Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui...)

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Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui...)

Beitragvon Ioscius » Mo 4. Jan 2016, 20:34

Hallo ! :)

BS erwähnt in § 465,7 gesondert das Phänomen, dass in konsekutiven Relativsätzen der Konjunktiv Plusquamperfekt nach einem übergeordneten Nebentempus verwendet wird.

1) Nach § 465,5 wäre der Konjunktiv Perfekt als absolutes Tempus oder der Konjunktiv Imperfekt der Normalfall. Allerdings mit der Einschränkung, in negativen konsek. Relativsätzen. Warum diese Einschränkung? Zudem wird dann noch gesagt, dass keine genaue Regel angegeben werden könne - und dieser Zustand wird kurioserweise mit zwei Sätzen begründet, wo einmal der Konsekutivsatz negiert wird, aber einmal nicht. Kann sich das jemand erklären?

2) Des Weiteren eine Frage zum Verständnis der Zeitenfolge im Allgemeinen: Warum wird der Konj. Plusquamperfekt nach Nebentempus überhaupt gesondert ausfgeführt und in den Übungssätzen auf S. 396 in Übungssatz 6 "nemo fuit, qui hoc non viderit" die mögliche Alternative vidisset gar als "unlogisch" bezeichnet?!
Ich denke, das Zeitverhältnis wird im Präsens deutlich: "Es gibt niemanden, der nicht gesehen hat". Die Personen existieren jetzt und das Ereignis des Sehens ist vorzeitig. M. E. wäre also Plusquamperfekt bei übergeordnetem Nebentempus nur dann unlogisch, wenn "est, qui" bedeuten würde "Es hat sich ereignet, dass.." Das Problem ist natürlich, dass die Personen sowohl vor der Tat bereits existierten, während der Handlung existieren und es i.d.R. auch danach noch weiter existieren. Also irgendwie ließen sich wohl für alle Zeitverhältnisse Argumente finden...

Kann mir jemand da bitte weiterhelfen?! Danke :D
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Re: Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui

Beitragvon marcus03 » Di 5. Jan 2016, 10:45

Ioscius hat geschrieben:"nemo fuit, qui hoc non viderit"


Der Relativsatz hat konsekutiven Nebensinn. Konsekutivsätze unterliegen nicht der c.t.
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Re: Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui

Beitragvon Ioscius » Di 5. Jan 2016, 12:00

marcus03 hat geschrieben:
Ioscius hat geschrieben:"nemo fuit, qui hoc non viderit"


Der Relativsatz hat konsekutiven Nebensinn. Konsekutivsätze unterliegen nicht der c.t.


Nein, siehe BS § 465,1. Das absolute Tempus ist nur auch möglich.

Das Problem ist semantischer Natur, nämlich dass ich die oben erwähnten konsek. Relativsätze - paralllel dazu, wie sie konstruiert sind - als vorzeitig sehe. Im gerade erwähnten Paragraphen steht auch, dass Konsekutivstze ihrer Natur nach nur gleich- oder nachzeitig sein könnten. In § 465,7, wo den konsek. Relativsätzen mit Konjunktiv Plusquamperfekt nach einem übergeordneten Nebentempus ein eigener Abschnitt gewidmet ist, wird ja auch extra erwähnt: "Zur Bezeichnung der Gleichzeitigkeit". Das Problem scheint also wirklich daran zu liegen, dass BS die Sätze als gleichzeitig auffasst, während ich (und wohl auch die Verfasser der sätze, also unter anderem Cicero) den Konjunktiv Plusquamperfekt als richtig empfinden, einfach weil diese konsek. Relativsätze trotz ihrer Natur irgendwie vorzeitig verstanden werden können: Denn die Natur der Personen hat zwar bewirkt ((Im)perfekt)), dass die Handlung eingetreten ist; die Handlung ist aber irgendwann einmal abgeschlossen (Konj. Plusquamperfekt), das Wesen der Personen, die zu der abgeschlossenen Handlung geführt hat, bestand jedoch weiterhin ((Im)perfekt).

PS: Mir ist gerade ein Einfall gekommen (immer übergeordnetes Nebentempus angenommen):

1) Konsek. Relativsatz im Imperfekt: "strenges" relatives Tempus/ Zeitverhältnis: Eine Person war so, dass xy passierte

2) Konsek. Relativsatz im Perfekt: Absolutes Tempus; es spielt keine Rolle, in welchem Verhältnis der Nebensatz zum übergeordneten Satz steht; zum Zeitpunkt, als der Satz verfasst wurde, ist die Nebensatzhandlung abgeschlossen und via Perfekt kann man das Geschehen nun als abgeschlossen betrachten (Aspektbetonung).

3) Es scheint noch eine Mittestellung zu geben: Die Hauptsatzhandlung, in dem der Zustand/ die Charakterbeschaffenheit ausgedrückt ist, ist auch nach der spezifischen durch ebendiese Charakteranlage evozierten Einzelhandlung gültig; in dieser Hinsicht besteht also auch ein Zeitverhältnis, nur nicht mehr ganz so streng, indem man das konsekutive Verhältnis außer Acht lässt. Die Charakteranlage wird also durativ aufgefasst, die in dem Sinne nachzeitigkeit sein kann, als sie nach der Einzelhandlung weiter besteht.
Zuletzt geändert von Ioscius am Mi 6. Jan 2016, 13:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui

Beitragvon marcus03 » Di 5. Jan 2016, 12:18

Ich sehe da ein grundsätzliches Problem: Kann ein Folgesatz überhaupt vorzeitig sein ? Schließen sich Konsekutivität und Vorzeitigkeit nicht logisch aus ? Eine Folge kann ihrer Ursache nicht vorausgehen. :?
Vermutlich ist das mit dem Hinweis "unlogisch" gemeint.

Ioscius hat geschrieben:BS erwähnt in § 465,7 gesondert das Phänomen, dass in konsekutiven Relativsätzen der Konjunktiv Plusquamperfekt nach einem übergeordneten Nebentempus verwendet wird.


Beispielsatz ?

Ich besitze den BS nicht. Im RHH finde ich keinen.
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Re: Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui

Beitragvon marcus03 » Di 5. Jan 2016, 12:33

Ioscius hat geschrieben:3) Es scheint noch eine Mittestellung zu geben: Die Hauptsatzhandlung: Der Zustand, dass eine Person so beschaffen ist, ist auch nach der dazu geführten Handlung gültig; in dieser Hinsicht besteht also auch ein Zeitverhältnis, nur nicht mehr ganz so streng. In dieser Hinsicht auch eine Zeitenfolge, die eben zum umgekehrten Zeitenverhältnis führt.


Das verstehe ich nicht wirklich.
Zudem: Warum sollte eine Beschaffenheit Veränderungen unterworfen sein können ? :?
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Re: Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui

Beitragvon medicus » Di 5. Jan 2016, 14:37

Ego modo"statio ferriviaria" intellego :hairy:
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Re: Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui

Beitragvon Ioscius » Mi 6. Jan 2016, 13:20

Wie gesagt: Es ist unumstritten, dass sich Konsekutivität und Vorzeitigkeit im engen SInne ausschließen.
Ich versuche doch nur eine Erklärung dafür zu finden, warum in relativen Konsekutivsätzen bei übergeordnetem Nebentempus Konjunktiv Plusquamperfekt (parallel zum Deutschen !!!; im RHH wird dieses Phänomen leider nicht behandelt) verwendet werden kann.

Ist mein Erklärungsversuch wirklich so schwierig zu verstehen? Ich möchte der Deutlichkeit halber ein übergeordnetes Haupttempus als Beispiel verwenden: "Es gibt Leute, die sich gegen ihre Vorgesetzten erhoben haben" (konsek. Nebensinn).
Diese Leute sind von dem Charakter, dass sie xy getan haben. Auch nach dieser durch Ihre Natur evozierten Handlung behalten sie diese Charakterzüge, und es ist wahrscheinlich, dass sie dies nochmal tun. Die genannte spezifische Handlung ist zwar abgeschlossen, ihre Charakteranlage - durativ betrachtet - aber weiterhin vorhanden.
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Re: Consec. temp. in konsek. Relativsätzen (sunt/ erant, qui

Beitragvon Prudentius » Do 7. Jan 2016, 11:10

Mir leuchtet das Konsekutive an diesen Sätzen nicht ein; bei deinem letzten Beispiel: da steht nichts von Charakterzügen, von der Natur, die etwas evoziert: da steht nur "sunt", es gibt; diese Formel hat eine elementare logische Bedeutung (sie gehört zum kleinen Einmaleins der Logik), nennt sich "Existenzquantor" und kommt in allen Sprachen vor, vgl. "there is", "il y a" usw.; die Formel bedeutet, dass die Menge nicht leer ist; bei deinem Beispiel: die Menge der Leute, die sich gegen die Vorgesetzten erhoben haben, ist nicht leer, d.h. es gibt solche Leute; Paraphrase: "Einige Leute haben sich ... erhoben".

Beachte auch, dass der Konjunbktiv in diesen Sätzen nicht zwingend ist, es kommt auch der Indikativ vor; vgl. Horaz gleich in der Eingangsode: "Sunt, quos curriculo pulverem Olympicum collegisse iuvat", das -a- ist nicht durch die Metrik bedingt, "Es gibt Leute, denen es Spaß macht, sich in der olympischen Sandbahn abzuhetzen"; schon allein Google gibt für "sunt, quos" noch ein zweites Bsp. mit Indikativ.

"Sunt, qui Propertium malint", (ich glaube Quintilian), die Menge derer, die P. bevorzugen, ist nicht ganz so klein, nichts von Konsekutivität.

Die Formel "sunt, qui" ist sinngemäß mit den Indefinita zu verbinden, "Einige Leute bevorzugen P.", also soviel wie nonnulli, quidam, aliquis; die Grammatiken haben diesen Zusammenhang nicht erkannt (nicht erkennen können, da ihnen der Existenzquantor unbekannt war), und so ist dieser Relativsatz aus Verlegenheit bei dem "konsekutiven Nebensinn" gelandet - jetzt habe ich mich allerdings weit aus dem Fenster gelehnt :-D :-D ,
jetzt flüchte ich also, :) .
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