutschen "die zu frönenden genüsse" nicht ginge ("frönen" regiert eben im dt. kein akk.obj. und eignet sich also nicht fürs Gerundiv). logisch wäre gerund: "re utendi causa". ob das neben dem eigentlich unlogischen "rei utendae causa" auch geht - sprich ob wir belege für solches haben -, wüsste ich allerdings auch gerne ;-)
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Medicus domesticus » So 4. Okt 2015, 12:34

Man findet bei Plautus z.B. auch noch Gerundium im Ablativ mit Akkusativobjekt:
male fidem servando illis quoque abrogant etiam fidem (Plaut.Trin. 1048)
oder bei Livius 21,54,1: Quem ubi equites quoque tegendo satis latebrosum locum circumvectus ipse oculis perlustravit.
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon ille ego qui » So 4. Okt 2015, 12:42

das würde wohl auch keiner in abrede stellen, problematisch wird es, sobald das gerund von einer Präposition regiert werden soll.
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Medicus domesticus » So 4. Okt 2015, 12:44

Risch sagt ja auch ganz klar in seiner Abhandlung, dass er mit Präposition kein eindeutiges Besipiel im klassischen Latein gefunden habe...:
Unter den Belegen für Gerundium und Präposition finde ich kein einziges sicheres Zeugnis für ein Akkusativobjekt (S.119).
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Zythophilus » So 4. Okt 2015, 14:35

Die Lage ist doch so eindeutig, dass man jedem, der einen Text in halbwegs klassischem Latein verfassen will, davon abraten kann, Präposition + Gerundium + Akk.objekt zu verwenden. So sehr können wir den Grammatiken schon vertrauen.
Wenn nun die Seite eines Gymnasiums ein Beispiel wie in librum legendo bringt, so hat das insofern keine Konsequenzen, als vermutlich keiner, der einen lateinischen Text schreiben will, diese als maßgeblich ansehen wird. Für den normalen Schulgebrauch ist es irrelavant, da der Schüler vielleicht etwas Unkorrektes lernt, aber im Normalfall, also in lateinischen Texten nicht darauf stoßen wird.
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon Laptop » Mo 5. Okt 2015, 00:22

Danke für die entsprechenden Stellen bei Risch und Plautus, Medicus.

Zythophilus, die Lage ist relativ klar. Was mich aber etwas irritiert ist deine Verteidigung der Irrlehre des Gymnasiums. Unkorrektes Latein als Sprachteilnehmer zu verbreiten ist entschuldbar. Es als Lehrer zu verbreiten m. E. nicht so ganz.
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Re: Gerundium im Ablativ.

Beitragvon ille ego qui » Mo 5. Okt 2015, 00:53

die frage ist, wie streng man sich an klassisches latein hält als lehrer. comenius, wenn ich mich recht erinnere, benutzt durchaus nach präposition gerund plus akk.obj. außerdem entspricht die konstruktion haargenau der logik, die sich eigentlich hinter dem gerund verbirgt. von daher könnte man das vielleicht mindestens als eine "pia fraus" verteidigen.
aber letztlich würde ich mich an der praxis wohl doch an laptop orientieren :-)
valete.
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